Ortsgedächtnis - Ein Blick in die Archive: SZ-Serie:Wo die Römer Wache hielten

Lesezeit: 3 min

Der ehrenamtliche Archivpfleger und Ortschronist Andreas Knoll im Landsberieder Gemeindearchiv. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auch über einen Minnesänger finden sich im digitalisierten Archiv von Landsberied spannende Details. Erstmals erwähnt wird "die Rodung des Lambert" 853.

Von Manfred Amann, Landsberied

Wenn der ehrenamtliche Archivpfleger und Ortschronist Andreas Knoll in die Geschichte von Landsberied, Babenried und Hirschthürl eintaucht oder Ordnung in Akten bringen will, die in der Gemeindeverwaltung anfallen, geht er nicht ins Rathaus, sondern in sein eigenes kleines Reich. Etwa 20 Quadratmeter, einige Stahlschränke für die wichtigen Sachen, Regale, ein Highboard, ein kleiner Tisch und zwei Stühle umfasst das Archiv, das sich unter der Turnhalle befindet und mit einer klaren Ordnung besticht. "Ich habe alles nach den Vorgaben für Archivare geheftet, abgelegt oder in Kartons verpackt und entsprechend beschriftet", erklärt der 75-Jährige und verrät mit einigem Stolz, dass er von Stefan Pfannes, der im Landkreis über die Archive wacht, für seine vorbildliche Archivführung schon gelobt worden sei.

Bilder, Broschüren, Bücher - und ein großer Pokal. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zusätzlich hat Knoll Themenordner zum Beispiel über die Pfarrei und die Kirchen, über Jugendarbeit, Grenzstreitigkeiten, Schulentwicklung und über die Erbhöfe in der Gemeinde sowie über besondere Vorkommnisse angelegt, um nur eine Auswahl zu nennen. Einzigartig im Vergleich zu anderen Kommunen gleicher Größe dürfte auch sein, dass Knoll bereits alles Wichtige hat digitalisieren lassen. "Wenn Bürgermeisterin Andrea Schweitzer einen Vorgang aus der Vergangenheit sucht, braucht sie keine Ordner wälzen, sondern kann mit den zugeordneten Kennwörtern die Schriftstücke oder Pläne im Internet aufrufen, das ist für sie eine wesentliche Erleichterung", so der Archivar. Die Frage, was ihn an dieser Arbeit fasziniert, beantwortet er nüchtern: "Ich mag Ordnung in etwas bringen".

Kartons und Ordner in Reih und Glied. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In großem Maße sei treibe ihn aber auch das Interesse an der Geschichte und der Entwicklung der Gemeinde an, räumt er schließlich ein. Daher arbeitet er auch an einer Ortschronik, wofür er auf eine Vielzahl alter Urkunden, Fotos, Vereinsberichte, Zeitungsausschnitte und Pläne zurückgreifen kann. "Frühere Archivpfleger, insbesondere Wilhelm Struller und Franz Appl, haben dafür gute Vorarbeit geleistet, bevor ich vor etwa 22 Jahren übernommen habe", erklärt Knoll. In der Chronik wird erläutert, dass Landsberied seine Entstehung den Römern verdankt, die auf dem heutigen Schlossberg angeblich einen Wachturm unterhielten.

1959 wird versucht, einen Großbrand mangels Wasser mit Odel zu löschen

Erstmals erwähnt wurde "die Rodung des Lambert" allerdings erst im Jahre 853. Der Ortsteil Babenried ging offensichtlich aus der "Rodung des Babo" hervor, während der Ortsteil Hirschthürl als herzogliche Schwaige geführt worden sein soll, in der vermutlich der Minnesänger Heinrich von dem Tudin lebte, der als Zeitgenosse von Walther von der Vogelweide gilt.

Um die Dokumente nicht zu gefährden, darf die Luftfeuchtigkeit gewisse Grenzen nicht überschreiten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Manche Geschichten bringen Knoll immer wieder zum Schmunzeln. Ein Zeitungsausschnitt ist zum Beispiel mit "Zum Löschen musste Odel verwendet werden" überschrieben. Dem Bericht zufolge war im Dezember 1959 auf einem Hof am Ortsrand ein Großbrand ausgebrochen, den man mit Jauche zu löschen versuchte, da nicht genügend Löschwasser zur Verfügung stand.

Aussagekräftige Fotos bewahrt der Archivar nach Ereignissen geordnet auf. Zum Beispiel Bilder von der Jahrundert- Überschwemmung im Jahre 1954, die in Folge von starkem Regen und Schneeschmelze besonders den Bereich der alten Schmiede heimgesucht hatte. "Was den Klimawandel anbetrifft", verweist Knoll auf eine "große Trockenheit im Jahre 1921, so dass das Wasser im Dorf knapp wurde".

Ein historisches Votivbild thematisiert die vor 182 Jahren grassierende Viehseuche, die erst nach einem Bittgang zum heiligen Leonhard wieder abgeklungen sein soll. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine Auflistung aus den Jahren von 1865 bis 1933 macht deutlich, dass die Gemeinde damals für ihre Wiesen und Waldbereiche jedes Jahr aufs Neue das Weiderecht vergab. Als große dörfliche Gemeinschaftsleistung schildert der Archivar die Flurbereinigung 1956/57. "Da haben alle mitgeholfen", erzählt er und zeigt auf die Liste, nach der damals 38 Schlepper und drei Pferdespanne im Einsatz waren, um insgesamt 72 000 Tonnen Kies für die Befestigung der Wege anzufahren. Auf einem Schrank hat Knoll Luftaufnahmen und Bilder gestapelt, die auf wichtige Ereignisse verweisen. Aus einem gemalten Votivbild geht hervor, dass vor 182 Jahren in der Gegend von Landsberied eine Viehseuche wütete, die nach einem Bittgang zum heiligen Leonhard wieder abklang. Auf der Votivtafel steht geschrieben: "Wegen Aufhören des im Herbste 1840 in der ganzen Umgegend und vorzüglich auch in der Gemeinde Landsberied, Jesenwanger Pfarr, herrschenden Viehfalls hat genannte Gemeinde gegenwärtige Gedenk- und Votivtafel anfertigen lassen, auch einen jährlichen Bittgang zum heiligen Leonhard hierher verlobt, jedesmal am Dienstag nach ihrer Kirchweih als dem Tage, an welchem sie in den eben verschwundenen Drangsal erfolgreich mit dem Kreuz hier gewesen. Gott und dem hl. Leonhard sei Dank". Andreas Knoll wundert sich, dass sich die Landsberieder damals nicht an den heiligen Willibald gewandt haben, der im Nachbarort schon seit ewigen Zeiten als Viehpatron verehrt wird und dem in Jesenwang sogar eine Kapelle geweiht ist. "Eigentlich müsste die Votivgabe in der Brucker Leonhardkirche hängen", zumal eine Aufzeichnung vorliege, die von der hundertsten Wallfahrt nach Bruck erzählt, bei der der Erzabt von Ettal die Votivmesse gehalten habe. Verzeichnet sind auch Ausbrüche von Maul- und Klauenseuchen, zum Beispiel 1843 in Jesenwang und 1924 und 1951 in Landsberied, der jedes Mal ein Dutzend und mehr Tiere zum Opfer fielen. Im Archiv befindet sich zudem die Urkunde von 1963, mit der Landsberied als Bundessieger im Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" ausgezeichnet wurde. "Die Urkunde hätte einen besseren Platz verdient", findet Knoll.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungMitten in Fürstenfeldbruck
:Brucks erste Geige

Christian Götz kennt das Gefühl, auf der Bühne zu stehen. Deshalb leitet der neue OB seine erste Stadtratssitzung ziemlich cool und offenbar ohne Lampenfieber.

Kolumne von Stefan Salger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: