Serie Dauerbrenner: Projekte in der Endlosschleife:Streitobjekt Klosterwirt

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Seit zwei Jahrzehnten verfallen Gasthaus und denkmalgeschützter Stadel. Die Planung kommt nicht recht voran, die Bürger haben sich in Entscheiden geäußert. Jetzt gibt es einen neuen Eigentümer. Aber was er will, ist unbekannt

Von Manfred Amann, Grafrath

Gut zwei Jahrzehnte ist es her, dass Pilger, die zum Volksheiligen Rasso beteten, nach dem Kirchgang beim Klosterwirt in Grafrath einkehren konnten. Der rustikalen Wirtsstuben und dem Biergarten trauert so mancher Wallfahrer heute noch nach. Vor 24 Jahren starb die letzte Besitzerin, Walli Bosch, kinderlos. Von da an ging es mit der Traditionsgaststätte schleichend bergab. 1996 wurde das Wirtshaus geschlossen, und seit dieser Zeit gibt es Pläne, den Klosterwirt wieder zu beleben.

Von Anfang an war klar, dass auf dem Klosterwirtgelände zusätzlich Baurecht geschaffen werden muss, um die Erhaltung des Gasthauses bezahlen zu können. Da sich die Kommunalpolitiker aber nicht einigen konnten, wie viele neue Häuser und mit welcher Ausstattung auf dem Gelände errichtet werden sollen, wurde daraus ein tiefgründiger Streit, der letztlich dazu führte, dass sich die Träume von der Wiederbelebung der Wirtschaft mit Biergarten in Luft auflösten. Nun wird das Wirtsgebäude abgerissen und ein Neubau hingestellt.

Unter Denkmalschutz steht das böhmische Gewölbe im Stadel neben dem Klosterwirt in Grafrath. (Foto: Günther Reger)

Zum ehemaligen Gasthaus gehört ein Stadel mit einem böhmischen Gewölbe auf einer Seite, das unter Denkmalschutz steht. 1999 wurde das Anwesen in den Bebauungsplan "Rassosiedlung" aufgenommen. Allerdings wurde es damals versäumt, festzuschreiben, dass das Wirtsgebäude erhalten werden muss. Dieser Bebauungsplan ist heute noch gültig, nachdem zwei fast schon fertige Neufassungen jeweils durch Bürgerentscheide zu Fall gebracht worden waren. In einer der nächsten Sitzungen des Bauausschusses wird sich zeigen, welche Pläne der neue Eigentümer mit dem Klosterwirt-Anwesen hat.

Über 20 Wohneinheiten lässt das Baurecht zu. Wie mittlerweile verlautet, will der Investor zumindest die Kubatur des Wirtshauses wiederherstellen. Schon 1996 sprachen sich Grafrather Kommunalpolitiker im Wahlkampf für den Erhalt des Wirtshauses aus. Bis 2002 dauerte es, dass im Gemeinderat über eine Erhaltungssatzung für den Klosterwirt diskutiert wurde. Die Satzung wurde nach kontroverser Beratung jedoch abgelehnt, weil das Landratsamt die Voraussetzungen nicht für gegeben ansah. Zwei Jahre später wurde der Erbengemeinschaft ein erweitertes Baurecht im Bereich der Tennisplätze in Aussicht gestellt, wenn sie damit einverstanden ist, für die Erhaltung des Klosterwirtes einen Investor zu bemühen.

Im Jahre 2006 gründeten Grafrather Bürger das "Forum Klosterhof" und entwickelten einen Planungsentwurf. Das Konzept sah die Erneuerung der Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeiten vor und es sollten Einrichtungen geschaffen werden, "für die es in Grafrath einen Bedarf gibt", selbst bestimmtes Wohnen im Alter und Mehrgenerationenwohnen. Der unter Denkmalschutz stehenden Stadel sollte für kulturelle Veranstaltungen ausgebaut werden, einen Klosterladen mit Café und für Pilger kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten bieten. 2007 legt das Forum Klosterhof, mittlerweile ein eingetragener Verein, erste Planungsentwürfe vor, die vom Gemeinderat abgelehnt werden, weil die Wohnbebauung "zu kasernenartig" war. Ein darauf abgeänderter Bebauungsplan wurde dann genehmigt. 2008 aber wurde die Klosterwirtplanung zum Wahlkampfthema, woraufhin sich das Forum Klosterhof dazu entschloss, einen Bürgerentscheid zu organisieren. Mit 982 gegen 898 Stimmen wurde der Bebauungsplan dann abgelehnt. Die Wahl brachte zudem den Gegnern der Forumsplanung mit neun gegen acht die Stimmenmehrheit. 2009 legten die Fraktionen von CSU und FWE (heute Einigkeit Grafrath) ein Konzept vor, das vom Immobilienunternehmen Real Treuhand als Geschäftsbesorger abgewickelt werden sollte. Für den Klosterwirt war das Münchner Hofbräuhaus als Betreiber im Gespräch und es wurde beschlossen, dass Grafrath das Klosterwirtgelände kauft. Doch daraus wurde nichts, denn das Landratsamt gab dem damaligen Bürgermeister Hartwig Hagenguth Recht, dass die Beschlüsse "rechtswidrig erscheinen". Kurze Zeit später nahm die Erbengemeinschaft ihre Absichtserklärung zum Verkauf des Klosterwirtareals zurück und schloss mit der Real Treuhand einen Kaufvertrag unter Vorbehalt. Als das Unternehmen 2011 seine Pläne vorlegte, kam es zu einem Dauerstreit, denn die Fläche, auf der der Investor Einzel-, Doppel-und Mehrfamilienhäuser errichten wollte, war um ein Vielfaches größer als diejenige, die das Forum Klosterhof einst beanspruchte. Außerdem vermissten die ehemaligen Forumsfreunde eine soziale und kulturelle Ausrichtung. 340 Bürger hatten Einwände gegen die Planung vorgebracht, und weil diese aus ihrer Sicht bei der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt worden waren, gipfelte der Streit schließlich in einem weiteren Bürgerentscheid am 1. Dezember 2013. Obwohl die Gemeinde ein Ratsbegehren dagegen stellte, lehnten zwei Drittel der Wähler die Pläne von Real Treuhand ab. 875 Bürger votierten gegen die Fortsetzung der Planung, 506 dafür. Dem Bürgerentscheid, der eine Planung mit weniger Flächenverbrauch und einen Architektenwettbewerb forderte, schlossen sich 941 Wähler an, 465 waren dagegen. Ein so klares Ergebnis hatten weder die Befürworter der Planung noch der Investor erwartet. Schon nach wenigen Tagen gab die Real Treuhand bekannt, ihre Klosterwirt-Planungen aufzugeben. Kurze Zeit später war dann zu hören, dass die Erbengemeinschaft zu keinen weiteren Gesprächen mit der Gemeinde über die Zukunft des Klosterwirtes bereit sei. Im Januar 2014 beschloss der Gemeinderat einen Arbeitskreis "Klosterareal, Klosterwirt" zu gründen, der unter Leitung von Dionys Zink Ideen entwickelte, auf welche Art und Weise man sich eine Bebauung im Umgriff des Klosterwirtes und des Stadels und deren Erhaltung vorstellen könnte. Bürgermeister Markus Kennerknecht versuchte zudem, dass das Sanierungsprojekt durch die Städtebauförderung Bayern bezuschusst wird. Die Erbengemeinschaft ließ sich darauf nicht ein. Sie machte ihre Ankündigung wahr und verkaufte den Klosterwirt samt Stadel und Hofstelle an einen Investor. Den Grafrathern bleibt nur noch die Hoffnung, dass sich der neue Eigentümer der historischen Bedeutung des Klosterwirtes bewusst ist.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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