Schulpolitik:Ungeliebter Nachmittagsunterricht

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Das Ganztagsangebot an den Realschulen in Puchheim und Germering nehmen nur wenige Schüler an, an den Gymnasien gibt es gar keines. Kinder und Eltern bevorzugen stattdessen die flexible Betreuungsform

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Unterricht am Nachmittag istunter Schülern nicht sonderlich beliebt. Die gebundene Ganztagsschule aber bietet genau das: Unterricht, der über Vormittag und Nachmittag verteilt ist und sich mit anderen Angeboten und Pausen abwechselt. Rhythmisiert nennt man das in der Fachsprache. Für Eltern hat die Variante den Vorteil, dass die Kinder den ganzen Tag an der Schule nicht nur versorgt sind, sondern auch pädagogisch sinnvoll begleitet werden. Auch die Forschung spricht sich wegen der besseren Lernergebnisse für gebundene Ganztagsschulen aus. Doch im Landkreis ist und bleibt diese Form selten und die Nachfrage gering.

An den sieben Gymnasien gibt es die gebundene Ganztagsschule überhaupt nicht, an den Realschulen nur an zweien von vieren. Nur 15 beziehungsweise gut 20 Schülerinnen und Schüler werden zum neuen Schuljahr an den Realschulen in Puchheim und Unterpfaffenhofen-Germering eine fünfte Klasse besuchen, die als echte Ganztagsklasse geführt wird. In Unterpfaffenhofen gibt es den gebundenen Ganztag in der fünften und sechsten Klasse seit dem Schuljahr 2013/14, in Puchheim von Herbst an im dritten Jahr. An den Grundschulen im Landkreis bieten nach Auskunft des Schulamtes sieben den gebundenen Ganztag in 33 Klassen an, bei den Mittelschulen sind es fünf mit 24 Klassen.

Was an den beiden sonderpädagogischen Förderzentren in Fürstenfeldbruck und Germering in allen Jahrgangsstufen gang und gäbe ist, kann sich an den weiterführenden Schulen offenbar nicht durchsetzen. Am Gymnasium Gröbenzell wurden zwei Versuche unternommen, das Interesse für diese Form der Beschulung abzufragen. Es gab zu wenige Kandidaten, beim zweiten Versuch 2017 nur elf.

Dabei zeigen Forschungsergebnisse, dass Kinder und Jugendliche, die regelmäßig an guten Ganztagsangeboten teilnehmen, bessere Lernerfolge erzielen. Auch die Bertelsmann-Stiftung untersucht den Ganztag an Schulen regelmäßig: Insbesondere gebundene Ganztagsschulen ermöglichen demnach individuelle Förderung und eröffnen mehr Lernchancen.

Doch Schüler und Eltern bevorzugen auch im Landkreis die Halbtagsschule oder ein flexibles Nachmittagsangebot. "Viele Eltern wollen nicht diese Verpflichtung", weiß auch Christoph Breuer, Leiter der Realschule Unterpfaffenhofen. Der gebundene Ganztag ist dort als Zweijahreszyklus für fünfte und sechste Klasse angelegt - als Musikklasse. Die Schüler erlernen dabei ein Blasinstrument und treten auch gemeinsam auf. "Sie bilden eine tolle Klassengemeinschaft", lobt Breuer. Die Schule aber müsse schon regelmäßig dafür werben. Die Anmeldezahlen freilich schwanken. Als das jetzt zu Ende gehende Schuljahr begann, mussten Bewerber für die fünfte Klasse im Ganztag abgewiesen werden. 26 Schüler bilden in Unterpfaffenhofen maximal eine Ganztagsklasse.

Im Gegensatz dazu bietet die offene Ganztagsschule lediglich Hausaufgabenbetreuung und betreute Freizeitangebote, aber keinen Unterricht am Nachmittag. Die Tage können flexibel gebucht werden. Für das Schuljahr 2019/20 wurden an den sieben Gymnasien insgesamt 769 Fünft- und Sechstklässler für die offene Ganztagsschule angemeldet, an den drei Realschulen sind es 165. Die Zahlen liegen im Mittel der vergangenen Jahre, sind allerdings geringer als im laufenden Schuljahr. An der Orlando-di-Lasso-Realschule gibt es ein solches Angebot überhaupt nicht, an den Realschulen Unterpfaffenhofen und Puchheim besteht das offene Angebot neben dem gebundenen Ganztag. Fünftklässler können in Unterpfaffenhofen allerdings maximal zwei Tage des offenen Angebots buchen. Wer mehr Tage möchte, wird auf die musische Ganztagsklasse verwiesen.

In der offenen Form werden die Schüler zwischen dem Unterrichtsende um 13 Uhr und etwa 16 Uhr betreut. Die Betreuung obliegt nicht den Lehrkräften, sondern wird von Fördervereinen wie beispielsweise am Brucker Viscardi-Gymnasium, der Arbeiterwohlfahrt (Eugen-Papst-Förderzentrum Germering) oder der "Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration" (gfi), einer gemeinnützigen GmbH, übernommen, die an insgesamt fünf weiterführenden Schulen im Landkreis für das Nachmittagsangebot verantwortlich ist. Die Vorliebe für das offene Angebot hat möglicherweise auch damit zu tun, dass im Gegensatz zu anderen Ländern Halbtagsschulen in Deutschland lange Zeit Normalität waren und immer noch sind. Der Ausbau von Ganztagsangeboten geschieht allerdings auch mit dem Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu gewährleisten.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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