Dorfladen in der Krise:Zu volle Regale

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Bei einem Besuch trifft man auf besorgte Kunden. Über die Zukunft des einzigen Lebensmittelladens im Ort entscheidet an diesem Mittwoch eine Sonder-Generalversammlung

Von Manfred Amann, Schöngeising

Vor dem Eingang ist Blumenerde gestapelt und es gibt junge Pflanzen und Blumensamen. Und betritt man in Schöngeising den Dorfladen, ziehen frisches Gemüse und Obst die Blicke direkt an. Gut sortiert und ansprechend arrangiert liegt alles da, nicht nur Äpfel oder Salate, sondern auch exotische Papayas und Krummgurken aus biologischem Anbau. Eigentlich findet man hier von allem etwas, wenngleich es wie in einem großen Supermarkt nicht von allem viele verschiedene Sorten gibt. "Schon wegen der Ladengröße müssen wir uns auf weniger beschränken, aber wir versuchen, mit unserem Obst- und Gemüsesortiment, das übrigens zum größten Teil aus der Region kommt, möglichst viele Kundenwünsche zu erfüllen", betont Mitarbeiterin Susanne Haberlik, während sie online eine Bestellung aufgibt. "Das gilt übrigens für alle Produktbereiche von Marmelade bis Joghurt und von Toilettenpapier bis Waschmittel."

Zum Anbeißen

Eine Frau dreht eine Birne am Stengel im Licht. "Ach, die sind zum Anbeißen schön", sagt sie und als sie angesprochen wird, gibt sie zu, dass sie gar nicht gewusst habe, was in dem Laden im Oberdorf alles "relativ preiswert" angeboten werde und dass sie "wohl ein wenig mit Schuld" daran sei, dass der Laden nicht so gut laufe. Der "Rüttelbrief", wie Geschäftsführer Sigurd Höppner das Schreiben nennt, das der Vorstand an alle Haushalte verteilt hat, um noch einmal auf die drohende Schließung der einzigen Einkaufsmöglichkeit für Lebensmittel und fürs Alltägliche aufmerksam zu machen, hatte sie zum Nachdenken gebracht. Und jetzt hat die Frau ein schlechtes Gewissen, "weil ich als Mitglied der Genossenschaft so nachlässig war". "Ab jetzt werde ich aber so oft wie möglich hier einkaufen", verspricht sie und erklärt mit einem Augenzwinkern, "sonst ist meine Einlage ja bald futsch".

Deutlicher Appell

Seit dem deutlichen Appell an die Schöngeisinger, dass man den Laden zumachen werde, wenn sich der Umsatz nicht kräftig erhöhe, kommen laut Haberlik deutlich mehr Kunden. Und was noch wichtiger sei, sie kaufen vermehrt kräftig ein. "Das hatten wir aber schon mehrmals, dass der Umsatz ansteigt, nachdem eine Warnung rausgegeben worden war, aber es muss dauerhaft so bleiben, nur dann können wird den Laden halten", erklärt dazu Adolf Eider. Der Chef des Aufsichtsrates der Dorfladen-Genossenschaft kommt mit einem geflochten Korb und kauft "selbstverständlich fast täglich" hier ein und würde sich freuen, wenn nicht nur die Anteilseigener, sondern alle Schöngeisinger hier einkaufen würden, "um die Nahversorgung dauerhaft und damit auch die Arbeitsplätze am Ort halten zu können".

Konkurrenz in Buchenau

Frische Brezen und ein paar "Knacker" bestellt ein Handwerker. Dazu gibt es noch ein Bier aus dem Getränke-Kühlschrank und ein Glas Essiggurken. "Wenn ich vorbeikomme, schau ich schon rein, verrät er, aber sonst selten." Er wohnt im unteren Dorf. Wenn seine Frau zum Einkaufen geht, muss sie das Auto nehmen, denn auf den Berg herauf zu Fuß zu gehen oder zu radeln ist zeitlich nicht drin und zudem sehr anstrengend, erzählt er. "Und wenn sie schon das Auto nehmen muss, dann fährt sie auch gleich die paar Kilometer nach Buchenau, wo sie alles bekommt", meint er um Verständnis heischend und legt noch einige Schokoriegel und eine Packung Gummibärli in den Wagen.

Entscheidung fällt am Mittwoch

Im Bereich Milch und Käsesorten schiebt eine junge Mutter ihren Kinderwagen. Sie braucht Windeln und hat schon etliche Brucker-Land- und Bio-Produkte im Netz. Sie sucht nach einem Haarshampoo, das nicht in den Augen brennt, und wird fündig. Dass sie auch Energie-Drinks und sogar Vogelsand und Katzenfutter kaufen kann, findet sie "erstaunlich" und auch, dass das meiste, was sie hier einkauft, auch nicht teurer ist, als in einem großen Supermarkt. Backwaren und die wechselnden Sonderangebote seien sogar preiswerter, führt Haberlik aus. Da die meisten der etwa 3000 Artikel von Rewe bezogen werden, gelten meist auch die Preisvorgaben der Handelskette, "also haben wir dieselben Preise wie andere Märkte auch". Eine Kollegin sortiert Roman-, Comic-Hefte, Zeitschriften und Schreibblöcke ein, schräg gegenüber quengelt ein Mädchen vor Bonbonbeuteln und ein älteres Paar bitte um Hilfe, weil es die Zahnseide nicht finden kann. "Der Laden muss bleiben, wir sind alt und haben kein Auto mehr. Was sollen wir denn machen, wenn es hier nichts mehr gibt?", fordert der Mann und spricht damit allen aus der Seele, die darauf hoffen, dass der Aufsichtsrat an diesem Mittwochabend verkündet, dass der Laden gehalten werden kann. Die Entscheidung fällen aber die Mitglieder in der Sonder-Generalversammlung, zu der der Vorstand ab 19.30 Uhr ins Pfarrheim geladen hat.

© SZ vom 20.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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