Sport in Fürstenfeldbruck:Der Traum

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Die Handballer stehen seit Wochen an der Tabellenspitze. Nun setzen sie alle Hebel in Bewegung, damit sie sich einen möglichen Aufstieg in die zweite Liga auch finanziell leisten können

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Sie reden derzeit viel über ihren Traum. Den Traum, in der zweithöchsten deutschen Spielklasse Handball zu spielen. Deswegen haben Fürstenfeldbrucks Handballer den drei Worten "Traum Zweite Liga" auch einen Hashtag gegeben, dieses vorangestellte Rautezeichen, das dabei hilft, Informationen zum Thema in der Unübersichtlichkeit der sozialen Netzwerke wieder auffindbar zu machen. Der Traum-Schriftzug leuchtet jetzt auch beim Einlaufen vor dem Spiel, auf Gummiarmbändern und auf Plakaten. Ganz offensiv bewerben die Handballer ihr neues Saisonziel, seit ihr Trainer Martin Wild Anfang Dezember ein Statement nach einem Heimspiel dazu nutzte, von der Möglichkeit des Aufstiegs zu schwärmen.

Dabei sei ein solcher vor der Saison gar nicht erklärtes Ziel gewesen, gesteht der 40 Jahre alte Sportlehrer jüngst beim Sponsorentreffen im Verwaltungsgebäude der Sparkasse, zu dem mehr als hundert Geldgeber, Freunde, Funktionäre, das Team und Gäste zusammengekommen sind. Seine Spieler, allesamt adrett in weiße Hemden gekleidet, schmunzeln. Ein paar hatten den Gedanken dann offenbar doch schon früher gehabt. Wild sagt, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, das Thema offensiver anzugehen. Seit Wochen sind die Brucker Panther, wie sich das Team nennt, Spitzenreiter der dritten Liga Süd - mittlerweile mit fünf Punkten Vorsprung. Wild erinnert an die "Saison unseres Lebens", wie jene vor vier Jahren genannt wurde, als sie die Spielzeit - damals in der Gruppe Ost - als Zweite beendeten und dennoch keine Aufstiegsrelegation spielten, "weil wir das finanziell nicht stemmen konnten". Wild sagt aber auch: "Das darf nicht noch mal passieren."

Lightshow: die Panther, wie sich Fürstenfeldbrucks Handballer nennen, beim Einzug in die Sporthalle. (Foto: Günther Regeer)

Deswegen sind sie jetzt ernsthaft dabei, für eine mögliche Zweitligasaison zu planen. Ein Projektteam wurde gegründet, um alles, was nun zu tun ist, auf möglichst viele Schultern zu verteilen. Es gilt, die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, Nachweise beim Deutschen Handball-Bund (DHB) einzureichen, für die eigene Sache zu werben - und vor allem den finanziellen Rahmen festzuzurren. Die durchschnittlichen Etats, mit denen Zweitligaklubs wirtschaften können, lägen bei anderthalb Millionen Euro, bei Spitzenklubs darüber, hatte Wild kürzlich gesagt. Michael Schneck, seit dreieinhalb Jahren Handball-Abteilungsleiter beim TuS Fürstenfeldbruck, spricht von 250 000 bis 300 000 Euro, die der TuS für eine Zweitligasaison akquirieren wolle. Das müsse man dann weiter ausbauen. Er weiß aber auch: "Wir werden das nicht über Nacht drehen können." Jens Reiche ist mit Plan R, seinem Planungsbüro für technische Gebäudeausrüstung aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, vor einigen Jahren als Geldgeber dazugestoßen - als die Brucker ohne Trikotsponsor da standen. Leidenschaftlich plädiert Reiche dafür, sich finanziell einzubringen: "Auch für die zweite Liga werde ich alles tun und versuchen, andere dazu zu bewegen." Er habe durch sein Engagement in Fürstenfeldbruck Mitarbeiter gewinnen können: "Das ist viel wert."

Immer mehr Werbebanner prangen mittlerweile bei den Heimspielen an den Wänden und auch auf dem Boden der Wittelsbacher Halle. Die bestehenden Sponsoren hätten teilweise bereits zugesagt, dass sie weiter dabei seien, sagt Schneck der SZ, "aber das reicht nicht. Jetzt beginnt der schwierigere Teil: neue zu gewinnen". Schneck hofft, durch die nationale Präsenz in der zweiten Liga auch national tätige Sponsoren anwerben zu können.

So wie die bislang einzige Brucker Zweitliga-Spielzeit 1992/93 und die Aufstiegssaison davor soll es diesmal nicht laufen, darüber ist man sich einig. Damals summierten sich aus beiden Spielzeiten 140 000 D-Mark Schulden, die die Handballabteilung in kleinen Tranchen jahrelang an den Hauptverein abstottern musste. Künftig soll die erste Männermannschaft in eine Spielbetriebs-GmbH ausgelagert werden, so wie es alle Zweitligisten tun und auch einige Drittligisten. Die Rechtsform ist noch nicht endgültig, aber sie soll "eine gewisse Schutzwirkung" entfalten, sagt Schneck. Doch auch eine Spielbetriebs-GmbH ist nicht dagegen gefeit, dass das Geld ausgeht. Vor wenigen Tagen hat jene der SG Nußloch, derzeit Tabellenvierter in der Drittliga-Staffel Mitte und in den vergangenen Jahren Gegner des Brucker TuS, Insolvenzantrag gestellt, weil der Hauptsponsor Insolvenz anmelden musste.

Abklatschen vor der Werbewand: Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballer beim Ritual nach jedem Heimspiel. (Foto: Günther Reger)

Es ist eine Gratwanderung, denn die zweite Liga ist eigentlich eine Profiliga mit 18 Mannschaften. Aufwandsentschädigungen für die Spieler reichen dann nicht mehr aus. Man müsse ihnen für den erhöhten Aufwand etwas zurückgeben, formuliert Schneck. Deswegen sollen sie dann bei einer Spielbetriebs-GmbH angestellt werden, müssen aber auch noch einem Beruf nachgehen. Das sei wohl schwer unter einen Hut zu bringen, weiß auch Rückraumspieler Yannick Engelmann. Denn die Auswärtsfahrten werden weit gehen, sehr weit. Zum HSV nach Hamburg zum Beispiel, nach Gummersbach, Essen, Aue oder Lübeck. Rückraumspieler Falk Kolodziej hat schon mit Saarlouis in der zweiten Liga gespielt, damals gab es sogar Doppelspieltage: "Dann fährt man beispielsweise am Freitag nach Hamburg und am Sonntag nach Konstanz." Vom Aufwand her sei es ein gewaltiger Unterschied zur dritten Liga, die in vier Regionalgruppen aufgeteilt ist.

Dennoch: Sie alle wollen das in Fürstenfeldbruck. Bis Ende Januar muss der Verein dem Deutschen Handball-Bund seine Bereitschaft kund tun, bis Ende März dann Unterlagen mitsamt Budgetplanung einreichen, aus denen hervorgeht, dass sich der Verein die Liga auch leisten kann. Danach werden die Lizenzen an die Klubs vergeben. Auch Martin Wild, seit zehn Jahren Trainer der ersten Männermannschaft, muss noch drauflegen. Der B-Schein-Inhaber muss für die zweite Liga die A-Lizenz machen.

Mit Erich Raff sitzt ein Mann im Brucker Rathaus, der selbst Aktiver, Abteilungsleiter und Manager der Handballer war und ihnen immer noch gewogen ist. Er schleppt persönlich Getränkekisten in die Halle, um den Pausenverkauf sicherzustellen, und hält als Hobbyfotograf beinahe jedes Spiel im Bild fest. Raff erwartet sich von einer Spielzeit in der zweiten Liga einen "Imagegewinn für die Stadt" wie seinerzeit bei der Eröffnung des Veranstaltungsforums 2001: "Fürstenfeldbruck kennt man von seinem Kloster und seinen Handballern", so der Oberbürgermeister.

Auch die Wittelsbacher Halle ist zweitligatauglich, kann aber nur knapp tausend Zuschauer aufnehmen. Die gute Stimmung dort ist mittlerweile über die Liga hinaus bekannt, regelmäßig beglückwünschen gegnerische Trainer die Brucker zu ihren Fans. An einer größeren Idee wird gearbeitet: Zusammen mit den Bundesliga-Volleyballern des TSV Herrsching, die mit Ausnahmegenehmigung in ihrer Halle spielen, will man eine 2500 bis 3000 Besucher fassende Arena in Fürstenfeldbruck bauen. Das Projekt, sagt Raff, sei auf gutem Weg, bis zur neuen Handballsaison aber nicht fertig. Und auch die Organisation wird weiterhin kraftvolles Zutun erfordern. Viele Ehrenamtliche sind bei jedem Heimspiel im Einsatz, bringen die Werbebanner in der Halle an, kassieren Eintritt, verdingen sich als Ordnungspersonal, verkaufen Trikots, Fanartikel und, was laut Schneck "finanziell ein wichtiger Baustein" ist, die Halbzeitverpflegung für das Publikum. Und mit dem Ende des Ligaspielbetriebs am 25. April wird die Saison noch nicht zu Ende sein: Denn die Drittliga-Meister steigen nicht automatisch auf. Die Saison geht dann in die Verlängerung.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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