Sozial schwache Familien:Zuschuss für den Urlaub

Lesezeit: 2 min

Die Gröbenzeller Jugendsozialstiftung Dr. Rieder fördert Teilnahme am Ferienprogramm

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Wann beginnt Armut? Wenn jemand am Ende des Monats kaum Geld übrig hat, um Essen zu kaufen? Dass es vielen Menschen in Deutschland so geht, ob sie nun staatliche Unterstützung wie Hartz IV bekommen oder in einem schlecht bezahlten Beruf arbeiten, beweist der zweifelhafte "Erfolg" der knapp 1000 Tafeln. Und ist es nicht auch ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder der Welt, dass zum einen Tausende Menschen auf die Tafeln angewiesen sind. Und dass zum anderen Armut in der reichen Bundesrepublik oftmals so eng definiert wird, dass Unterstützung, die über die rein existenzielle hinausgeht, bereits als Luxus angesehen wird? Die Verantwortlichen der Jugendsozialstiftung der Familie Dr. Rieder begreifen Armut anders. Für sie beginnt sie nicht erst, wenn die Existenz bedroht ist, sondern bereits dort, wo Teilhabe nicht mehr möglich ist. Deshalb haben sie ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, das Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien das Erleben von Ferien ermöglichen möchte. Die Stiftung unterstützt die Teilnahme am gemeindlichen Ferienprogramm.

"Das gehört für uns zur Würde eines Kindes, dass es die Gelegenheit hat, Ferien zu erleben", betont Bernd Rieder bei der Vorstellung des neuen Angebots. Vor zehn Jahren gründete der frühere Gröbenzeller Bürgermeister die Stiftung mit seiner Familie und weiteren Gleichgesinnten. Seither habe man einige Einblicke in die Lebensverhältnisse vieler Menschen im Landkreis bekommen, etwa über Gespräche mit Mitarbeitern von Jugendzentren. Sein Eindruck: Auch im Landkreis gibt es Familien, oft alleinerziehende Mütter, mit einem sehr geringen Budget. Und schon öfter habe er davon gehört, dass es sich eine Familie nicht leisten könne, in den Schulferien in den Urlaub zu fahren.

"Bedürftigkeit fängt oftmals nicht erst bei Hartz IV an", ergänzt Philippe Raths. Der stellvertretende Vorsitzende der Jugendsozialstiftung weist darauf hin, dass es bei dem neuen Pilotprojekt um mehr geht, als ein paar unbeschwerte Tage zu verleben und vielleicht dabei noch die Eltern zu entlasten. Wenn die Schüler nach den Ferien wieder in ihre Klassen kommen, berichten sie freilich alle von ihren Erlebnissen der vergangenen Wochen. Wer da nichts zu sagen hat, wird schnell zum Außenseiter, weiß der Konrektor des Graf-Rasso-Gymnasiums. Mit dem Projekt sollen Kinder und Jugendliche im Landkreis bis zum Alter von 27 Jahren finanzielle Unterstützung bei der Teilnahme am gemeindlichen Ferienprogramm erhalten.

Raths, demzufolge die Idee zu dem mutmaßlich einzigartigen Projekt "im Kuratorium" entstanden ist, hat das Konzept ausgearbeitet, einen Flyer entworfen und diesen an Jugendzentren und Bürgermeister verschickt. Er habe schon viele positive Reaktionen erhalten, berichtet Raths. Das Verfahren hat er möglichst einfach und unkompliziert gehalten. Die Kinder oder Jugendlichen müssen lediglich bei der Anmeldung zum Ferienprogramm auf das Projekt hinweisen und einen Nachweis der Bedürftigkeit (etwa einen Hartz-IV-Bescheid) vorlegen, dann müssen sie nicht einmal die Gesamtkosten vorstrecken. Abgerechnet wird zwischen Kommune und Stiftung nach der Teilnahme an dem ein- oder mehrtägigen Angebot. Gefördert werden Maßnahmen bis 40 Euro in voller Höhe, bei teureren Angeboten müssen die Teilnehmer ein Fünftel selbst zahlen.

"Wir wollen Hartz-IV-Kinder unterstützen", bekräftigt Rieder. Und lenkt damit den Fokus auf die Entwicklung in Deutschland, wo immer mehr Kinder auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Im Juni 2017 waren das etwa zwei Millionen. Im Landkreis, berichten Rieder und Raths, konzentriere sich die Armut - wenig überraschend - auf die Ostgemeinden mit ihrer Nähe zu München und Wohngebieten wie der Planie in Puchheim mit einem hohen Ausländeranteil. "Auch hier fördern wir Kinder, im sogenannten reichen Gröbenzell", hebt Rieder hervor. Des weiteren gebe es in einigen kleineren westlichen Gemeinden wie etwa Landsberied kein gemeindliches Ferienprogramm. Deshalb kann das Projekt dort nicht angeboten werden.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: