Technik und Bier:Angesehen und einflussreich

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Die Martha-Brauerei bestand seit dem 16. Jahrhundert an der Hauptstraße 10 in Bruck. Der Name der heutigen Martha-Brauerei kommt von den Vornamen früherer Besitzer: Sie hießen Martin. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die Brauereien in Fürstenfeldbruck und im Landkreis einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Der Aufstieg der Münchner Konkurrenz im 19. Jahrhundert durch neue Technologien bedeutete für die meisten das Aus

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Einst wurde Bier in der Regel zu Hause gebraut. Wann die erste richtige Brauerei im späteren Landkreis Fürstenfeldbruck entstand, darüber finden sich keine Quellen. Der Wirtschaftshistoriker Klaus Wollenberg weist darauf hin, dass der Ausschank von Bier den Zisterziensern bereits 1257 erlaubt wurde, sechs Jahre vor der Gründung von Fürstenfeld. Wie zugetan die Mönche Wein, Weib und Gesang gewesen sein müssen, kann man auch daraus schließen, dass das Generalkapitel des Zisterzienserordens bereits 1270 Frauen aus den Weinschenken der Klöster verbannte und das Betreiben von Wirtschaften in den Stadthäusern der Klöster zum wiederholten Male verbot.

Die erste Klosterbrauerei wurde nicht lange nach der Gründung von Kloster Fürstenfeld 1263 eingerichtet, schätzt der Brucker Stadtarchivar Gerhard Neumeier. Wollenberg führt Dokumente aus dem frühen 14. Jahrhundert an. Beim Bau der barocken Klosteranlage von 1690 an entstand ein Brauhaus im südöstlichen Eck der Anlage, die heute das Museum birgt. Östlich der Kirche gab es einen großen Gewölbekeller, wo das Bier bei acht bis zehn Grad kühl gelagert wurde. Im Markt Bruck sind 1450 drei Brauereien nachgewiesen, kleine Anlagen mit bescheidenem Ausstoß.

Der Marktplatz, die heutige Hauptstraße, war von Brauhäusern geprägt - zeitweise gab es dort acht. Hier: die Brauerei Maisach. (Foto: Stadtarchiv FFB)

Außerhalb von Bruck gab es kleine Brauereien von Adeligen, etwa in Türkenfeld und Adelshofen, die im frühen 19. Jahrhundert mit der Auflösung der Hofmarken verschwanden, sagt Kreisheimatpfleger Toni Drexler. Auf eine lange Tradition kann die Brauerei Maisach zurückblicken. Die älteste bekannte Erwähnung steht im Zusammenhang mit einem Streit um Marktanteile. Der Urkunde von 1556 zufolge verklagte der Oberwirt den Tafernwirt, weil der Bier brauen und dazu Wein ausschenken durfte. Der Hofmarksrichter bestrafte den Tafernwirt, der wiederum an Herzog Albrecht appellierte und mit dem Gewohnheitsrecht argumentierte, weil er seit 40 Jahren Bier und Wein verkaufe. Der Wittelsbacher gab ihm recht: Er solle auch Bier brauen und ausschenken dürfen, "dem armen Manne zugute", der sich keinen Wein leisten könne. Während der mittelalterlichen Warmzeit war Südbayern ein Weinland. In Südlagen etwa in Diepoldshofen bei Maisach gediehen Rebstöcke. Die Wirte schenkten lieber Wein aus, weil das Bier im Sommer schnell sauer wurde. Allerdings wurde es für Reben bald zu kalt. Bier wurde nicht bloß zum Lieblingsgetränk, sondern zu einem Hauptnahrungsmittel und etwa als Biersuppe schon zum Frühstück genossen.

An der Hausnummer 14 lag das Bichlerbräu, es wird in der Dirnagelschen Häuserchronik für das späte 16. Jahrhundert erwähnt. 1913 wurde es von der Brauerei Maisach gekauft. (Foto: Stadtarchiv FFB)

Professionelle Bierbrauer gehörten bald zu den reichsten und einflussreichsten Leuten am Ort. Zusammen mit Metzgern und Bäckern dominierten sie in Bruck die lokale Ökonomie, hat der Stadtarchivar festgestellt. Ende des 16. Jahrhunderts existierten neun Brauereien mit jeweils fünf bis zehn Beschäftigten, also 45 bis 90 Mitarbeiter bei einer Zahl von knapp 1000 Einwohnern. Neumeier meint, dass die Zahl der Brauereien stabil blieb, denn wenn ein Haus das Braurecht erworben hatte, blieb es lange bestehen, allerdings wechselten oft die Besitzer. Die Gebäude der Brauereien dominierten die Brucker Hauptstraße. Einige sind erhalten, von anderen existieren immerhin noch die Schilder.

Um 1800 hatte sich das Brauverfahren so weit entwickelt, dass es sich im Prinzip nicht mehr vom heutigen unterschied, mit Braupfannen und Kesseln aus getriebenem Kupfer. Das Hauptproblem war der enorme Holzverbrauch. Holz war der einzige Rohstoff zur Wärmeerzeugung. Die "Holznothdurft" brachte 1601 neuen Zwist zwischen Kloster und Markt, wobei die Bürger auf den Bedarf von sechs Braustätten verwiesen, wie Wollenberg schreibt.

Bier löste nicht nur Streitigkeiten unter Betrunkenen aus. In Bruck verhinderten Geschäftsleute mit Erfolg, dass die Zisterzienser Schankrechte bekamen, die Mönche brauten nur für den Eigenverbrauch. Die Klosterbrauerei überlebte jedoch die Säkularisation von 1803. Fortan fürchteten die Brucker Brauer die Konkurrenz durch einen nun privaten Betrieb mit Wirtschaft, auf die das heutige Klosterstüberl zurückgeht. Ende des 19. Jahrhunderts mussten im Landkreis die ersten Brauereien schließen. Denn die Konkurrenz aus dem nahen München war überlegen, einige Brauereien stiegen dort zu Global Playern auf. Investitionen in moderne Produktionsmittel wie die Kühltechnik von Linde oder die Elektrifizierung konnten sich die Kleinen nicht leisten.

Halten konnte sich lediglich die Maisacher Brauerei, die wie die Betriebe in Fürstenfeldbruck häufig ihren Besitzer wechselte. Dass sich das Unternehmen von 1907 an mehr als 100 Jahre im Besitz der Familie Sedlmayr befand, blieb eine Ausnahme. Während des Zweiten Weltkrieges mussten Zwangsarbeiter, darunter halbe Kinder, dort schuften. Das heutige Gebäude mit dem Bräustüberl und der Verwaltung entstand im Jahr 1975.

In Bruck stellte die Klosterbrauerei ihren Betrieb irgendwann ein, die Brauerei Pruggmayr in der Hauptstraße gab 1874 auf, das Gerblbräu folgte 1897. Das Bichlerbräu wurde 1913 von der Brauerei Maisach aufgekauft. Eine Weißbierbrauerei hielt sich bis 1916, als kriegsbedingt die Rohstoffe ausgingen. Nur das Marthabräu überlebte und schluckte 1900 das Jungbräu. Das Unternehmen residierte damals in der Hauptstraße 11 und war 1939 größter Gewerbesteuerzahler der Stadt mit fast 4000 Reichsmark, wie der Stadtarchivar ermittelt hat. Das Marthabräu zeichnete sich durch zwei Raritäten aus: Es wurde von einer Frau geführt, Julie Mayr, die obendrein als eine der wenigen Brucker Geschäftsleute nicht der NSDAP angehörte, was dem Geschäft keinen Abbruch tat.

Vor dem Zweiten Weltkrieg verkaufte die Brauerei fast 10 000 Hektoliter im Jahr. Mayr vermachte ihren Betrieb der Kirche, 1966 stieg die Thurn-und-Taxis-Brauerei ein. Zum 400-jährigen Bestehen des Marthabräus wurde die alte Sommerkeller-Halle wieder eröffnet. 1976 lag der Bierausstoß bei 70 000 Hektoliter. Allerdings gingen der Brauerei in der Folgezeit die Kunden aus, wie Neumeier festgestellt hat, sie war nur noch zu 40 Prozent ausgelastet. 1980 kaufte die Königlich Bayerische Bierbrauerei aus Kaltenberg das Unternehmen von der Erzbischöflichen Klerikalstiftung. So gab es nur noch wenige Brauereien im Landkreis. Die Craft-Bier-Bewegung bringt nun neue Unternehmen hervor.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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