Streit um Nutzung eines Gottesackers:Wiederbelebung einer Begräbnisstätte

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Auf dem alten Olchinger Friedhof darf seit 30 Jahren kein neues Grab mehr ausgehoben werden. Das führte nicht nur zu einem unwürdigen Erscheinungsbild, sondern hat Familien nach dem Tod zerrissen. Viele Bürger fordern deshalb eine Aufhebung des Verbots

Von Julia Bergmann, Olching

Ob ein 30 Jahre alter Gemeinderatsbeschluss nach jahrelanger kontroverser Diskussion doch noch gekippt werden kann - diese Frage wirft die Debatte um die Sanierung des Alten Friedhofs bei einer SPD-Informationsveranstaltung am Montagabend auf. Seit drei Jahrzehnten werden auf dem Friedhof keine neuen Gräber mehr vergeben. Nur noch in denen, die sich noch im Familienbesitz befinden, darf bestattet werden. "Eine Frechheit", wie viele Besucher finden. Sogar Bürgermeister Andreas Magg, der in der Vergangenheit eine Änderung des Beschlusses immer strikt abgelehnt hatte, zeigt sich nach drei Stunden emotionaler Diskussion aufgeschlossen: "Ich bin momentan an einem Punkt, an dem ich sage, wir müssen darüber diskutieren." Auf Nachfrage der SZ betonte Magg, er werde den mit der Ausarbeitung von Gestaltungsvarianten betrauten Landschaftsarchitekten nun mit der Ausarbeitung einer weiteren Variante für den Friedhof beauftragen. Dafür solle er sich Gedanken darüber machen, wie der Friedhof gestaltet werden könnte, wenn der Stadtrat die Neuvergabe von Gräbern auf dem Alten Friedhof wieder zulassen würde. "Diese wird dem Ausschuss dann bei der nächsten Beratung als Variante mitgegeben", sagt Magg.

Bereits vor einigen Wochen hatte Landschaftsplaner Michael Heintz seine Überlegungen zur Umgestaltung des Alten Friedhofs im Stadtrat vorgestellt. Darunter zahlreiche Alternativen zur Gestaltung der maroden Friedhofsmauer, der Freiflächen, die durch aufgelassene Gräber entstanden sind, und des zentralen Friedhofplatzes. Nun sollten die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zum ersten Mal mit den Olchinger Bürgern diskutiert werden. Diese zeigten sich teilweise sogar von den vielseitigen Ideen zur Verschönerung des Areals begeistert. Aber reden wollten sie an diesem Abend über etwas anderes.

Dass der Alte Friedhof unansehnlich geworden ist, seine Mauer marode und von Rissen durchzogen, der Innenbereich wie ein ungepflegter Flickenteppich wirkt, daran zweifelte keiner der Besucher. Lediglich, das Problem mit dem Flickenteppich sei hausgemacht, so die Auffassung vieler. Der damalige Gemeinderat hatte beschlossen, auf dem Friedhof keine Gräber mehr zu vergeben, das Areal war schlicht zu klein geworden für Olching, die Aussegnungshalle in einem miserablen Zustand. So haben die damaligen Gemeinderäte die Entscheidung getroffen, einen für das nach der Gebietsreform gewachsenes Olching angemessenen neuen und größeren Gottesacker zu bauen. Schon damals gab es den Plan, den Alten Friedhof in einen Park umzugestalten.

Erst nach massivem Widerstand aus der Bevölkerung hatte das Gremium schließlich den Beschluss dahin gehend geändert, dass in den noch im Familienbesitz befindlichen belegten Gräbern weiterhin bestattet werden durfte. Nur Gräber, die aufgelassen wurden, sollten nicht mehr neu vergeben werden. So sollte nach der Vision der Gemeinderäte nach und nach eine Bestattungsstätte mit Parkcharakter und Aufenthaltsqualität für die Öffentlichkeit entstehen.

Eine Entscheidung, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder kritisiert wurde. Doch bis jetzt weigerte sich Magg wie auch seine Vorgänger vehement, den Beschluss zu ändern. Auch an diesem Abend erklärte der Bürgermeister dem Publikum zunächst, dass eine Rücknahme des Beschlusses denjenigen gegenüber, denen er den Kauf eines neuen Grabes in den vergangenen Jahren nicht erlaubt habe, nicht zu rechtfertigen sei.

Daran änderte zunächst auch die heftige Kritik der Besucher nichts. "Durch den Beschluss werden Familien zerrissen. Das ist grausam", sagte eine der Besucherinnen. Denn wenn ein Grab im Familienbesitz belegt sei und vor Ablauf der Ruhefrist ein Familienmitglied verstirbt, ist es nicht möglich, ein neues Grab auf dem Friedhof zu bekommen. Die Familienmitglieder liegen dann auf zwei verschiedenen Friedhöfen. Für einige der Anwesenden ist das eine Vorstellung, die sie emotional nicht verkraften können und wollen. Silvia Oswald, eine andere Besucherin, kritisiert außerdem: "Damals ist niemand gefragt worden." Damit erntet sie Zustimmung unter den Olchingern, die an diesem Abend den Saal komplett füllten.

Von den Politikern übergangen fühlen sich viele der Diskussionsteilnehmer noch 30 Jahre nach dem Beschluss. Franz Sagerer meldete sich zu Wort und ließ auch Bedenken an der Umsetzbarkeit der neuen Gestaltungsvarianten anklingen. Die Bauhofmitarbeiter kämen bereits jetzt nicht mit der Pflege der öffentlichen Grünflächen und der Friedhöfe hinterher. Das Personal dafür sei einfach zu knapp. Er wiederholte eine Aussage des Stadtentwicklungsreferenten Alfred Münch, der zuvor erklärt hatte, der Bürgermeister müsse, was das Personal angeht, mit einem Budget wie vor zehn Jahren zurechtkommen, obwohl Anforderungen und Aufgaben im Stadtgebiet deutlich gestiegen seien. Und nun solle der Alte Friedhof aufwendig umgestaltet werden, mit Neupflanzungen von Sträuchern und Blumenfeldern. Er stellte die Frage, wie der Bauhof deren Pflege in Zukunft stemmen solle.

Einige Besucher waren außerdem der Meinung, eine Neuvergabe von Gräbern auf dem alten Friedhof sei unter ästhetischen Aspekten schon deshalb sinnvoll, weil die Angehörigen die Grabflächen in den meisten Fällen pflegen würden, hässliche Freiflächen durch aufgelassene Gräber gebe es so nicht. Außerdem spreche auch die Nähe zur Kirche für eine weitere Nutzung. Das Argument, dass die Neuvergabe der Stadt auch ein Plus an Einnahmen beschere, ließ Magg nicht gelten. Wenn ein Olchinger verstirbt, spiele es keine Rolle, ob seine Hinterbliebenen ein Grab auf dem alten oder dem neuen Friedhof bezahlen müssten.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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