SZ im Dialog:Paradiesgärtchen

Lesezeit: 5 min

Die Grünanlage der Eichenauer Friedenskriche ist ein Relikt der Anfangszeit als Freizeitareal für evangelische Jugendliche aus München

Von Gerhard Eisenkolb, Eichenau

Es ist ein gutes Zeichen, wenn ein Pfarrer, der 16 Jahre - und damit fast die Hälfte seines Arbeitslebens - in der gleichen Gemeinde verbracht hat, immer noch von seiner Aufgabe begeistert ist. Ja, wenn er geradezu von ihr schwärmt. Denn hört man Christoph Böhlau bei der Aktion "SZ im Dialog " im Restaurant Flori zu, gewinnt man schon nach kurzer Zeit folgenden Eindruck: Es muss ein großes Glück für einen Seelsorger sein, in einer so außergewöhnlichen Gemeinde wie der Eichenauer Friedenskirche tätig zu sein. Nun schätzen die Eichenauer das Lebensgefühl und die Lebensqualität in ihrem Ort sowieso schon mehr, als das anderswo der Fall ist. Die Zufriedenheit mit dem Lebensumfeld ist also bereits hoch. Aber in der evangelischen Kirchengemeinde scheint diese Haltung noch ausgeprägter zu sein.

Und sie wird dort wie eine zarte Pflanze gehegt und pflegt. Auf die Frage, was eine gute Pfarrei ausmacht, antwortet der Geistliche: "Die Begleitung an den Nahtstellen des Lebens - und dass es ein Pfarrer ist, der diese seelsorgerische Aufgabe wahrnimmt". So eine Nahtstelle ist die Taufe, neben dem Abendmahl das zweite Sakrament der evangelischen Kirche. Vor einer solche "Kasualhandlung" fragt der 56-jährige Böhlau beispielsweise, was sich die Familie erwartet und was sie braucht. Erst dann macht er Vorschläge zur Gestaltung seiner Amtshandlung, an der möglichst viele Familienmitglieder aktiv mitwirken sollen. Bei einer Tauf läuten dann Kinder die Glocken, der Pate hält die Lesung, alle bekennen die Tauferneuerung und gespielt wird der Musikwunsch der Familie. Erst auf diese Weise wird das Ereignis einerseits ein Geschehen, in das wirklich alle eingebunden sind, dennoch bleibt der christliche Rahmen erhalten. Das gemeinsame Gestalten eines wichtigen Lebensmoments wird also nicht der Beliebigkeit anheimgegeben, was wiederum Christoph Böhlau ebenso wichtig ist wie die Tatsache, dass er sich nicht wie ein abgehobener Zeremonienmeister fühlen muss.

Der Innenraum der Kirche ist mit seiner Holzdecke und den Steinwänden eher schlicht gehalten. (Foto: Günther Reger)

Aber auch sonst ist dem Pfarrer als Leiter der zweikleinsten Gemeinde im evangelischen Dekanat Fürstenfeldbruck - die Friedenskirche zählt etwa 2500 Mitglieder - wichtig, dass möglichst vieles von den Menschen gemeinsam gemacht wird. Dabei hat er nicht nur die Gestaltung der Gottesdienste im Blick. So bauten Mitte der Achtzigerjahre viele ehrenamtliche Helfer zusammen das ehemalige Jugendfreizeitheim zum Gemeindehaus der Pfarrei aus. Noch jetzt, also 30 Jahre später, sagen viele, die damals dabei waren: "Das waren wir, die die Bretter gehobelt und die Mauern gestrichen haben."

"Wer in der Pfarrei Verantwortung übernimmt, für den wird sie ein Stück Heimat", schildert der evangelische Pfarrer die positiven Effekte von solchen Aktionen, die den Zusammenhalt fördern. Zu diesen gehört auch, dass in den vergangenen Monaten Jugendliche Hand anlegten und eine Baracke auf dem Kirchengrundstück nach ihren Vorstellungen zu ihrem Jugendheim ausgebaut haben. Noch in der Planungsphase befindet sich ein weiteres Projekt. Kindergarteneltern werden den Spielplatz im Freien neu gestalten, über entsprechende Erfahrungen verfügen sie von den regelmäßigen gemeinsamen Gartenaktionen.

Pfarrer Christoph Böhlau ist seit 16 Jahren - und damit sein halbes Berufsleben - in der Gemeinde aktiv. (Foto: Günther Reger)

Mitte Mai, also im Frühling, wirkt das Geviert zwischen Kirche, Gemeindesaal, Pfarrbüro und Pfarrhaus sowie Kindergarten fast wie ein Garten Eden. Überall blühen Blumen, vor der Kirche und auf Fensterbrettern stehen Hortensien. "Man kommt von der lauten Hauptstraße in ein Paradiesgärtchen", umschreibt Böhlau den zum Verweilen einladenden Kontrast zur Umgebung. Und er verweißt darauf, dass Kirchen und deren Umfeld schließlich "etwas Zweckfreies" hätten, also Freiräume zum Innehalten bilden, wie sie Menschen und Orte nun mal brauchen.

Ein solches Umfeld strahlt positiv aus. Auf jeden Fall kann der Geistliche auf einen außergewöhnlichen Erfolg verweisen. In seiner Gemeinde sinkt die Zahl der Gottesdienstbesucher nicht von Jahr zu Jahr, sondern sie steigt seit 2006 kontinuierlich leicht an. Angesichts des schweren Stands der die beiden großen Kirchen, ist schon das eine beachtliche Leistung. Auch wenn sich der Rhythmus der Kirchenbesuche verändert hat. Die Gläubigen kommen nicht mehr wie früher nach dem Motto "aus jedem Haus einer" regelmäßig jede Woche zum Gottesdienst. Das macht nur noch eine Minderheit. Die restlichen besetzten Plätze teilen sich jeweils vier bis sieben Gemeindemitglieder, die in längeren Abständen kommen, also unregelmäßig. Auch das ist dem Pfarrer recht, Hauptsache, die Menschen besuchen ihn, so wie er selbst sie gelegentlich in ihrer Wohnung besucht.

Von Außen sieht die Kirche aus wie ein Zelt. (Foto: Günther Reger)

Dass es in der Eichenauer Gemeinde, zu der auch Alling gehört, so gut läuft, liegt sicher auch am Leiter, also am Pfarrer. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass das dortige evangelische Kirchengelände von Anfang an etwas Außergewöhnliches war. Das beginnt damit, dass das in den Jahren 1936/37 erbaute zeltförmige Gotteshaus ursprünglich eine "Freizeitkirche" war, und zwar wiederum die erste in Deutschland. Aus München fuhr seit 1927 die evangelische Jugend in Gruppen in die Eichenau, um hier ihre Freizeit und Bibelstunden im Grünen zu verbringen. Der Ferien- und Freizeitbetrieb wurde erst 1985 eingestellt. Es war also von Anfang an etwas Besonderes und keine lästige Pflicht, auf das damals noch gepachtete Gelände zu kommen. Die Jugend ließ hier den Alltag hinter sich, um sich zu erholen und aufzutanken.

Die Friedenskirche will nicht nur ein besonderer Ort der Heimat sein, sondern auch an der Seite der Menschen stehen. So symbolisiert die Zeltform des kleinen, einfachen, aber auf seine bescheidene Art schönen und anheimelnden Gotteshauses das Miteinander-Unterwegssein des wandernden Gottesvolkes. Für den Pfarrer zeigt seine tagsüber immer offene Kirche zudem "etwas von der Schönheit unseres Glaubens".

Zwei Dinge sind aus der Zeit der Freizeitkirche geblieben. So ist ein Schwerpunkt von Böhlaus Tätigkeit die Jugendarbeit. Und in der Kirchengemeinde, die aus einem Ort christlich geprägter Freizeitgestaltung hervorging und demnächst ihr 80-jähriges Bestehen feiert, geht es noch immer "fröhlich und lebendig" zu. Wenn der Pfarrer von dieser Leichtigkeit, ja Unbeschwertheit, erzählt, bezieht er seine Anmerkung jedoch nicht auf die Vergangenheit des Ferienlagers, sondern auf die Gegenwart seiner Gemeinde. Eine solche katholische Lebensfreude, wie sie hier zu erleben ist, sei eher untypisch für evangelische Kirchengemeinden, meint er. In denen geht es oft noch eher distanziert kühl und lutherisch streng zu.

Im Gemeindehaus der evangelischen Friedenskirche in Eichenau findet ein Vorbereitungstreffen statt. (Foto: Günther Reger)

Und auf noch etwas legt Böhlau großen Wert: Die Menschen sollen sich in ihrer Gemeinde mit ihren Emotionen und Bedürfnissen wiederfinden. Das können Angebote sein, wie der Gottesdienst für Erstklässler am ersten Schultag, bei dem die Kinder und deren neuer Lebensabschnitt im Mittelpunkt stehen. Damit will der Eichenauer Pfarrer dem Bedürfnis der Eltern nachkommen, denen es wichtig ist, dass ihre Kinder gesegnet werden, weil sie wüssten, welcher Stress und welche Belastungen auf sie zukommen.

Ebenfalls neu in der Friedenskirche ist die Tauferinnerungsfeier für Drittklässler im Juni am Entenweiher. Über die Gestaltung des Freiluft-Gottesdienstes muss noch diskutiert werden. Das Anliegen ist klar. Böhlau will etwas schaffen, was Schulkinder in der langen Zeit bis zur Konfirmation an die Gemeinde bindet und ein Gegengewicht zur katholischen Erstkommunion bildet. Deshalb werden auch die Viertklässler eingebunden, die Altardienste übernehmen und bei der Vorbereitung mitmachen sollen. Seit die Gemeinde über vier Glocken verfügt und der Kirchturm mit Spenden von weit mehr als 100 000 Euro erhöht wurde, begrüßt die Gemeinde jedes neugeborene Kind mit dem "Neugeborenenläuten".

Im Zusammenhang mit der 80-Jahrfeier der Gemeinde der Friedenskirche steht ein weiteres Projekt des Geistlichen. Die Innenwände des nach zwei Seiten hin offenen Turmgevierts sind für Böhlau genau der richtig Platz für ein "Museum im Turm". Hier soll an mehreren Schautafeln die Geschichte der Freizeitkirche dokumentiert werden.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: