SZ-Serie "Sagen und Mythen", Folge 18:Höllische Plackerei

Lesezeit: 3 min

Hat nun der Teufel höchstpersönlich diesen mächtigen Felsbrocken zum Waldrand geschleppt oder reiste dieser auf dem Rücken eines Gletschers? Eine Spurensuche im Süden des Landkreises

Von Stefan Salger, Grafrath

Macht man sich in den ausgedehnten Wäldern um Grafrath auf die Suche nach dem sagenumwobenen Teufelsstein, dann lernt man die reizvollen Seiten der hügeligen Landschaft kennen. Grafrath ist für Wanderer auch jenseits des Klosters und der Wallfahrtskirche ein lohnendes Ausflugsziel - mit rätselhaften Wegmarken, die in früheren Zeiten Schauplatz für kultische Handlungen gewesen sein mögen. Bei frühlingshaften Temperaturen machen wir uns auf den Weg. Diesmal gilt unser Augenmerk weder den Überbleibseln der nicht allzu weit entfernten Sunderburg nebst Opfersteinen, noch den beiden Toteislöcher "Tiefes Tal" am Weg von Unteralting nach Mauern und "Wolfsgrube" nördlich des Schlossbergs von Wildenroth. Wir sind auf der Suche nach dem mächtigen Findling, der vom Teufel höchstpersönlich an einen Waldrand geschleppt worden sein soll.

Ausgangspunkt für die Suche ist der Grafrather Ortsteil Unteralting und damit ein Ort, den der bekannte Komponist Carl Orff (Carmina Burana) in seinen Erinnerungen als seine "zweite Heimat" bezeichnete. Er selbst hatte dort viele Wochenenden und Ferien in der "Sommerfrische" verbracht und kannte ganz gewiss auch den Teufelsfelsen.

Ein von braunem Laub gesäumter Feldweg führt in südliche Richtung durch eine malerische Hügellandschaft. Es geht an Wiesen und Feldern sowie Waldstücken vorbei. Vögel zwitschern. Ansonsten herrscht eine fast schon unheimlich anmutende Stille. Wo nur ist dieser vermaledeite Feldblock zu finden? Eine Spaziergängerin mit Hund gibt letzte Gewissheit. Man sei schon auf dem richtigen Weg, "noch ein paar Hundert Meter, dann liegt er links." Auf die Sage angesprochen, denkt sie kurz nach. Die kenne sie sehr wohl. Die alten Menschen im Ort hätten diese überliefert, und den kleinen Kindern gruselt es regelmäßig, wenn sie die blumig ausgeschmückte Geschichte erzählt bekommen. Zu den wirklich bedeutenden Sagen rund um Grafrath gehöre sie aber eher nicht.

Da liegt er seit Jahrtausenden, von Ästen abgeschirmt und scheinbar auf Laub gebettet : der geheimnisvolle Teufelsstein. (Foto: Stefan Salger)

Ein paar Hundert Meter weiter findet sich dann in der Tat der tonnenschwere Stein. Er ragt nur mit der oberen Hälfte aus dem Boden, Nadelbäume schirmen ihn mit ihren ausladenden Ästen ab. An einem mächtigen Baum, der sich wie ein Aufpasser zwischen den Brocken und den Wegesrand gestellt hat und seine knorrigen dürren Äste gen Himmel streckt, hängt eine handgemalte Tafel, auf der die Sage von Kinderhand illustriert wurde. Zu sehen ist darauf ein wolkenverhangener Himmel, unter dem das listige Mütterchen aus dem Märchen auf den Teufel trifft. Der hat rotes Fell, Ziegenfuß, Hörner und Spitzbart.

Der Teufelsstein selbst schimmert stellenweise rötlich. Verschwörungstheoretiker könnten darin einen Beleg für blutige Rituale sehen. Die profanere Erklärung ist, dass der stellenweise moosüberwucherte Stein mit Farbe angemalt worden ist. Wer sich mit kühlem Kopf daran macht, das Geheimnis des Brockens zu lüften, landet unweigerlich in der Eiszeit. Die Gletscher verrichteten vor vielen Tausend Jahren ein letztlich gar nicht so höllisches Werk: große Felsbrocken, die auf ihrer Oberfläche landeten, wurden im Schneckentempo teils Hunderte Kilometer transportiert. Dort, wo das Eis später schmolz, blieben die liegen. Weitere "Findlinge", wenngleich nicht von so beeindruckender Dimension, finden sich andernorts nahe Grafrath. Einer der größten erratischen Blöcke Europas ist jener in der Allgäuer Marktgemeinde Weiler-Simmerberg - bevor er als Steinbruch genutzt wurde, dürfte er an die 8000 Kubikmeter groß gewesen sein. Ebenso prominent ist der Dengelstein im Allgäu. Sein Volumen wird auf 3000 Kubikmeter, sein Gewicht auf 7900 Tonnen geschätzt.

Der Teufelsstein bei Grafrath

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(Foto: ffb)

Dem Teufel war die Rassokirche in Grafrath lange schon ein Dorn im Auge. Also machte er sich eines Tages auf den Weg, mit einem tonnenschweren Felsbrocken in den Händen, mit welchem er das christliche Gotteshaus ein für alle Mal zertrümmern wollte. Den ansehnlichen Stein hatte er sich in den Alpen herausgesucht. Der lange Weg nach Grafrath soll selbst für den Teufel mit dieser Last beschwerlich gewesen sein, zumal die Sonne vom Himmel brannte. Als er sich obendrein kurz vor Grafrath verirrte, legte er den Felsbrocken auf einer Wiese im Wald ab und machte eine Pause. In diesem Moment kam eine alte Bäuerin vorbei, die mit einem Korb zerrissener Schuhe Richtung Inning humpelte. Der Teufel fragte sie schließlich nach dem Weg. Die Frau erschrak zutiefst, fasste aber den Mut, dem Teufel eins auszuwischen. Die Alte eröffnete ihm, er sei komplett falsch gelaufen und komme vor Sonnenuntergang gewiss nicht mehr ans Ziel. Sie selbst käme aus Grafrath und habe alle Schuhe im Korb auf dem langen Weg bereits durchgelaufen. Der Teufel soll darüber so wütend geworden sein, dass er den Felsbrocken mit aller Kraft in den Boden schleuderte, so dass nur mehr ein kleiner Teil von ihm hervorragte. Auf diesem trampelte der Teufel eine Weile, außer sich vor Zorn, herum, ließ es blitzen und donnern und verschwand schließlich in einer Wolke von Rauch und Gestank. Der "Teufelsstein" liegt seither am Wegesrand. Unter anderem der Inninger Verein Heimatgeschichte kümmert sich darum, dass die Geschichte nicht verloren geht. Er bietet regelmäßig historische Spaziergänge an. Quelle: "Sagen und Legenden um das Fünfseenland und Wolfratshausen", von Gisela Schinzel-Penth sowie "Von Teufelssteinen und der Rassokirche" von Annemarie Strähhuber, aus "Die Amper - vom Ammersee bis Olching, Herausgeber Reinhard Jakob

Sitzt man auf der kleinen Ruhebank aus groben Holzbohlen, mit dem Teufelsstein im Rücken und mit Blick auf Wiesen und Wälder, dann ist einem eine solch rationale Erklärung aber eigentlich viel zu profan. Weitere Aufschlüsse soll ein Anruf bei Ernst Meßmer bringen. Der 81 Jahre alte Altphilologe und Heimatforscher kennt sich aus mit harten historischen Fakten, aber auch mit Mythen und Legenden. Die Geschichte, die sich um den Teufelsstein rankt, habe erst Ende des 19. Jahrhunderts die Runde gemacht, sagt er. So findet sie sich im Sagenbuch der bayerischen Lande von Alexander Schöppner und im Heimatbuch des früheren Kreisheimatpflegers Wolfgang Völk. Für eher unwahrscheinlich hält Meßmer die Gerüchte, dass während der Keltenzeit Opfer auf dem Teufelsstein dargebracht worden seien.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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