Serie: Der Ferienreporter:Am liebsten arbeiten

Lesezeit: 3 min

Beschäftigt sind die beiden Asylbewerber aus dem Senegal, Mor Ndiaye und Abdou Diouf. Sie erledigen im Freizeitpark Mammendorf verschiedene Arbeiten. (Foto: privat)

Mor Ndiaye und Abdou Diouf helfen im Mammendorfer Freibad

Von Jonathan Grundmann, Mammendorf

80 Cent für eine Stunde Arbeiten. Mehr verdienen Mor Ndiaye und Abdou Diouf seit dem 6. August dieses Jahres nicht mehr. Die beiden Asylbewerber arbeiten seit mehreren Monaten im Mammendorfer Freibad sowie auf dem Freizeitgelände rund um den Mammendorfer See. Hier helfen sie bei verschiedenen Tätigkeiten und unterstützen somit das angestellte Personal. Ihre Aufgaben sind vielfältig, an manchen Tagen säubern sie die Grünflächen, an anderen erledigen sie Reparaturarbeiten oder reinigen die Schwimmbadanlagen.

Diesmal beginnen sie ihren Arbeitstag damit, am Vortag entstandenen Schnitt von Büschen und Bäumen zusammenzukehren und sich um dessen Entsorgung zu kümmern. Die Aufgaben teilen die beiden Senegalesen reibungslos untereinander auf - ohne Teamarbeit funktioniert es nicht. Mor Ndiaye kehrt die noch grünen Zweige und Blätter auf eine rostige Schaufel und lädt sie auf eine ebenso rostige Schubkarre. Anschließend entsorgt Abdou Diouf den Inhalt in einen nur wenige Schritte entfernten Container. "Ich möchte nicht nutzlos herumsitzen, deswegen arbeite ich hier gerne", sagt Mor Ndiaye. Nachdem der heute 22-Jährige 2013 zwei seiner Freunde bei einer Rebellenattacke hatte sterben sehen, entschied er sich ohne zu zögern zur Flucht nach Europa. Nach einer zweiwöchigen Reise über Marokko, Spanien und Italien erreichte er im Januar 2014 Deutschland und wurde dem Ort Mammendorf zugewiesen. Dort angekommen begann er umgehend mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Seit sechs Monaten besitzt er das fortgeschrittene A2-Sprachzertifikat. Seine Zukunft möchte er in Deutschland gestalten, sein nächstes Ziel ist ein Schulabschluss.

Zurück in den Senegal? Das möchte keiner der beiden. "Ich vermisse den Senegal nicht", betont Ndiaye. Unregelmäßigen Kontakt zu Verwandten oder Freunden im konfliktreichen Heimatland halten aber beide mittels Smartphone und digitalen Kommunikationswegen.

Mittlerweile ist es elf Uhr geworden, der Baumschnitt ist bereits zum größten Teil weggetragen und die ersten Badegäste ziehen friedlich ihre Bahnen im klaren Wasser unter leicht bewölktem Himmel. Die Frage, ob sie selbst auch das Freibad besuchen würden, verneint Ndiaye und nennt als Grund, dass er nicht schwimmen könne. Abdou Diouf hingegen nimmt gerade an einem Schwimmkurs für Flüchtlinge teil.

Auf die Arbeitsstelle aufmerksam gemacht hatte sie Günther Mairhörmann vom Mammendorfer Asylhelferkreis. Die Stelle haben sie sofort angenommen. In der Regel arbeiten sie wochentags von 9 bis 14 Uhr. In der Summe sind das circa 20 Arbeitsstunden pro Woche, der Monatslohn beträgt etwa 60 Euro. Entlohnt werden sie durch das Landratsamt. Ob sie das erarbeitete Geld sparen? "Ich spare nur wenig davon, oft kaufe ich mir etwas zu essen oder zu trinken", erzählt Abdou Diouf, während er mit einem stotternden Laubbläser Blätter vom Schwimmbeckenrand entfernt. Wortlos nickend stimmt ihm sein Arbeitskollege zu. Diouf ist ebenfalls vor den Zuständen im Senegal geflohen. Der 33-Jährige war in seinem Heimatland Fischer, doch eine schlecht heilbare Augenkrankheit hinderte ihn irgendwann an der Ausübung seines Berufes. Während der Überfahrt im Winter auf einem Schlauchboot von Marokko nach Spanien ertrank sein Vater. Er setzte seine Flucht jedoch fort und kam 2012 in Deutschland an. Seit seiner Ankunft in Deutschland absolvierte er ein Praktikum und mehrere Minijobs. Im Landkreis habe er inzwischen Kontakte geknüpft, vorrangig zu anderen Geflüchteten.

Beide möchten sich hier eine Existenz aufbauen, Mor Ndiaye eventuell eine Familie gründen. Neue Gesetzeslagen erschweren es Leuten aus dem Senegal jedoch, Ausbildung und Arbeit zu finden. Es sei frustrierend zu sehen, wie Neuangekommende direkt Arbeit bekämen, während die Chancen für Senegalesen, welche sich seit längerem hier aufhielten, schwinden. Ndiaye erlebte dies selbst: Bevor er in Mammendorf arbeitete, war er als Produktionshelfer bei einem Süßwarenhersteller in Jesenwang angestellt. Aufgrund geänderter Gesetze musste er dort kündigen. Seit 6. August werden ihnen nun aufgrund des jüngst verabschiedeten Integrationsgesetzes statt 1,05 Euro nur noch 80 Cent pro Stunde gezahlt. Kritiker des Gesetzes bemängeln, dies würde einen neuen Niedriglohnsektor schaffen. Dass ihre Bleibeperspektive ungewiss ist, wissen sie, die Hoffnung verlieren möchten sie aber nicht. Im Winter, wenn das Mammendorfer Freibad geschlossen hat und niemand mehr im See baden möchte, sind die beiden Flüchtlinge wahrscheinlich wieder arbeitslos. Angst und Sorge um ihre Zukunft haben die beiden sehr wohl. "Solange es aber Arbeit gibt, arbeiten wir", stellen sie klar. Um sich um die Zukunft zu sorgen, ist jetzt aber vorerst keine Zeit, neue Bänke am Seeufer warten auf einen frischen Anstrich - der alte Lack ist abgeblättert.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: