SZ-Serie: "O du Fröhliche":Gröbenzeller beschenken Gröbenzeller

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Kleiner Aufwand, große Freude: Menschen anonym über einen Wunschbaum zu beschenken. Hier ein Wunschbaum aus Gröbenzell, noch vor dem alten, inzwischen abgerissenen Gröbenzeller Rathaus. (Foto: Günther Reger)

Ein Christbaum hilft, die Wünsche bedürftiger Menschen in Erfüllung gehen zu lassen

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Geschenke gehören zu Weihnachten wie der Christbaum und ein festliches Essen. Normalerweise werden Geschenke nur für Menschen besorgt und liebevoll verpackt, die man kennt und schätzt. Seit neun Jahren beschenken Gröbenzeller jedoch andere Gröbenzeller, die sie nicht kennen und die sie auf keinen Fall kennenlernen sollen. Der Wahrung der Anonymität von Gebern und Beschenkten dient der Wunschbaum. Dieser steht vor dem alten Rathaus im Ortszentrum. Geschmückt ist er, wie jeder Christbaum, mit Kugeln und Kerzen. Von anderen Tannenbäumen unterscheidet sich der Wunschbaum jedoch durch knallrote Schilder mit Nummern, von denen jede für einen konkreten Wunsch einer bedürftigen Familie oder eines Gröbenzellers in Not steht.

Anhand von Listen, die in beiden Rathäusern aushängen und die auf der Internetseite der Gemeinde zu finden ist, können sich Interessierte jemanden aussuchen. Für den besorgen sie in einem Geschäft einen Gutschein. Zusätzlich füllen sie ein Paket mit Süßigkeiten oder Weihnachtsspezereien und geben dieses im Sozialamt ab. Denn zu einem Geschenk gehört nun mal, dass es auch etwas zum Auspacken gibt. Die Nummer acht steht beispielsweise für eine Schwerbehinderte, die sich einen Lebensmittelgutschein für einen Supermarkt wünscht. Einer alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern im Alter von vier und zwei Jahren kann man mit einem Gutschein für Spielzeug oder Kleidung eine Freude machen, einem schwerbehinderten Rentner mit dem Gutschein für den Pizza-Service.

Die auf der Liste aufgeführten Gröbenzeller, die sich Gutscheine wünschen, lassen sich in vier Gruppen einteilen. Die Mehrzahl sind Alleinerziehende, gefolgt von Rentnern, einigen Familien mit Kindern sowie Alleinlebenden. Alle leben bereits seit längerer Zeit in Gröbenzell, sind auf Wohngeld oder Grundsicherung angewiesen oder beziehen ein Einkommen, das nur knapp über den für Sozialleistungen festgelegten Grenzen liegt.

Das klingt komplizierter als es ist, funktioniert aber ganz gut, weil Sigrid Wittlieb, die Erfinderin des Wunschbaums, eng mit dem Sozialamt zusammenarbeitet. Dieses sucht die Empfänger heraus und organisiert die Übergabe. Wittlieb, die ehemalige Vorsitzende des örtlichen Gewerbeverbands, ist Ansprechpartnerin für die Spender und erklärt jedem den Ablauf. Sie importierte die Idee aus den USA, passte sie aber an hiesige Gegebenheiten an. Der Gutschein soll etwa 50 Euro wert sein. Aber viele geben mehr, beteuert Wittlieb. Und sie weist darauf hin, dass sie nicht wisse, was sonst noch miteingepackt werde.

Dafür weiß sie, warum Gutscheine so beliebt sind. "Die Leute wollen mal ein Einkaufserlebnis haben und nicht auf jeden Cent schauen müssen." Was Wittlieb "traurig stimmt", wie sie sagt, ist, dass elementare Dinge benötigt werden. Das zeige, wie wichtig die Aktion in einer Gemeinde sei, in der viele Wohlhabende leben. Am Dienstag war noch ein einziger Wunsch unerfüllt: ein kleiner Backofen für eine Rentnerin. Die Päckchen sollen bis zu diesem Mittwoch im Rathaus abgegeben werden. Obwohl Wittlieb Nachahmer gefunden hat, hat auch sie einen großen Wunsch: ein Wunschbaum in jeder bayerischen Gemeinde.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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