Serie "Aus Liebe zum Verein" (Folge 6):Bierlaune als Inspiration

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Die Mitglieder des Aldshofa Bier-Clubs sitzen gern am Stammtisch. Doch ihr Vereinsleben erschöpft sich nicht im gemeinsamen Trinken. Vielmehr geht es darum, bei lustigen Aktionen Spaß zu haben

Von Manfred Amann, Adelshofen

Ein Samstag im Oktober 1988: Vor einem der renommierten Hotels am Tegernsee fährt eine große, im Sonnenlicht glänzende Limousine vor. Ein Chauffeur steigt aus und öffnet einem stattlichen Herrn im Designeranzug, der eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase trägt und eine Börsenzeitung unter den Arm geklemmt hat, die Autotür. Der Hotelpage eilt unversehens herbei und will dem anscheinend ganz wichtigen Geschäftsmann den kleinen Aktenkoffer abnehmen. Doch der winkt ab und geht in strammer Haltung selbstbewusst zu den anderen Anzugträgern vom "A-B-C", die selbst mit teuren Großkarossen angereist sind, die sie extra für einen besonderen Anlass ausgeliehen haben. "Sind wohl zu einer Konferenz hier, vielleicht geht es um eine Erbschaft. Oder sind es gar Mafiosi?" Vieles wird in der Empfangshalle getuschelt, und eine Frau bedauert die geschäftigen Männer, weil diese selbst am Wochenende ob ihres Jobs nicht zur Ruhe kommen. Die schnieke Männerrunde bleibt eine Nacht lang, lässt es sich gut gehen und tagt hinter den Türen des großen Hotelsaales: Der "A-B-C" hat Jahresversammlung. A steht für Aldshofa (Adelshofener), B für Bier und C für den Club, der sich als Stammtisch versteht, aber eigentlich ein kleiner Verein ist oder zumindest so geführt wird, mit neuen und alten Mitgliedern und einer eigenen Satzung.

Ein Auftritt soll Aufsehen auslösen, wie im Oktober 1988 als vermeintliche Geschäftsleute in einem Hotel am Tegernsee. (Foto: Aldshofa Bier-Club)

Neben der Huldigung für das Bier ist es eines der wichtigsten Ziele der ABC-Mitglieder, Spaß zu haben, und zwar einen möglichst ausgefallenen Spaß, wann immer es geht. Im Oktober 1988 war ein solcher spaßiger Tag. "Wir haben damals das Hotel am Tegernsee als Versammlungsort gewählt und durch unser Auftreten als Großkotz für viel Aufsehen gesorgt und uns dabei prächtig amüsiert", erzählt Anton Reindl, der die Schriftsachen erledigt und die Club-Homepage pflegt. Darauf sind mit Bildern und anhand einer Chronik alle Aktionen, Spaßerlebnisse und Anekdoten dokumentiert. Hier erfährt man, dass die ABC-Jahresversammlungen stets an einem ausgesuchten Ort abgehalten werden, der sich meist im Ausland befindet, zum Beispiel Villach in der Steiermark oder Stockach in Tirol, und den Mitgliedern laut Franz Gebhard "viel Abwechslung und eben auch eine Menge Spaß bringt".

Bier steckt nicht nur im Namen: Bei einer Weihnachtsfeier vor einigen Jahren sind gleich die Fässchen auf den Tresen gestellt worden. (Foto: Aldshofa Bier-Club)

Anfänglich seien die Klubmitglieder im Dorf schon ein wenig für verrückt erklärt worden, erzählt Schatzmeister Richard Furtmeier. Mittlerweile sei der Stammtisch aber wie jeder Ortsverein in der Gemeinde Adelshofen anerkannt. "Wir helfen bei öffentlichen Veranstaltungen, organisieren Turniere, mal ist es Fußball, mal Kegeln, jedes Jahr ein Wattturnier, richten Weihnachtsfeiern aus, bei denen Geschenke schon mal aus der Verpackung geflechst oder aus einem Betonklotz geschlagen werden müssen, treten im Fasching in einheitlicher Verkleidung auf, wie zum Beispiel als Dunkelhäutige mit Baströckchen oder als Gardemädchen, und unternehmen Ausflüge. Bleibt von Festivitäten Geld übrig, werde es für wohltätige Zwecke gespendet, merkt Jakob Ottmar an. Momentan zählt der Klub 17 Mitglieder. "Wer dabei sein will, muss zu uns passen, gesellig sein, Sticheleien vertragen, bei Aktionen mitmachen und natürlich Bier trinken, zählt der Vorsitzende die notwendigen Eigenschaften von Neumitgliedern auf. Schließlich sind wir ein Stammtisch, wenngleich die Aktivitäten weit darüber hinausgehen", erklärt der Klubchef.

Beim Aldshofa Bier-Club zählt auch die Geselligkeit, zum Beispiel beim Watten, einem süddeutschen Kartenspiel. (Foto: Aldshofa Bier-Club)

Jeden Mittwoch ist Stammtischtag. Mitglieder, die ohne Entschuldigung ausbleiben, müssen ebenso ein Bußgeld zahlen wie derjenige, der Rituale nicht einhält. In der Sportgaststätte in Adelshofen hängt über dem Stammtisch kopfüber ein Maßkrug mit einem Schwengel, mit dem jeder Stammtischbesucher "läuten" muss, bevor er den ersten Schluck trinkt, ganz egal ob er am Stammtisch sitzt oder bei Bekannten nebenan. Gemäß Satzung, die aus dem Gründungsjahr 1982 stammt und zehn Grundregeln enthält, könnte man auch für Unpünktlichkeit oder Kurzzeitanwesenheit unter einer Stunde zur Kasse gebeten werden. "Aber wir sind mittlerweile schon milder geworden", sagt Schriftführer Reindl. Wer zum Stammtisch kommt, der zieht zuvor das Vereins-Poloshirt an, auf dem das Logo des Bierclubs prangt. Beim Bier wird diskutiert und gelacht. Außerdem kommen während des Trinkens auch viele der Ideen auf, die meist spontan umgesetzt werden. Und es werden Erinnerungen wach, wie zum Beispiel an die Holzarbeiteraktion, für die sich Mitglieder einen Bart wachsen ließen, um dann an einem eisig kalten Tag in typischer Kleidung und mit einer Axt über der Schulter Holzknechte für ein Foto zu mimen. Ein Gaul zum Holzrücken sei damals auch mühsam mitgeführt worden, wirft Sepp Schauer ein. Er ist der Fotograf des Klubs und kocht, wenn es zum Hüttenzauber nach Erl oder nach Gerlos im Österreichischen geht, "um in Abgeschiedenheit beim Bier etwas auszuhecken", wie Wolfgang Metzger formuliert. Ein Klubmitglied ist gelernter Metzger. Der Metzger hat aus verschiedenen Brätsorten quasi als "Weltneuheit" einen mehrschichtigen Leberkäs in einer Guglhupfform gebacken, erzählt der Vorsitzende des Bierclubs. Größeren Aktionen geht eine "Genehmigungseinholungszeit" voraus. Das heißt, der Lebenspartner wird gefragt, denn dessen Einverständnis ist den Mitgliedern wichtig.

Gegründet wurde der Adelshofener Bierclub - wie könnte anders ein - aus einer Bierlaune heraus am 9. August 1982. Ein Jahr später wurde während eines dreitägigen Bierseminars der Titel "Bierkenner" erworben. Groß und eindrucksvoll werden Jubiläen gefeiert und zwar so, dass sie lange in Erinnerung bleiben. Zum fünfjährigen Bestehen wurde ein zweitägiges Gaudi-Fußball-Pokalturnier ausgetragen. "Das Zelt haben wir selbst zusammengezimmert", belegt Reindl anhand von Fotos. Es sei das erste Bierzelt überhaupt gewesen, das im Ort errichtet worden sei, weiß er, und dass aufgrund des großen Andrangs das Bier ausgegangen sei. In weiser Voraussicht wurde damals ein kleiner Pokalschrank angeschafft, in dem nun die vielen Trophäen aufbewahrt werden, die bei Fußball- oder Kegelturnieren daheim oder auswärts gewonnen worden sind. Das Zehnjährige wurde wieder mit einem Fußballfest gefeiert. Dabei gab es bereits ein richtiges Zelt und es spielte eine Musikkapelle. Anlässlich des Festes "20 Jahre ABC" lud der Verein mit großem Erfolg zu einem Kleinkunstabend ein. Die Musikkabarettisten Sepp Raith und Norbert Göttler traten auf. Auch bei den Feiern zum Vierteljahrhundert stand das Kulturelle mit der Gruppe "Da Huaba, da Meier und I" im Mittelpunkt. Mit welcher größeren Aktion der Aldshofa Bier-Club bald wieder Spaß haben und für Aufmerksamkeit sorgen wird, das verraten die Mitglieder nicht. Dass dabei die Club-Hymne "Aldshof, Aldshof über alles, du mit deinem ABC . . ." gesungen wird, davon kann man ausgehen.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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