Schulärger:Kein Bock auf Hausaufgaben

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Realschüler sind offenbar immer weniger dazu bereit, zuhause zu erledigen, was Lehrer ihnen aufgeben. "Sie haben einfach keine Lust", sagt eine Rektorin. An Gymnasien und Grundschulen soll es dieses Problem nicht geben

Von Marija Barišić, Fürstenfeldbruck

Jeder kennt sie, wenige hatten sie besonders gern, und trotzdem sind die meisten bis heute von ihrer Sinnhaftigkeit überzeugt: Hausaufgaben. Diese machen, vor allem bei den Realschulen im Brucker Landkreis, nun schon seit mehreren Jahren Schwierigkeiten. "Ich habe keine Umfragen, aber sehr viele Schüler machen ihre Hausaufgaben schlecht oder gar nicht mehr", klagt Gundula Socher, die stellvertretende Leiterin der Realschule in Fürstenfeldbruck, und muss auf die Frage, wie sie sich das denn erkläre, verärgert feststellen: "Die Schüler haben einfach keine Lust!"

Fragt man allerdings noch einmal nach, hält Socher kurz inne und beginnt zu erzählen: von überforderten Eltern, die zu viel Zeit in der Arbeit und zu wenig mit ihren Kindern verbringen; vom sinkenden Stellenwert der Schule, der in den Medien propagiert werde; von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch sei und: von vielen Unterstützungsmaßnahmen, die sie schon eingeführt hätten, nur um die "Hausaufgabenmoral" in ihrer Schule zu stärken.

Eine dieser Unterstützungsmaßnahmen, sagt Socher, sei das sogenannte Tutorenprogramm, in dem ältere Schüler jüngeren dabei helfen sollen, in der Nachmittagsbetreuung ihre Hausaufgaben zu erledigen. Natalie, 16 Jahre alt, 9. Schulstufe, hat sich Anfang dieses Schuljahres als Tutorin gemeldet, "weil es schön ist, anderen zu helfen, und ich selbst weiß, wie es ist, die Hausaufgabe nicht zu verstehen". So liegt es ihrer Meinung nach nicht unbedingt am fehlenden Interesse der Schüler, sondern oftmals an "falsch" formulierten Aufgabenstellungen, die wiederum zur Resignation auf Seiten der Schüler führe. Ganz wichtig sei es, höflich zu bleiben, wenn diese eine Aufgabenstellung nicht verstünden und "dranzubleiben", weil die Schüler sonst "den Kopf hängen lassen", sagt die 16-jährige Tutorin.

Spricht man mit Schülerinnen, die das Tutorenprogramm besuchen, so fallen die Antworten zwar unterschiedlich aus, von fehlender Motivation spricht freilich auch hier keiner. So passiere es einer Zwölfjährigen Siebtklässlerin oft, "dass ich am Nachmittag Saxofon spiele und mich am Abend nicht mehr konzentrieren kann. Und trotzdem kriege ich Ärger, wenn ich die Hausaufgabe nicht habe". Ihre ehemalige Klassenkollegin, die auch am Tutorenprogramm teilnimmt, ergänzt, dass sie die Hausaufgabe manchmal nicht verstehe und am Tag darauf bei ihrer Lehrerin versuche nachzufragen: "Das wird dann aber als Ausrede gesehen, und sie macht dann einfach weiter." Will man also die Ursachen des Hausaufgabenproblems verstehen, so wird schnell klar: Es hängt davon ab, mit wem man spricht. Dass es aber ein Problem mit den Hausaufgaben gibt - darin scheinen sich alle Beteiligten einig zu sein, zumindest in den Realschulen.

So fallen die Antworten des Max-Born-Gymnasiums und des Gymnasiums in Puchheim auffallend unbeeindruckt aus: "Nichts bemerkt" und "kommt selten vor" sagen die beiden Schulleiter, wenn man sie auf die Thematik anspricht. Christine Heimann, die sich selbst "altgediente Lehrerin" nennt und seit zwei Jahren stellvertretende Leiterin an der Realschule in Puchheim ist, fällt es allerdings schwer, das zu glauben. "Gymnasien sind Elitebildung - da gibt's keine Probleme", sagt sie zynisch und fügt außerdem hinzu: "Wer die Hausaufgabe nicht macht, schafft das Gymnasium nicht und landet eben bei uns in der Realschule." Sie selbst habe in der Vergangenheit schon Gummibärchen an Zehntklässler verteilt, um positive Anreize zu schaffen, und ist davon überzeugt, dass das Problem mit den Hausaufgaben "an jeder Schule" bekannt sei.

Bettina Betz, Schulamtsleiterin und somit eigentlich verantwortlich für die Grund- und Mittelschulen im Landkreis, würde Heimann recht geben. Sie kenne die Thematik gut, allerdings sei sie in der Grundschule nicht so aktuell, da in dieser Altersstufe die Eltern noch mehr Einfluss auf ihre Kinder hätten. Außerdem habe sie in ihrer ehemaligen Funktion als Schulleiterin nicht selten erlebt, dass die Eltern selbst immer öfter an der Sinnhaftigkeit von Hausaufgaben zweifelten und ihren Kindern diese Einstellung womöglich mitgäben. Die Verantwortung einzig und allein auf die Eltern zu schieben, finde sie allerdings nicht richtig, da auch zusätzliche Ablenkungsmöglichkeiten wie "der böse PC" sicherlich eine Rolle spielen.

Wie das Problem mit den Hausaufgaben künftig angegangen werden kann, weiß jedenfalls die Realschule in Unterpfaffenhofen. An diesem Mittwoch wird sie das Projekt "Lernen Optimistisch Bewältigen" vorstellen, das ihr offensichtlich dabei geholfen hat, die eigenen Schüler zum Erledigen der Hausaufgaben zu motivieren.

© SZ vom 22.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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