SZ im Dialog: Was Olching bewegt, Folge 14:Plädoyer für eine standhafte Kirche

Lesezeit: 4 min

Als der heute 36 Jahre alte Josef Steindlmüller vor gut drei Jahren die Leitung des Pfarrverbands Esting-Olching übernahm, da fühlte er sich von den fast 12 000 Katholiken bestens aufgenommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Pfarrer Josef Steindlmüller will Menschen für den Glauben begeistern, ohne sich anzubiedern. Zu Frauenpriestertum, Zölibat und internen Skandalen vertritt er klare Positionen. Und er warnt vor einer übertriebenen "Eventisierung", um junge Mitglieder zu gewinnen

Von Julia Bergmann, Olching

Pfarrer Josef Steindlmüller steht in der Kirche Sankt Peter und Paul und schaut nach oben. Sein Blick bleibt an einem der Wandgemälde hängen, einer Schiffsszene auf hoher See, die als Bild für das Versprechen Jesu an seine Jünger steht, er werde sie zu Menschenfischern machen. Für Steindlmüller ist diese Szene mehr als bloßer Wandschmuck. Die Symbolik, die es transportiert, steht für das, was Steindlmüller als seine originäre Aufgabe sieht. Er will die Menschen in seiner Gemeinde berühren, will bei ihnen sein und sie auf ihrem Weg zum Glauben und im Glauben begleiten. Eine Frage bewegt den Pfarrer dabei ganz besonders: Wie kann es die Kirche der Gegenwart schaffen, an der Lebensrealität moderner Menschen anzuknüpfen? Eine Frage, die der Pfarrer auch bei der Veranstaltung SZ im Dialog im Café Ganser bereits angerissen hatte, die aber gar nicht so einfach zu beantworten ist. "Wenn Sie heute auf die Straße gehen und die Menschen fragen, ob sie der Kreuzestod Jesu bewegt, würden bestimmt 90 Prozent mit nein antworten", sagt er. Wie also gelingt der Spagat zwischen Kirchentradition und Moderne?

Der Pfarrverband Olching-Esting besteht aus den Pfarreien Sankt Elisabeth Esting mit etwa 2800 Katholiken und Sankt Peter und Paul Olching mit etwa 9000 Katholiken. "Aber es ist eine Zeit des Umbruchs", glaubt Steindlmüller. Falsche Illusionen macht sich der Pfarrer nicht. Noch sind die Kirchen sonntags einigermaßen gefüllt, aber die Austritte nehmen zu, das ist auch in Olching spürbar. Die Fluktuation in der katholischen Gemeinde in der jungen und wachsenden Stadt ist zudem hoch, die Menschen seien immer mobiler. "Es ist schwieriger geworden, mit den Menschen in Kontakt zu treten und es ist auch schwierig, dass in dieser Situation etwas wachsen kann", findet Steindlmüller. Auf der anderen Seite zeichneten sich Olchinger und Estinger gerade durch große Offenheit gegenüber Neuem aus. Steindlmüller weiß das. Immerhin ist der 36-Jährige erst vor dreieinhalb Jahren nach Olching gekommen. "Innerhalb kurzer Zeit war ich voll integriert", sagt er. Allerdings liegt das wohl auch am Selbstverständnis des Pfarrers.

Denn Steindlmüller ist fest davon überzeugt, dass sich ein Priester heute nicht mehr darauf verlassen kann, dass die Gemeindemitglieder ganz von allein in die Kirche strömen. "Man muss nach draußen gehen, dorthin wo die Menschen sind", sagt er. Danach handelt der gebürtige Chiemgauer auch. Städtische Veranstaltungen, Vereinsfeiern oder gesellschaftliche Anlässe, Steindlmüller ist da, bringt sich ein, sucht das Gespräch. Die Kirche muss sich öffnen, findet er. Man müsse einen Weg finden, nah am Menschen zu sein - auch thematisch in den Predigten.

Wie das funktioniert? Steindlmüller greift sich Themen heraus, von denen er denkt, dass sie die Lebensrealität der Gemeindemitgliedern treffen. Er versucht die Bedeutung abstrakter Bibelverse mit Hilfe weltlicher Bilder zu erklären. "Zum Beispiel mit Fußball", sagt er und grinst. Inspiration für eine Predigt könne ein verschossener Elfmeter sein, der erklären soll, wie wichtig es ist, ein festes Standbein im Leben zu haben. Was aber verhilft zu einem festen Standbein? Die Familie, Gott, der Glaube? "Jeder hat eine Sehnsucht nach Leben, Erfüllung und Glück", sagt Steindlmüller. Freilich muss er einräumen, dass die Menschen die Erfüllung dieser Sehnsüchte heute nicht mehr so stark mit dem Glauben verbinden. Die Gründe dafür seien vielfältig. Da sind die Ablenkungen der modernen Zeit. Aber Steindlmüller scheut auch nicht eine selbstkritische Betrachtung der katholischen Kirche. "Es ist zum Teil auch das eigene Verschulden der Kirche", räumt er ein. "Sie hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt." Es fallen Schlagworte wie Finanz- und Missbrauchsskandal. "Das hat viele erschüttert".

Dass auch die oft als veraltet kritisierten Strukturen der Kirche manch einen Katholiken zum Austritt bewegen, kann sich der 36-Jährige durchaus vorstellen. "Aber die Frage ist, was kann man von der Struktur, von den Traditionen aufgeben? Wie kann die Kirche mit verschiedenen Prägungen und Ansichten durch die Geschichte gehen, ohne den Kontakt zu ihrem Ursprung zu verlieren?" Das Frauenpriestertum, wie es manche von einer modernen katholischen Kirche fordern, ist laut Steindlmüller nicht der richtige Weg. Immerhin repräsentiere der Priester in der Messe Christus und die Kirche stehe als Sinnbild für die Braut Christi. "Damit diese Beziehung dargestellt werden kann, hält die Kirche an dem Bild fest", meint Steindlmüller. Zudem könnte die Einführung des Frauenpriestertums zu einer Spaltung der Kirche führen. Immerhin dürfte eine solche Neuerung vor allem in der südlichen Hemisphäre für großen Aufruhr sorgen, mag auch "der Schmerz einer Frau, die sich zum Priesteramt berufen fühlt", nachvollziehbar sein. Die Frage nach der Abschaffung des Zölibats bewertet der Olchinger Pfarrer anders. "Ich bin zufrieden mit dieser Lebensweise", sagt er zwar - aber er wisse von vielen Pfarrern, die gerade im Alter einsam seien. Auch hier verweist Steindlmüller auf die Äußerungen von Papst Franziskus, der die Abschaffung des Zölibats zumindest thematisiert. Mit einer solchen Entscheidung könnte die Kirche wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen.

"Es ist wichtig für mich, verschiedene Positionen stehen lassen zu können", sagt der Pfarrer. Auch die evangelische Kirche, ohne Zölibat und mit weiblichen Priestern, verzeichne freilich steigende Austrittszahlen. Ein Weg wäre vielleicht die Reformation der Kirchensteuer. Es gebe nicht wenige, gerade ältere Menschen mit knapper Rente, die sich die Steuer kaum leisten könnten. "Es kann ja nicht sein, dass, wo Jesus für die Schwachen und sozial Benachteiligten da war, das System uns zwingt, sie rauszuschmeißen", findet er.

Wichtig sei ihm nur, dass die Kirche sich vor dem Hintergrund der steigenden Austritte nicht hetzen lasse und in blinden Aktionismus verfalle. Immerhin gebe es bereits Tendenzen der Eventisierung in der katholischen Kirche, Versuche etwa, junge Menschen mit Popkonzerten vom Glauben zu überzeugen. "Ich will es nicht schlechtreden. Aber ich glaube, der Event kann nicht nachhaltig sein", sagt Steindlmüller. "Letztlich muss sich Christus zeigen. Es muss den Menschen wie Schuppen von den Augen fallen", sagt er. Dass das passiert, könne die Kirche nicht erzwingen, aber sie könne den Weg dafür bereiten.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: