SZ-Serie "Vom Malz zur Mass", Folge 4:"Der klassische Biertrinker ist eher konservativ"

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Prost! Thomas Lillpopp (links), Marketingleiter der Schlossbrauerei Kaltenberg, und Geschäftsführer Oliver Lentz stoßen mit Dunkel- und Weißbier aus dem Hause an. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Oliver Lentz und Thomas Lillpopp, Geschäftsführer und Marketingleiter der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg, über ein Produkt mit nur vier Zutaten, über Craft Bier als neue Konkurrenz und den eigenen Fanclub

Interview von Heike A. Batzer

Die König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg hat die größte ihrer vier Braustätten und den Verwaltungssitz in Fürstenfeldbruck. Gebraut wird auch in Kaltenbergt, in Holzkirchen und Thannhausen. Geschäftsführer Oliver Lentz und Marketingleiter Thomas Lillpopp geben Auskunft über Trends beim Bierkonsum.

SZ: Haben Sie schon mal ein Schokobier getrunken?

Oliver Lentz: Gegenfrage: Ist das Bier? Ich habe schon viele exotische Biere probiert und kann deshalb nicht ausschließen, dass auch ein Schokogebräu dabei war. Ich erinnere mich an eines, das zum Beispiel mit Pfeffer aromatisiert war. Aber ich bin eher der klassische Biertrinker.

Mussten Sie probieren oder durftenSie?

Lentz : Ich habe es bewusst verköstigt.

Thomas Lillpopp : Bei mir war es auf der Messe Braukunst live, die jedes Jahr in München stattfindet. Und da schaut man, was es alles gibt. Wir von der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg sind da ja auch vertreten.

Lentz: Das macht ja auch Spaß. Und es gibt Kombinationen, die gut passen. Das Bier mit dem Pfeffer zum Beispiel hat gut zum Steak gepasst. Und in Italien wird unser Kaltenberg Ritterbock sogar als Dessertwein-Ersatz serviert.

Fürstenfeldbruck ist einer von vier Standorten, an denen die Kaltenberger ihr Bier brauen. Auf dem Betriebsgelände an der Augsburger Straße ist es das Weißbier. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Schlossbrauerei Kaltenberg hat so etwas nicht im Angebot. Dürfen Sie das nicht wegen des Reinheitsgebots oder verzichten Sie aus Prinzip auf solche Beimischungen?

Lentz: Wir sind stolze Bierbrauer und halten uns gerne an das bayerische Reinheitsgebot, das es seit 1516 gibt. Das bedeutet, dass es von uns ausschließlich Biere gibt, die danach gebraut werden. Im Übrigen ist das immer noch gültiges Gesetz, über das sich aber einzelne selbstherrlich hinwegsetzen.

Lillpopp: Das bayerische Reinheitsgebot ist das älteste Lebensmittelgesetz. Es definiert das Produkt Bier mit den vier Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe - alles natürliche Zutaten. Wenn auch andere Zutaten hinzukommen, ist es kein Bier mehr, sondern vielleicht ein Bier-Misch-Getränk auf Hopfenbasis.

Lentz: Und mit den vier Komponenten darf man ja spielen. Zum Beispiel, welcher Hopfentyp dem Bier eine bestimmte Geschmacksrichtung gibt. Das ist für uns Vielfalt genug. Da brauche ich keine Früchte oder andere Zutaten.

Seit einigen Jahren gibt es auch hierzulande neue Kleinbrauer. Sie nennen ihre Erzeugnisse Craft-Bier, versprechen Individualität und neue Geschmackserlebnisse. Ist das neue Konkurrenz?

Lentz: Craft-Bier ist eine Bereicherung und Ergänzung für das Thema Bier. Da sind durchaus kreative Brauer unterwegs, und das ist für die ganze Branche von Vorteil. Denn Bier ist ja ein hochwertiges, reines Lebensmittel und ein tolles Produkt. Aber wir bleiben beim klassischen Sortiment, das ist bayerische Tradition.

Der Bierkonsum geht allgemein zurück. Das heißt, der Kuchen wird kleiner, und nun kommen neue Brauereien auf den Markt. Wie hält man dagegen?

Lentz: Es gibt eine immer höhere Anzahl an Brauereien in Deutschland, jetzt sind es fast 1500. Aber das Wachstum ist begrenzt auf die Mikro-Brauereien. Man muss sehen, wie das in fünf oder zehn Jahren sein wird. Wir von der Schlossbrauerei Kaltenberg setzen auf Tradition, Kontinuität, Qualität. Wir haben eine sehr loyale Kundschaft. Unsere Zukunft ist auf jeden Fall nicht im Bereich Craft-Bier. Dabei bedeutet Craft-Bier eigentlich handwerklich, und gerade unsere Braumeister verstehen ihr Handwerk. Wir haben das nie anders gemacht.

Die Craft-Bier-Brauer bedienen offenbar auch veränderte Konsumwünsche. Verlangt der Biertrinker nach mehr Vielfalt?

Lentz: Wir haben da schon das richtige Portfolio mit über 15 verschiedenen Sorten und auch saisonalen Spezialitäten. Im Übrigen war damals, als die Schlossbrauerei Kaltenberg gegründet wurde, das König Ludwig Dunkel ganz neu. Dunkelbiere zu brauen, das war zuvor tot. Ludwig Prinz von Bayern hat dann angefangen, das in einer Nische wieder zu entwickeln.

Was muss man Kunden heutzutage bieten?

Lentz: Tradition und gleichbleibende Qualität sind für uns das A und O. Die Kunden schätzen es, zu wissen, was sie bekommen. Der klassische Biertrinker ist eher konservativ. Unsere Erfahrung ist, dass es eine Sehnsucht gibt nach Tradition, nach Stabilität und nach Bodenständigem in einer Zeit der radikalen Veränderungen. Und es ist nahezu unmöglich, dem Produkt Bier neutral gegenüberzustehen. Bier ist ein emotionales Produkt.

Ein Spezialgerät untersucht das Leergut auf seine Funktionsfähigkeit. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mehr Liebe geht nicht wie ein eigener Bier-Fanclub, den Sie hier mit dem 1. König-Ludwig-Weißbier-Fanclub mit mehr als 1000 Mitgliedern ja auch haben.

Lentz: Mehr als 1400 Mitglieder sind es mittlerweile schon. Da sind wir stolz drauf und das pflegen wir auch. Wir machen Kunden zu Fans. Die schätzen unsere Vielfalt und Verlässlichkeit.

Ist Bier der neue Wein? Ein Genussmittel und kein Massenprodukt mehr? Sie selbst haben einen Biersommelier im Haus. Der Biertrinker 2018, riecht und schmeckt der erst, bevor er trinkt?

Lentz: Ob Bier der neue Wein ist, kann ich nicht beantworten. Aber das Bewusstsein und die Einstellung zum Bier hat sich in den letzten Jahren ganz deutlich geändert. Man bestellt nicht nur ein Bier, sondern man bekennt sich bewusst zur Marke. Dass wir auch einen eigenen Biersommelier haben, das bedient einen gewissen Trend. Es ist schon spannend, was man da vermittelt. Da werden alle Sinne angesprochen. Man schaut, wie sich eine Schaumkrone bildet, oder man macht sich Gedanken über das richtige Glas - Bier als bewusstes Genussmittel.

Genussmittel oder Massenbier. Ist das kein Gegensatz?

Lentz: Bei unseren Bierspezialitäten steht der Genuss im Vordergrund. Wir sind ein echter Spezialitätenanbieter mit weniger als 0,5 Prozent Marktanteil in Deutschland, also von der Masse weit entfernt.

Das heißt, die Schlossbrauerei Kaltenberg sieht sich immer noch als regionale Brauerei und nicht unter den Großen im Geschäft, wie man durch die Kooperation mit Warsteiner vermuten könnte.

Vor zwei Jahren wurde in Fürstenfeldbruck auch eine neue, hochmoderne Abfüllanlage in Betrieb genommen (unten rechts). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Lentz : 2001 sind wir eine strategische Kooperation mit der Warsteiner Brauerei eingegangen. Das war ein sinnvoller Schritt. Da Warsteiner weder Dunkel- noch Weißbier im Sortiment hatte, konnten wir erhebliche Zuwächse in deren Gastronomie erhalten. Wir sehen uns schon als regionale Brauerei und der Region verpflichtet und dort auch verankert, aber natürlich haben wir auch einen nationalen Anspruch.

Lillpopp: Die bayerischen Biere sind ja national ein Riesenthema, auch in Verbindung mit den Oktoberfesten, von denen es ungefähr 500 in ganz Deutschland gibt und bei denen wir auch vertreten sind - mit zunehmendem Erfolg.

Im Gegensatz zum Münchner Oktoberfest.

Lentz: Das ist eine ganz eigene Geschichte. Die zu erzählen, würde zu lange dauern. Aber die bayerische Lebensart in Verbindung mit Bier ist ein Exportschlager in Deutschland. Zum Bier hat jeder eine Geschichte zu erzählen, hat jeder irgendwie eine emotionale Verbindung. Es ist ähnlich wie beim Fußball. Bier ist im wahrsten Sinne in aller Munde.

Wie wichtig sind Events wie Ritterspiele und Starkbierfeste oder Brauhäuser, die Biersoße auf der Speisekarte haben, für das Unternehmen?

Lillpopp: Wir machen keine großen Werbekampagnen, aber unser Kaltenberger Ritterturnier, das heuer schon zum 39. Mal stattgefunden hat, ist unser bestes Event. Jedes Jahr zieht es über 100 000 Besucher an, und das ist natürlich auch für uns eine tolle Möglichkeit, unsere Produkte zu präsentieren.

Lentz: Es ist unser Oktoberfest. Auch das Ritterturnier steht für Kontinuität, Qualität, Marke, Tradition. Das kann man nicht vom Standort trennen. Und auch eigene Brauhäuser sind Markenbotschafter und stehen für die bayerische Lebensart par excellence. Für das Brauhaus in Bruck hatten wir genug Bewerber, daran lag es nicht, dass es ein Jahr lang geschlossen war. Aber es sollte der richtige Betreiber sein. Und dass Bier bisweilen auch in Speisen verarbeitet wird, passt zum Genusserlebnis. Wir sehen uns ja als Genussmittelhersteller.

Die Schlossbrauerei Kaltenberg tritt auch als Sponsor in Erscheinung. Man muss also ständig um den Kunden buhlen.

Lentz: Wir sehen uns als regionales Unternehmen in der Verantwortung für die Region. Wir haben viel regionales Kleinsponsoring laufen und wissen, dass das für die Vereine wichtig ist. Und für uns sind sie positive Multiplikatoren. Aber wir verteilen das nicht mit der Gießkanne, wir unterstützen sehr gezielt und stehen lange zu unseren Partnern.

Lillpopp: Inzwischen sind wir auch auf Facebook. Das ist noch mal ein ganz neues Medium, um den Verbraucher kennenzulernen.

Bier wird in Bayern als Grundnahrungsmittel verehrt. Andererseits birgt der Alkohol auch Gefahren, gerade für junge Menschen. Wie geht man als Hersteller mit diesem Spannungsfeld um?

Lentz: Wir wissen, dass wir ein alkoholisches Getränk herstellen, dieser Verantwortung sind wir uns bewusst. Wir machen beispielsweise kein Sponsoring von Jugendmannschaften mit unserer Biermarke auf dem Trikot, und beim alljährlichen Zeugnisfest der Stadt Fürstenfeldbruck gibt es von uns nur AFGs ( alkoholfreie Getränke, Anm. d. Red.) - übrigens zum Leidwesen der Schüler. Über den Bayerischen Brauerbund sind wir an der Aktion "Don't drink and drive" beteiligt. Da unsere Bierspezialitäten eher für den Genießer sind, zielen wir weniger auf die Hardcore-Trinker. Das liegt schon an der Preisgestaltung. Natürlich können wir aber ab dem Kauf des Kunden keinen Einfluss mehr nehmen.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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