SZ-Serie: Älter werden - alt sein, Folge 9:Voneinander profitieren

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Mehrgenerationenhäuser wurden erfunden, um Alt und Jung zusammenzubringen. In Puchheim, Germering und Fürstenfeldbruck haben sie sich erfolgreich etabliert

Von Peter Bierl, Puchheim

In diesem Sommer ist das "Zentrum aller Puchheimer" (Zap) zehn Jahr alt geworden. So mancher Stadtrat von damals, der die Einrichtung an der Heussstraße für überflüssig hielt, dürfte sich heute wundern. Doch der ursprüngliche Eindruck, es handele vor allem eine Anlaufstelle für das umliegende Planieviertel und seine stark von Migration geprägte Bevölkerung, traf nicht zu. Es treffen sich dort Junge und Alte aus dem ganzen Stadtgebiet und aus Nachbarorten, was fehlt, sind eigentlich nur die mittleren Jahrgänge.

Das Programm Mehrgenerationenhäuser wurde 2006 durch die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ins Leben gerufen. Viele Häuser entstanden in sozialen Problemzonen, gleichwohl ist der ursprüngliche, generationenbezogene Ansatz bis heute maßgebend. Kinder und Jugendliche, Erwachsene, junge Alte und Hochbetagte, Jung und Alt eben, sollen sich in einem öffentlichen Raum begegnen können, von den unterschiedlichen Kompetenzen, Erfahrungen und Interessen profitieren und damit den gesellschaftlichen Zusammenhang stärken. Insgesamt existierten 2016 bundesweit etwa 450 solcher Mehrgenerationenhäuser.

Im Zap mischen sich die Generationen, vor allem beim Hausaufgabentreff, wo Senioren den Kindern bei Mathe und Deutsch helfen. Ihre Expertise ist auch in der Fahrradwerkstatt und im Reparatur-Café gefragt. Insgesamt stellen Senioren das Gros der etwa 70 freiwilligen Helfer des Zap. Ansonsten kommen ältere Bürger vor allem zu Vorträgen und zum Mittagessen, nicht nur aus Puchheim, sondern auch aus Eichenau und Gröbenzell. Alle schätzen das Zap als Treffpunkt, wo man nicht viel Geld ausgeben muss wie in einer Kneipe, aber Spaß und Unterhaltung haben kann. Es gibt eine Schafkopf-Runde, Spiele-Nachmittage, ein Computer-Forum sowie das Handarbeits-Café "Heiße Nadel" und einmal im Monat einen Termin für Angehörige von Demenzkranken. Was die soziale Struktur betrifft, sind laut Susanne Barthel, der Leiterin des ZAP, fast alle Schichten vertreten, von Sozialhilfeempfängern bis Akademikern, Alteingesessene und Neubürger. Besonders gemischt ist die Alters- und Sozialstruktur bei Festen und Filmabenden, zu Vorträgen lässt sich überwiegend Publikum aus der Mittelschicht blicken. Täglich kommen im Schnitt etwa 20 bis 30 Besucher, bei Veranstaltungen sind es mehr. Damit sei das ZAP mit 150 Quadratmeter Fläche schon "am Limit", wie Barthel sagt. Im Ladenbereich vorne gibt es einen großen Raum mit Küche der als allgemeiner Treffpunkt fungiert, in dem hinteren Raum ist der Kinderbereich, dort werden Hausaufgaben gemacht und Kickerturniere ausgetragen. Dazu müssen ein Büro, ein Beratungszimmer und ein kleiner Raum. Ganz ähnlich ist die Lage im Mehrgenerationenhaus "Leben ist Begegnung" (Lib) im Brucker Westen. Es ist ein offener Ort, es gibt und Angebote für alle Generationen. Es kommen vor allem Kinder und Senioren, die Jugendlichen ziehen das Jugendzentrum vor. Im Lib treffen sich Senioren, um gemeinsam ihre Freizeit zu gestalten, es gibt ein offenes Café, das von Menschen ab Mitte 50 besucht wird. Eine eigene Spielegruppe versucht gerade, sich zu etablieren. "Wir verstehen uns als Dienstleister für Räume und Infrastruktur", sagt die Leiterin Sandra Koch. Außerdem gibt es eine Tagespflegestation für Demenzkranke, deren Team regelmäßig ein geselliges Beisammensein mit jungen Leuten aus der Schule-West organisiert. Während das Lib vor 2008 als Stadteilzentrum West existierte, als rein kommunale Einrichtung, besteht das "Zenja" in Germering seit elf Jahren. Dort gibt es das Projekt Familienpaten, in dessen Rahmen Senioren, die geschult und angeleitet werden, sich um Familien in schwierigen Lebenslagen, wie Trennungen oder Scheidungen, kümmern.

In Kooperation mit dem Max-Born-Gymnasium hat das Zenja den Schülerservice aufgebaut: Junge Leute gehen mit den Älteren zum Einkaufen, lesen zusammen Bücher oder spielen. Dazu gibt es das Café Zenja, das vor allem am Mittag von Älteren und jungen Familien frequentiert wird, erzählt Anita Schindler, die Leiterin der Germeringer Insel. Eine Besonderheit des Zenja ist, dass das Team mit allen anderen Akteuren in der Stadt eng kooperiert. "Wir verstehen uns als Vermittler", sagt Schindler. Besucher finden dort viele Angebote und Organisationen vor, ein "geballtes Angebot". Dieses Konzept spiegelt sich in der Struktur des Germeringer Mehrgenerationenhauses wieder. Während das Lib in Bruck wie das Zap in Puchheim vom örtlichen Sozialdienst getragen werden, fungiert beim Zenja die "Germeringer Insel" als Koordinator, Träger sind neben der Insel die Awo, der Sozialdienst und die Stadt. Finanziert werden alle drei Häuser von den Kommunen und mit einem Zuschuss des Bundes in Höhe von jeweils 30 000 Euro, der zumindest bis 2020 fließen soll. Alle drei Häuser im Landkreis haben sich im Lauf der Jahre zu Begegnungsorten von Jung und Alt entwickelt. Rar machen sich allerdings überall die mittleren Generationen. "Die müssen arbeiten oder gehen noch ins Jugendzentrum", sagt Susanne Barthel vom Puchheimer Zap.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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