SZ-Serie: Bodenschätze, Folge 26:Geheimnisvolle Runen auf der Riemenzunge

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Man muss genau hinschauen, um die Vogelköpfe zu erkennen, die das Gesicht einrahmen. (Foto: Helga Zaunrieth/oh)

Das Fundstück aus einem Grab aus dem frühen Mittelalter zeigt einen Männerkopf und zwei Raubvogelköpfe. Es stammt wohl aus dem alemannischen Raum

Von Ingrid Hügenell, Maisach

Überall im Brucker Land sind unter der Erde Schätze verborgen, die viel über die Entwicklung des Landkreises und der menschlichen Zivilisation erzählen. Mit seiner weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannten archäologischen Abteilung schafft es der Historische Verein, dass diese Schätze geborgen, erforscht und erhalten werden. In einer Ausstellung präsentiert der Verein nun noch wenige Tage in jeder Kommune mindestens ein für den Ort bedeutendes Fundstück. In einer SZ-Serie werden alle Ausstellungsstücke vorgestellt.

Riemenzungen, die am Ende eines Gürtels befestigt werden, um es vor dem Ausfransen zu bewahren, gibt auch heute noch. Eine etwa 1400 Jahre alte Riemenzunge aus Silber ist 1998 in einem Grab in Maisach gefunden worden. Sie war ursprünglich vergoldet, zeigt ein Gesicht und trägt eine geheimnisvolle Inschrift. Bei Bauarbeiten im Bereich des Flughafens Fürstenfeldbruck kamen überraschend Skelettreste zutage. Es wurden 47 Gräber untersucht, ein kleiner Ausschnitt aus einem viel größeren Gräberfeld, zu dem Hunderte Gräber gehört haben dürften.

Die meisten waren beraubt worden, doch in einigen fanden sich Beigaben, die sich der zweiten Hälfte des 6. und der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts zuordnen lassen. In einem Frauengrab wurde die Riemenzunge entdeckt, neben einer eisernen Gürtelschnalle und einigen Perlen.

Warum die Grabräuber das wertvolle silberne Stück nicht mitnahmen, ist unklar. Womöglich übersahen sie es einfach. Oder sie wurden von der Darstellung auf der Vorderseite abgeschreckt. Im Kerbschnittdekor ist ein männlicher Kopf oder eine Maske zu sehen, eingerahmt von zwei stilisierten Raubvogelköpfen. Vielleicht wollten die Grabräuber kein Unheil heraufbeschwören und ließen die Riemenzunge deshalb im Grab zurück.

Das Bildnis wurde im "Tierstil II" ausgeführt, der typisch für germanische Kunst ist. Ähnliche Riemenzunge wurden im alemannischen Raum am Neckar und an der oberen Donau gefunden. Auch das Maisacher Fundstück dürfte nicht in Bayern, sondern im heutigen Baden-Württemberg gearbeitet worden sein.

Das zwei mal zweieinhalb Zentimeter große und sechs Gramm schwere Stück wurde 2001 von Spezialisten im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München restauriert. Dabei wurde die Runen-Inschrift entdeckt, die in das Silber geritzt worden war. Es ist nicht sicher, dass sie vollständig ist. Denn die Riemenzunge war vermutlich ursprünglich etwas länger und vielleicht nach einer Beschädigung verkürzt worden. Die Runen gehören zur älteren Fuþark-Schrift, die bis etwa 750 nach Christus von allen germanischen Stämmen genutzt wurde. Sie könnten als Männernamen "Drago" gedeutet werden. Der Zusatz könnte bedeuten, dass Drago die Riemenzunge gemacht oder der Dame geschenkt hat.

Ausstellung "Bodenschätze" des Historischen Vereins, bis 27. September. Die Riemenzunge ist zu sehen in Maisach, in der Volks- und Raiffeisenbank, Hauptstraße 14. Geöffnet montags bis donnerstags von 8 bis 12 Uhr, montags auch von 14 bis 16 Uhr, dienstags und donnerstags von 14 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 15 Uhr. Alle Ausstellungsorte finden sich im Internet unter www.historischer-verein-ffb.de . Erschienen ist zudem ein lesenswerter Katalog. Vom 2. September an sind alle Exponate gemeinsam im Landratsamt zu sehen. Der Historische Verein bietet kostenlose einstündige Führungen für Gruppen von fünf bis 20 Personen. Anfragen per Mail an Fahrten@hvf-ffb.de

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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