Schultheater:Tragik und Trash

Lesezeit: 2 min

Coolness verbreiten die Viscardi-Schülerinnen Leandra Frey (rechts) und Simone Heß in ihren Rollen auf der Bühne. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Brucker Gymnasiasten bringen Anti-Mobbing-Stück auf die Bühne

Von Larissa Kahr, Fürstenfeldbruck

Das Klirren von gegeneinander schlagenden Flaschen. Dröhnende, antreibende Gitarrenmusik. Ein grüner verrosteter VW-Golf steht in der Aula des Viscardi-Gymnasiums. Es fliegen die Funken eines Winkelschleifers. Der Halter zieht währendessen genüsslich an seiner Zigarette. Lediglich die unschuldig wirkende bunte Lichterkette über den Köpfen der Gruppe bricht die Finsternis des Szenarios auf. Aber auch sie wird bald erlöschen. Es ist zu erkennen, dass die Versammelten auf der Bühne zu der Sorte coole Jugendlichen zählen. Eve (Jasmin Gabler), die in Jeans und ein mit Friedenszeichen bedrucktem weißen Oberteil bekleidet ist, betritt das Szenario. Sie würde so gerne dazugehören. "Wisst Ihr, ich würde alles machen. Alles tun. Für einen Freund", rezitiert sie aus einem Gedicht der Mitschülerin Lisa Strömsdörfer. Doch dass dies nie der Fall sein wird, kündigt sich schon in der Musik an. Der Metal-Kracher "The Hunt" wird immer lauter, die anderen stürzen sich auf die Außenseiterin: Sie fesseln das Mädchen, schreiben ihr mit rotem Lippenstift das Wort "Hoe" auf die Stirn, zwingen sie eklige Sachen zu trinken. Lou ( Sophie Sancken) überschüttet sie sogar damit und Jan (Tim Gistl) verewigt die Demütigung auf seinem Smartphone.

Zum dritten Mal wagt sich die Improvisations-Gruppe "Impro Macchiato" an ein, wie sie es nennen, "echtes Theater". "Lustig sind wir das ganze Jahr", so Klaus Hilgers, Leiter der Theatergruppe. Dieses Jahr steht das 2008 am Staatstheater Mainz uraufgeführte Jugendstück "Deoxyribo Nucleic Acid (DNA)" auf dem Spielplan. Das Schauspiel des Autors Dennis Kelly - einer der Shootingstars der aktuellen Theaterszene - handelt von einer Gruppe Jugendlicher, die eine Mitschülerin erniedrigen - "von Zigaretten auf ihr ausdrücken bis Blätterfressen". Der vermeintliche Spaß läuft aus dem Ruder. Eve soll über ein Gitter balancieren, rutscht ab und stürzt in einen dunklen Schacht. Begleitet von Panik, Gewissensbissen, Gruppenzwang, aber auch eiskaltem Kalkül legt die Gruppe falsche Fährten und verwischt DNA-Spuren.

Es ist die Mischung aus tragischen Elementen und trashigen Sequenzen, die den Charme der gelungenen Inszenierung der Schultheatergruppe ausmacht. Dazu zählen die sich wiederholenden Picknick-Szenen von Phil (Simone Heß) und Leah (Leandra Frey) auf dem Autodach der Rostlaube. Phil, die das Meistergenie hinter dem Vertuschungsplan ist, schafft es trotz ihres geringen Sprechanteils eine enorme Spannung zu erzeugen. Dabei richtet sie, sogar in den unmöglichsten Momenten, ihre komplette Aufmerksamkeit auf den immer fest in der Hand sitzenden Lutscher. Demgegenüber zieht die endlos monologisierende Leah (Leandra Frey) alle Register, um Phils Fokus nur einmal auf sich zu lenken. Zu der Diversität der Aufführung trägt zudem der unbeholfene Brian (Moritz Riker) bei. Dem stets den Tränen nahen Jungen würde man gerne zuflüstern, das alles gut wird, da sonst niemand auf der Bühne Mitgefühl mit diesem zeigt. Die kreative Raumnutzung rundet das Schauspiel gelungen ab. Es verläuft ein Steg mitten durch die Zuschauerreihen und Szenen beginnen teilweise hinter den Köpfen der Zuschauer.

Bewusst ist dieser Bruch und das Spiel mit den Extremen gewählt. Die Inszenierung rund um Hilgers verzichtet auf "pseudomoderne Elemente" wie Handy und Jugendjargon. Gemeinsam hatte die Gruppe beschlossen, das Stück im Amerika der 1980er Jahre spielen zu lassen. Demokratie sei besonders wichtig bei der Arbeit mit Jugendlichen, so Hilgers. "Da inszenierst du, indem du schaust, was die Schüler dir anbieten oder sich vorstellen können." Er ziehe nur die roten Fäden zusammen. Regisseur wolle er sich deswegen aber nicht nennen. Bei DNA handelt es sich eindeutig um ein Herzensprojekt der Beteiligten. Das erkennt auch das Publikum: Für Montag, 11. Februar, ist eine Zusatzvorstellung angesetzt. Der Eintritt ist frei, wobei die Gruppe auf Spenden hofft, damit sie ihre Kosten für Requisite, Tantiemen und hoffentlich ein Dernièren-Essen abdecken könne.

DNA, Theateraufführung am Viscardi-Gymnasium Fürstenfeldbruck, Montag, 11. Februar, 19.30 Uhr, Eintritt frei.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: