Testbegräbnis, Gräberengpass, Urnenlaufzeit :Unruhe um die letzte Ruhe

Lesezeit: 2 min

Für Urnen, wie sie in den Grabstätten auf dem Parkfriedhof beigesetzt sind, gilt in Olching eine Ruhefrist von zwei Jahren. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Um Olchings Friedhöfe wird seit Jahrzehnten laut debattiert. Nun will eine Frau mehr Stille erreichen

Von Julia Bergmann, Olching

Ein Hoch auf Euphemismen! Sind sie es doch, die die bitteren Aspekte des Lebens für den kurzen Augenblick eines Gesprächs erträglich machen. Für eine Sekunde nimmt etwa das Adjektiv "entschlafen" dem Tod seine brutale Tragweite und in der "letzten Ruhestätte" schwingt eine Tröstlichkeit mit, die das sprachlich schmucklose "Grab" niemals erzeugen wird. Doch spätestens in der Sekunde, in der der Euphemismus verhallt, muss der Sprecher der erbarmungslosen Realität ins Auge blicken. Und dort liegt die Tücke der Beschönigung, die besonders den Olchingern bekannt sein dürfte. Dort ist man nämlich, was "letzte Ruhestätten" angeht, leidgeprüft und die im Begriff implizierte Stille ist nichts weiter als eine leere Worthülse.

Will man einen Anfang der Olchinger Unruhen ausmachen, muss man gute dreißig Jahre zurückblicken. Ein Stadtratsbeschluss sorgte für Dekaden währenden Ärger. Einmal aufgelassene Grabstätten auf dem Alten Friedhof durften nicht mehr neu vergeben werden, denn auf lange Sicht sollte dort eine Begräbnisstätte mit Parkcharakter entstehen. Die Olchinger waren in Aufruhr. Zwar durften sie verstorbene Angehörige weiter in bestehenden Gräbern bestatten, allerdings freilich nur nach Ablauf der Ruhefrist. Wenn diese noch galt, konnten auf dem Alten Friedhof keine neuen Gräber mehr zugekauft werden. Nur noch auf dem neuen, weiter entfernt liegenden Parkfriedhof waren noch neue Begräbnisstätten zu bekommen. Dass ihre Familien im Tod nicht weiter auf ein und demselben Gottesacker vereint ruhen durften, empfanden viele Olchinger schlichtweg als grausam. So wurden sie laut. Die Politik blieb vorerst standhaft, an der Entscheidung war nicht zu rütteln, aber das Crescendo des Ärgers schwoll kontinuierlich an und entlud sich im Juni 2016 auf einer Bürgerversammlung. Immerhin hatte das einen neuen Beschluss zur Folge, demnach Familien, die bereits ein Grab besaßen, ein weiteres auf dem Alten Friedhof zukaufen konnten.

Der Alte Friedhof blieb aber nicht der alleinige Quell der Unruhe. Auch der vergleichsweise neue Parkfriedhof sorgte für Ärger. Da gab es Debatten um dessen Erweiterung, die Kosten und ästhetischen Ansprüche an die Begräbnisstätte. Streitpunkte, die zu Nichtigkeiten verpuffen, denkt man an die toten Schweine als Grabtester zurück. Weil der hohe Grundwasserspiegel eine Doppelstockbelegung von Gräbern auf dem erweiterten Friedhof nicht ohne Weiteres erlaubte, plante der Stadtrat den Test eines neuartigen Grabhüllensystems. Probeweise bestattete Schweinekadaver sollten zeigen, ob die Hüllen hielten, was sie versprachen. Zu den Tests kam es nie, die Nachricht von den Schweinen als Grabtestern verhallte aber nicht ungehört. Je nach Temperament und Pietätsempfinden sorgte die Debatte der Politiker für Raunen, Gelächter oder Empörung.

Und weil seit Jahrzehnten einfach keine Stille einkehren will, macht sich nun offenbar eine Frau auf, die Ruhe auf Olchings Gottesäcker zurück zu zwingen. Die dort festgelegte Ruhefrist von zwei Jahren für Urnengräber erachtet sie als zu gering, als Verstoß gegen die "postmortale Menschenwürde". Ein sogenanntes Normenkontrollverfahren soll zeigen, ob die städtische Friedhofsatzung mit Recht und Gesetz vereinbar ist. Und die Stadtverwaltung? Sieht dem Richterspruch Ende Januar entspannt entgegen. Obgleich die Entscheidung für neue Unruhe sorgen könnte. Nicht nur in Olching, sondern in ganz Bayern.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: