Streit um Standort:Flughafen-Chefs starten durch

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Oberpfaffenhofen wäre der ideale Standort für die neue TU-Fakultät für Luft- und Raumfahrt, finden Forscher und Lokalpolitiker. Doch nach Söders Plan soll sie in Ottobrunn gebaut werden. Nun regt sich Widerstand

Von Otto Fritscher, Gilching/Weßling

Gerät der traditionsreiche Luftfahrt-Standort Oberpfaffenhofen mit seinem Sonderflughafen gegenüber dem anderen Raumfahrt-Cluster Ottobrunn ins Hintertreffen? Diese Befürchtung treibt Lokalpolitiker, aber auch Forscher und Unternehmer seit einem Beschluss des bayerischen Kabinetts um: Die Technische Universität München (TUM) soll ihre neue Fakultät für Luft- und Raumfahrt in Ottobrunn ansiedeln, mit Oberpfaffenhofen ist "eine intensive Kooperation" vorgesehen.

Ein Beschluss, der auch Kopfschütteln ausgelöst hat. Etwa bei Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter: "Wir haben doch alles hier, die gesamte Wertschöpfungskette. Von den Startups, die Ideen entwickeln, über die weltbekannte Forschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem größten in Deutschland, über die Produktion von Teilen des Airbus-Rumpfes bis hin zu Firmen, die die Wartung von Flugzeugen übernehmen." Zudem habe der Standort in Oberpfaffenhofen zwei Alleinstellungsmerkmale: einen Sonder- und Forschungsflughafen, dessen Start- und Landebahn zu einem Drittel der Bundesrepublik gehört, und freie Flächen, die planfestgestellt sind und so zügig für neue Projekte zur Verfügung stünden. Professor Christian Juckenack, der als Berater des Flughafen-Eigentümers Triwo fungiert, eines Immobilienentwicklers, der auch andere Flughäfen wie den in Zweibrücken besitzt, geht in die Offensive. "Oberpfaffenhofen ist mit seinem Netzwerk, dem Knowhow der Forscher und Unternehmer einzigartig in Deutschland, wahrscheinlich sogar in Europa." Sein mit den Eigentümern und Flughafenbetreiber Edmo abgestimmter Plan: ein "Technikum" zu bauen, eine große Halle, in der Studenten der TUM, aber auch der Hochschule München und der Hochschule der Bundeswehr, an innovativen Projekten forschen und arbeiten können. Dazu sollen ein Studentenwohnheim und ein Büroriegel gebaut werden. "Ende 2020 könnte alles fertig sein", sagt Juckenack.

Die Start- und Landebahn sowie viele freie Flächen beim Sonderflughafen sind die Pfunde, mit denen der Standort Oberpfaffenhofen wuchern kann. (Foto: Beos)

Und er hat noch ein Argument: "Wenn Fluggeräte entwickelt werden wie die neue Seastar von Dornier oder auch die Lufttaxis von Lilium, dann braucht man auch einen Flughafen, um sie zu testen." Beide Unternehmen sind im Luft- und Raumfahrtcluster Oberpfaffen angesiedelt, zu dem auch der Astopark, das Gewerbegebiet Argelsrieder Feld auf Weßlinger Flur und das Gewerbegebiet Gilching-Süd gehören - alles zusammen gibt das knapp 7000 Arbeitsplätze. Und es sollen künftig noch erheblich mehr werden.

Skeptischer stehen deshalb Kommunalpolitiker der Anrainer-Gemeinden der Weiterentwicklung des Flughafen-Areals gegenüber. Den Bürgermeistern von Gilching, Weßling und Gauting sowie Landrat Karl Roth waren bei einer nicht-öffentlichen Führung durch das weitläufige Flughafen-Areal und dessen Umgriff die Pläne für das Technikum samt Studentenwohnheim vorgestellt worden. Ihre Frage: Wo sollen all die Menschen wohnen, die neu hier arbeiten werden? Auch die Verkehrsinfrastruktur müsste etwa mit der Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Haltestelle Weichselbaum aufgemöbelt werden. Winkelkötter hat den Auftrag, ein Strategiepapier zu schreiben, er will es in acht Wochen fertig haben und an Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium schicken.

Eine Unsicherheit besteht jenseits aller lokalen Planungen: Noch ist völlig unklar, was nach den Koalitionsverhandlungen der CSU mit den Freien Wählern von Ministerpräsident Markus Söders Lieblingsprojekt "Bavaria One" übrig bleiben wird. Gut möglich, dass die neue Raumfahrt-Fakultät der TU doch nach Oberpfaffenhofen kommt. "Es wäre sehr traurig, wenn der Freistaat nicht zugreifen würde", sagt Juckenack. Reinhold Busen, Standortleiter des DLR mit seinen acht Instituten, ist überzeugt: "Am Standort Oberpfaffenhofen kommt man einfach nicht vorbei."

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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