SZ-Serie "O du Fröhliche", Folge 15:Kein Rabatt am Heiligen Abend

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Gut verpackt: Xaver Tyroller (links) und Helfer Jurek Karkowski helfen einem Christbaum aus Türkenfeld vor dem Transport in ein Netz. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit zehn Jahren verkauft Xaver Tyroller auf einem weitläufigen Areal in Türkenfeld Nordmanntannen. Er muss so manchen Kunden desillusionieren, der kurz vor dem Weihnachtsfest noch auf einen ordentlichen Nachlass hofft

Von Heike A. Batzer, Türkenfeld

Eines ist für Xaver Tyroller unumstößlich: Rabatt gibt es auch am 24. Dezember nicht. Bis 15 Uhr verkauft er am Heiligen Abend noch Christbäume auf dem weitläufigen Areal zwischen Türkenfeld und Geltendorf. Und es kämen dann immer Leute, "die meinen, die Bäume kosten nichts mehr". Aber "dann wäre ja jeder andere dumm, der seinen Christbaum vorher gekauft hat". Nein, auch am Heiligen Abend kostet der Meter Nordmanntanne der besten Kategorie 18,50 Euro, zu erkennen an dem kleinen roten Schild, das an jedem einzelnen Baum angebracht ist. Gelb bedeutet zweite Wahl, die ist billiger und kostet pro Meter 11,50 Euro.

Die zweite Wahl muss nicht unbedingt schlechter sein. Manchmal sind es nur kleine Schönheitsfehler, die den Baum herabstufen. Manchmal sind die Bäume aber auch gar nicht mehr zu verkaufen. Xaver Tyroller hat gerade so ein Exemplar vor sich liegen. Er greift zur Motorsäge und zerlegt den stattlichen Baum, dem die Spitze abgebrochen ist. Die Äste sind noch verwendbar, sie werden einzeln verkauft - für Adventsgestecke oder als Abdeckungen für Pflanzen im Garten, die vor der Kälte geschützt werden müssen.

Seit zehn Jahren verkauft Tyroller für die Firma Martin Riedel auf dem großen Türkenfelder Gelände direkt am Bahngleis Christbäume, die eben dort sowie in Niederbayern angepflanzt werden. Zuvor war er im Allgäu unterwegs, als mobiler Christbaumverkäufer: morgens den Laster voll laden, verkaufen, abends zurück. In Türkenfeld ist er fast schon eine Institution. Die Kunden kennen ihn, die meisten kommen jedes Jahr. Überraschend viele Bäume seien diesmal schon in den ersten zwei Wochen veräußert worden, hat er festgestellt. Die Kunden schlendern durch die vielen Reihen, begutachten die Bäume, die dort einzeln aufgestellt sind, nach Größe, Wuchs, Dichte. Manche fänden ganz schnell das richtige Exemplar, manch Unentschlossene kämen mehrmals wieder.

Kälteempfindlich ist Xaver Tyroller nicht. Nun, er ist warm eingepackt in seiner mit Leuchtstreifen versehenen Winterjacke, der feuchtigkeitsabweisenden Arbeitshose, den Stiefeln und dem braunen, urigen Filzhut, auf den er saisongemäß ein paar kleine Tannenzweige gesteckt hat. Das Wetter, das diesem Winter bislang immer wieder Sonnentage beschert hat, ist ihm zwar ganz angenehm, den Schnee vermisst er trotzdem ein bisschen: "Dann hat's eine ganz andere Weihnachtsstimmung." Doch wie soll man einen Baum unter einer Schneedecke richtig anschauen können? Dann ist Tyroller gefordert, dann hält er an jeden Baum den Laubbläser dran, damit der Schnee verschwindet und das Grün wieder zum Vorschein kommt. Vor fünf Jahren, erinnert er sich, sei es "extrem" gewesen, damals habe er die Bäume "jeden Tag dreimal abschütteln müssen". Unangenehm ist aber vor allem nasskaltes Wetter, "dann, wenn du jedes Mal tropfnass bist, wenn du den Baum anlangst".

Xaver Tyroller muss eigentlich nicht mehr arbeiten. Er ist 65, in Rente und hat vor zwei Jahren seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Eiselsried, einem 40 Einwohner zählenden Ortsteil von Pöttmes im Norden des Landkreises Aichach-Friedberg, übergeben. Aber "ich arbeite gerne - solange es geht". Seit Mitte November schon ist er, der seit 36 Jahren auch Gemeinderat in Pöttmes ist, in Türkenfeld auf dem Gelände, dort wohnt er bis Weihnachten auch. Täglich in die 75 Kilometer entfernte Heimat zurückzufahren, lohne sich nicht, sagt er. Er sei ja schon von sechs Uhr morgens an draußen.

"Kann man Bäume bei euch auch selber schlagen?", will jetzt einer wissen, der gerade mit dem Auto kommt. "Ja, freilich", sagt Tyroller und empfiehlt, dafür während der Woche zu kommen, denn an den Wochenenden seien auch viele Betriebe mit ihren Mitarbeitern vor Ort: Die machen dann aus dem Selberschlagen einen Firmenevent.

So manche Episode hat Tyroller schon erlebt: Da gibt es jene, die suchten einen Vier-Meter-Baum aus und "ich frage sie dann: In welches Zimmer soll der denn rein passen?". Oder jene Ehepaare mit den unterschiedlichen Vorlieben: Sie mag einen ausladenden, er lieber einen schlanken Baum oder umgekehrt. Oder jene Frau, die am Tag nach dem Kauf wieder mit ihrem Baum gekommen ist, "weil der Mann geschimpft hat". Tyroller hatte dann ein Einsehen und den Baum umgetauscht.

In seiner kleinen Hütte, in der er sich mit Tee und Gebäck aufwärmt, hängen auch Fotos von geschmückten Christbäumen. Damit wollen ihm seine Kunden zeigen, was aus den Bäumen geworden ist. Und wie geht man am besten in den Tagen zwischen dem Kauf und Weihnachten mit dem Baum um? "Draußen stehen lassen", rät der Fachmann: "Auch Raureif tut ihm gut. Dann glänzen die Nadeln." Zwei Tage vor dem Heiligen Abend dann das Netz, in das die Christbäume zum Transport gepackt werden, aufschneiden. Und was passiert mit den Exemplaren, die übrig bleiben? Die würden gehäckselt und dann zu Kompost oder Heizmaterial, sagt Tyroller. Klingt irgendwie ganz unsentimental.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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