SZ-Serie: Wer wohnt denn da?:Leben mit einem Museum

Lesezeit: 5 min

Albert und Theresia Aumüller wohnen in einer Einöde bei Egenhofen. Doch weil sie ihre Furthmühle auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, sind sie nur ganz selten wirklich allein

Von Heike A. Batzer, Egenhofen

Albert Aumüller kommt im Blaumann. Es ist sein Arbeitsgewand. Denn es gibt immer was tun an den alten Gerätschaften. Eigentlich ist Aumüller mit seinen 70 Jahren schon in Rente, aber was heißt das schon, wenn man ein Denkmal sein eigen nennt? Aumüller hat seinerzeit die Furthmühle, die hinter der Ortschaft Egenhofen im Landkreis Fürstenfeldbruck direkt an der Grenze zum Kreis Dachau liegt, von seinen Eltern übernommen und weitergeführt. 33 Mühlen gab es einst im Fürstenfeldbrucker Raum, die Furthmühle ist als einzige übrig geblieben. Heute ist sie ein Technikdenkmal und Mühlenmuseum.

Albert Aumüller wohnt zusammen mit seiner Frau Theresia, 67, im Wohnhaus daneben. Wohnen und Arbeiten an einem Ort. Was in früheren Zeiten gang und gäbe war, gilt heutzutage und verstärkt seit der Corona-Pandemie wieder als Zukunftsmodell - ohne weite Wege, ohne Zeitverlust wegen der Anfahrt zum Arbeitsplatz. Eine Art Home-Office. Die administrativen Tätigkeiten im Büro wickelt in erster Linie Theresia Aumüller ab, die das als Industriekauffrau gelernt hat. Ihr Mann, der Müllermeister, kümmert sich um die technischen Arbeiten rund um die Mühle. Es ist Teamarbeit, und doch würden sie sich an einem normalen Arbeitstag gar nicht so oft sehen, sagen beide. Jeder erledigt eben seinen Part.

1 / 2
(Foto: Günther Reger)

Müllermeister Albert Aumüller bei der Arbeit. Bis ins Jahr 2012 wurde in der Furthmühle Mehl hergestellt. Das Mahlwerk ist aber immer noch weitgehend in ursprünglichem Zustand und voll funktionsfähig.

2 / 2
(Foto: Günther Reger)

Urkundlich wurde die Furthmühle erstmals 1158 erwähnt. Das 850-jährige Bestehen feierte man im Jahr 2008.

Das Leben als Müller ist Albert Aumüller in die Wiege gelegt worden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Furthmühle mit seiner Familie verbunden. Aumüllers Großvater pachtete die Mühle, die in ihrer heutigen Gestalt seit 1828 steht, im Jahr 1900 und erwarb sie 1919. Albert Aumüller, Vater des heutigen Besitzers, übernahm die Mühle dann - als zweiter Sohn der Familie, weil sein älterer Bruder nicht aus dem Krieg heimkehrte. Seit 1972 ist wiederum dessen Sohn Albert, der ein Jahr zuvor seinen Meister im Müllerhandwerk gemacht hatte, verantwortlich. Ob er das wollte, wurde er nie gefragt. "Ich war der einzige Bub, und der muss die Mühle übernehmen", erzählt er. Er sei halt damals schon "ein gutmütiger Mensch gewesen", fügt er noch an und lacht sein verschmitztes Lachen. Aumüller kann herrlich hintergründig reden und so viele Anekdoten erzählen aus der Mühle, über die Mühle, über die Historie, über interessante Begegnungen, über sein Leben als Müller und Herr über das Museum, dass es Tage brauchen würde, bis sie alle erzählt sind. Auch die Führungen durch die Mühle sind deshalb so spannend, weil Aumüller sie mit so viel Liebe zum Detail und vielen Geschichten anreichern kann. Sein Wissen gibt er gerne weiter. Der Plausch mit den Menschen, das liegt ihm. Zu den Gruppen, die aus München zu seinen Führungen kommen, sagt er stets: "Als ihr gegründet worden seid's, hat's uns schon gegeben." Im selben Jahr, in dem Herzog Heinrich der Löwe München gründete - 1158 war das -, schenkte er dem Kloster Sankt Ulrich und Afra in Augsburg eine Mühle bei Egenhofen. Das ist urkundlich erwähnt.

Die Aumüllers leben in dieser Einöde, davor nur die Straße, die von Egenhofen in den Dachauer Landkreis führt, dahinter Wiesen, Wald, in der Nähe das Flüsschen Glonn. Idyllisch. Und doch bisweilen ganz international. Aus China oder Australien, aus Israel oder Süditalien, von überall her kämen Gäste, um die historische Getreidemühle und das dazugehörige Sägewerk zu besichtigen, erzählt Theresia Aumüller. Schon sein Vater habe gesagt, mit einer Mühle habe man jeden Tag Kundenkontakt, sagt Albert Aumüller. Stimmt.

1 / 5
(Foto: Günther Reger)

Zur Furthmühle in Egenhofen heute...

2 / 5
(Foto: Archiv Furthmühle)

...und anno 1910: Famile Aumüller hat die Furthmühle gepachtet und kauft sie schließlich 1921. Noch heute befindet sich die Getreidemühle - mittlerweile technisches Denkmal und Museum - im Besitz der Familie.

3 / 5
(Foto: Günther Reger)

"Unser Wohnhaus bleibt unser Rückzugsort", sagt Theresia Aumüller. Nach getaner Arbeit sitzen sie und ihr Mann Albert gern beieinander.

4 / 5
(Foto: Günther Reger)

Zur Mühle gehören neben einem Sägewerk auch ein Wohnhaus.

5 / 5
(Foto: Günther Reger)

Das Portal zur Mühle ist ein beliebtes Fotomotiv bei den Museumsbesuchern.

Ganz selten sind die Aumüllers auf ihrem Terrain deshalb wirklich allein. Es kommen Schulklassen, Kommuniongruppen, Busladungen von Menschen, und die Mühle wird gerne auch für öffentliche Veranstaltungen genutzt: Mal sind es Politiker, die zu einem Wahlkampftermin laden, mal gibt es Konzerte, Kabarettabende, Kinderprogramm. Und es gibt den Mühlentag an Pfingsten, den die Aumüllers an der Furthmühle schon 27 Mal ausgerichtet haben, nur zuletzt fiel er wie vieles andere pandemiebedingt aus. "Wir waren sogar die Pioniere", erzählt Albert Aumüller nicht ohne Stolz, denn bevor der Deutsche Mühlentag institutionalisiert wurde, war er in der Furthmühle schon erfunden. Aumüller hat den Termin der Premiere noch genau im Kopf. "Es war am 18.7.1993." Mehr als tausend Besucher kommen an diesen Mühlentagen auf das Gelände bei Egenhofen, "es ist ein Kommen und Gehen", sagt Theresia Aumüller. Für sie und ihren Mann sind es arbeitsreiche Tage. Mit dem einen Tag ist es ja nicht getan, mit "14 Tage Vorbereitung und acht Tage Aufräumen" umreißt Albert Aumüller das Arbeitspensum. Seine Frau führte 15 Jahre lang auch noch das Café Mahlgang im Mühlentrakt. Die Kuchen backte sie alle selbst. Angeschlossen ist ein Mühlenladen, dort werden Mehl, Dunst, Grieß, Schrot und Kleie verkauft, Getreidekorn, Backzutaten, Gewürze, Dinkelspelz.

An manchen Tagen geht es auch mal gemütlicher zu. An diesem Nachmittag - die Spätsommersonne scheint angenehm warm auf das Mühlengelände herüber - nehmen sich die Aumüllers Zeit. Sie sitzen auf einer Bank vor der Mühle und erzählen. Auch von denen, die vorbei kommen, ohne dass es einen Anlass gibt. Spaziergänger, Radfahrer, die die Natur erkunden. Viel mehr seien es seit der Corona-Pandemie geworden, haben die beiden beobachtet. Auch Hochzeitspaare kommen zum Feiern in die Furthmühle und nutzen nicht nur das Eingangsportal als Hintergrund für die Fotoaufnahmen. Und wer die Furthmühle besucht, nimmt häufig auch manches in Beschlag, was die Aumüllers privat angelegt haben. Den Garten zum Beispiel. Da breiten dann manche einfach die Picknickdecke aus, sagt Theresia Aumüller. Man muss vieles tolerieren, wenn man so wohnt wie die Aumüllers - auf Privatgrund, der auch öffentlich genutzt wird. Aber wenn es der Besuchernachwuchs manchmal gar zu bunt treibt, dann wird schon mal eingeschritten.

(Foto: SZ-Grafik)

Später an diesem Nachmittag schaut noch der Hausarzt vorbei. Nicht dass jemand von den Aumüllers krank wäre, nein, der Arzt will bloß Mehl abholen. Oben auf dem "Mehlboden", wie das Stockwerk in der Mühle genannt wird, wo Albert Aumüller das Mehl verpackt, ist er mindestens einen Tag in der Woche zugange. Das Mehl kommt in größeren Säcken an, es wird andernorts gemahlen. Selber mahlen in seiner Mühle, das darf er seit dem Jahr 2012 nicht mehr, die Auflagen machen es unmöglich. Aumüller wiegt das Mehl und packt es dann in kleinere Gebinde.

Die Idee, die Mühle zum Museum auszubauen, entstand in den Achtzigerjahren, als eine umfassende Sanierung des ganzen Komplexes notwendig geworden war, zu dem bis zum Jahr 2002 auch eine Landwirtschaft zählte. Seit 1992 ist die Furthmühle vertraglich an den Landkreis Fürstenfeldbruck gebunden. Dieser leistet finanzielle Unterstützung, als Gegenleistung verpflichtete sich der Müller, die Mühle zu betreiben und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein Förderverein hilft dabei. Im Januar 2022 läuft der Vertrag aus, man ist in Verhandlungen, eine Einigung gibt es noch nicht. Die drei Söhne der Aumüllers haben andere Berufe ergriffen, ein Müller ist im Gegensatz zu den Generationen zuvor nicht dabei. Doch die Bereitschaft ist da, die Kooperation fortzusetzen.

Albert Aumüller hat wahrscheinlich mehr Zeit seines Lebens im Mühlengebäude verbracht als im Wohnhaus daneben. Abends ziehen sie sich dann dorthin zurück. "Wir stellen gerne den Gästen das Areal zur Verfügung", sagt Theresia Aumüller, "aber das Wohnhaus bleibt unser Rückzugsort". Fremde Einblicke möchte sie dort nicht. Albert Aumüller setzt sich dann abends ins Esszimmer und liest die Zeitung des zu Ende gehenden Tages, "wenn die anderen schon die neue Zeitung haben", schmunzelt er. Denn zur Furthmühle wird sie mit der Post geliefert und ist deshalb nicht schon frühmorgens im Briefkasten. Von seinem Platz auf der Eckbank kann er direkt hinüberschauen zur Mühle.

© SZ vom 07.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: