Sicherheitsproblem:Immer mehr Angriffe auf Polizisten

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Berichte aus den Inspektionen bestätigen den besorgniserregenden landesweiten Trend: Beamte werden auch im Landkreis verbal oder sogar physisch angegangen. Der Ruf wird lauter nach einer strengeren Justiz

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Fälle verbaler oder sogar körperlicher Gewalt gegen Polizisten häufen sich auch im Landkreis. Das bestätigen Vertreter der Inspektionen Germering und Fürstenfeldbruck. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber der Respekt vor allem in der jüngeren Generation schwinde, heißt es übereinstimmend. In Verbindung mit Alkohol sinke die Hemmschwelle, handgreiflich zu werden. Viele Polizisten wünschen sich ein schnelleres und konsequenteres Durchgreifen der Justiz. Und die Präventionsarbeit kommt nach Meinung der Polizeigewerkschaft auch wegen des anhaltenden Personalmangels in den Inspektionen zu kurz.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich am Montag mit alarmierenden Zahlen an die Öffentlichkeit gewendet. Vor allem in größeren Städten sei eine "Verrohung in Teilen der Gesellschaft" festzustellen. Hauptsächlich Männer fallen Herrmann zufolge mit verbaler oder körperlicher Gewalt gegen Beamte auf, der Ausländeranteil liegt mit 29 Prozent der Tatverdächtigen relativ hoch. Innerhalb dieser Gruppe wiederum steige der Anteil gewaltbereiter Zuwanderer beziehungsweise Asylbewerber. Der Freistaat steuert dagegen. So wurden die Einsatzkräfte zwar nicht mit den viel diskutierten Tasern ausgerüstet, jüngst aber mit funktionaleren Schlagstöcken. Die Dienstwaffe bleibt letztes Mittel, eingesetzt wird bei Handgreiflichkeiten vor allem Pfefferspray.

Der stellvertretende Inspektionsleiter Germerings begrüßt es zudem, dass Bayern die Polizei bis Herbst mit 1400 Bodycams ausstatten will. Es könne durchaus deeskalierend wirken, so Andreas Ruch, wenn erkennbar werde, dass mögliches Fehlverhalten aufgezeichnet wird - und sich beispielsweise bei Dunkelheit die Leuchte der an der Uniform befestigten Kamera einschaltet. Bei der Ausrüstung sieht Ruch keine Defizite, da sei gerade in den zurückliegenden Jahren "gewaltig was gemacht" worden, so auch bei Schutzwesten oder eben den Schlagstöcken. Am grundsätzlichen Dilemma freilich ändert die Ausrüstung nichts: der Respekt schwindet. Reichte es früher, wenn zwei Beamte in Uniform erschienen, so hat sich das mittlerweile geändert. Ruch macht das anhand zweier Beispiele deutlich. In beiden Fällen waren ausnahmsweise Frauen die Aggressorinnen.

So wurden die Beamten vor ein paar Monaten zu einem Taxi gerufen. Eine sichtlich unter Alkoholeinfluss stehende Frau wollte nicht bezahlen. Und von der Polizei wollte sie sich schon gar nichts sagen lassen. Sie trat einem Polizisten in den Unterleib. Oder die Sache letztens mit der Frau um die 30: Die war nicht zu einem Verfahren vor dem Brucker Amtsgericht erschienen. Die Polizei sollte sie in den Gerichtssaal bringen. In ihrer Wohnung leistete sie so erheblichen Widerstand, dass die Polizistin und ihr Kollege beide verletzt von dem Einsatz zurückkehrten.

Gewalttätig würden natürlich auch Menschen aus "bestem Hause", die hier aufgewachsen sind. Aber Ruch und seine Kollegen erleben tagtäglich, dass Jugendliche oder junge Erwachsene, die aus dem arabischen Raum kommen, oftmals besonders wenig Hemmungen und Respekt haben. Warum das so ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht spielt es eine Rolle, dass in totalitären und von Bürgerkriegen zerrütteten Ländern die Gewalt sehr präsent ist und dort Polizisten oft als Gegner wahrgenommen werden, die willkürlich handeln oder bestechlich sind. Hinzu kommt das Frauenbild - Beamtinnen haben da nicht immer einen leichten Stand.

Was also tun? Andreas Ruch hat keine Musterlösung parat. Aber sehr hilfreich sei es, wenn die Justiz dafür sorge, dass die Strafe für erwiesene Delikte "schnell auf dem Fuße" folgt. Ein Wochenendarrest sei möglicherweise manchmal auch wirkungsvoller als eine Leseweisung oder ein paar Sozialstunden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) stößt ins selbe Horn: "Wir erwarten von Justiz und Politik, dass sie Straftätern, die unseren Kolleginnen und Kollegen mit Gewalt entgegentreten, entschlossen, konsequent und unmissverständlich die Grenzen aufzeigen."

Andreas Ruch von der Germeringer Inspektion. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bleibt noch die Prävention. Ruchs Frau ist Lehrerin. Auch deshalb ist ihm klar, dass sich die Sache nicht so einfach in den Griff bekommen lässt. Einen Jugendbeamten hat die Germeringer Polizei. Aber eine Person ist mit der Präventionsarbeit an allen Schulen überfordert. Die Eltern müssten mitziehen. Denn im Unterricht fange es mit dem fehlenden Respekt ja bereits an, bei den Lehrern testet mancher Schüler schon die Grenzen aus. "Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung", sagt Ruch. Damit liegt er auf einer Linie mit der GdP, die vor allem die Schulen in der Pflicht sieht, Werte zu vermitteln, und ein verpflichtendes soziales Jahr fordert.

Ähnlich sieht es Michael Fischer, stellvertretender Leiter der Brucker Inspektion. Der räumt gleich mal auf mit einem Gerücht - dass auf dem Land die Welt noch in Ordnung ist. Die Inspektion ist über die Kreisstadt hinaus für den dörflich geprägten Westen des Landkreises zuständig. Auch dort ist der Einfluss der Landeshauptstadt spürbar. Auch dort "fallen sämtliche Hemmungen", wenn Alkohol im Spiel ist. Fischer räumt ein, dass es mit jungen Menschen aus osteuropäischen Ländern besonders häufig Probleme gibt. Die viel beschworene Integration sei leider allzu oft Wunschdenken.

Ein Sonderfall ist das sogenannte Ankerzentrum am Fliegerhorst. Der Anteil der Nigerianer an den Bewohnern wurde dort mittlerweile zwar offenbar von 90 auf um die 50 Prozent gesenkt. Die Zahl der handgreiflichen Auseinandersetzungen untereinander und mit der Polizei (unter anderem bei Abschiebungen) scheinen in der Folge etwas zurückgegangen zu sein. Viele Asylbewerber finden ohnehin, dass beim Thema Gewalt der Bock zum Gärtner gemacht werde und die Polizei erst einmal vor der eigenen Tür kehren sollte. Vor knapp zwei Jahren protestierten sie nicht zuletzt "gegen Polizeigewalt". Bei der Demonstration wurde ein Polizist durch einen Fingerstich am Auge verletzt, etwas später kam es zu einem Handgemenge und zwei Festnahmen.

Stephan Dodenhoff von der GdP, Kollege von Michael Fischer in der Brucker Inspektion, bereitet vor allem ein Trend Kopfzerbrechen: Nicht nur Polizisten werden attackiert, sondern zunehmend auch Feuerwehrleute und Sanitäter. Fischer wird das Gefühl nicht los, dass das mit dem schwindenden Respekt erst der Anfang einer Entwicklung ist: "Ganz ehrlich, ich bin da eher pessimistisch."

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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