Schöngeising:Fluss und Krieg

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Der Jexhof lädt zu zwei Lesungen mit Parchwitz, Stögbauer und Drexler ein

Von Peter Bierl, Schöngeising

Der Kriegstaumel des Bürgertums im Sommer 1914 ist für uns schwer nachvollziehbar. Während Bauern und Arbeiter skeptisch-distanziert blieben, aber kein Sprachrohr hatten, trommelten Intellektuelle und Künstler für den Waffengang. Eine davon war Lena Christ. Sie schrieb über die ersten Schlachten im Westen, als wäre sie selbst an vorderster Front dabei gewesen. Widerlich ist ihr Hurrapatriotismus, etwa in einem Text über das Gefecht bei Badonviller.

Während das siegreiche Treffen einen bayerischen Militärmusiker zu einem schmissigen Marsch inspirierte, der später zu den Lieblingsstücken Hitlers zählte, galt Badonviller im Ausland als eines der ersten Beispiel für die Grausamkeit der Deutschen, die den Ort niederbrannten und Zivilisten erschossen oder verschleppten. Von alledem kein Wort bei Christ. Erst im Laufe der Zeit legte sich ihre Euphorie und wich dem Entsetzen über das Grauen.

Rolf Parchwitz hat aus den Beiträgen Lena Christs, die unter dem Titel "Unser Bayern Anno 14" erschienen, einige ausgewählt, die ihre Einstellungen und deren Wandel nachvollziehbar machen. Zusammen mit der Schauspielerin Michaela Stögbauer wird Parchwitz diese Stücke am Freitag, 23. Oktober, bei einer Lesung im Jexhof-Museum vortragen. Musikalisch begleitet werden Parchwitz und Stögbauer am Klavier von Monika Stöhr, der Leiterin der Musikschule Schöngeising, die Instrumentalmusik aus der Epoche spielen wird. Die Veranstaltung findet im Handwerkerstadel des Jexhof statt, wo noch bis zum 8. November die empfehlenswerte Ausstellung "Großer Krieg und kleines Dorf. Der Erste Weltkrieg und das Land" zu sehen ist.

Acht Tage später, am Samstag, 31. Oktober, bietet das Jexhof-Museum eine weitere Veranstaltung mit Parchwitz und Stögbauer, die diesmal von Toni Drexler begleitet werden. Unter dem Titel "Die Menschen, das Land und der Fluss: Ampergeschichten" wird Stögbauer auf einem zweistündigen Spaziergang literarische Texte vortragen, während der Kreisheimatpfleger Beiträge zu Landschaft und Geschichte beisteuert. Die Texte haben Parchwitz, Wolfgang Kleinknecht und Simone Schmid zusammengetragen. Ein durchaus schwieriges Unterfangen, weil sich nur wenige Schriftsteller, und wenn dann meist nur in wenigen Zeilen, über die Amper geäußert haben, im Unterschied etwa zur vielbesungenen Isar.

Den Rahmen für die Ampergeschichten hat Parchwitz aus dem Roman "Verklungene Tage" gewonnen, in dem Arnold Zweig 1950 Erlebnisse in Wildenroth schildert. Dazwischen gibt es Beiträge aus Stücken von Jens Jessen und Norbert Göttler, Briefe von Franziska von Reventlow oder eine Festpredigt aus der Wallfahrtskirche von Grafrath anno 1867. Das Ober-Lied von Heribert Heindl stammt aus dem Orlando-di-Lasso-Spektakel, das Parchwitz vor einiger Zeit in Schöngeising aufgeführt hat. Den Aufenthalt Otto Falckenbergs in Emmering hat Parchwitz zu einem kleinen Dramolett verarbeitet. Es beginnt mit der Euphorie des Regisseurs über das neue Landleben, als er 1903 zusammen mit seiner jungen Frau in das Amperdorf zieht. Bald hatte er den Keller voller Wasser stehen und die Frau verließ ihn. Den Abschluss des Dramoletts bildet ein Stück von Hans von Gumppenberg, der sich über die sentimentale Verklärung des Landlebens in seinem Freundeskreis lustig machte. Als Epilog boten sich für den Abend Auszüge aus den Statistischen Aufschlüssen Joseph von Hazzis an, die Anfang des 19. Jahrhunderts erschienen.

Der Spaziergang beginnt um 16 Uhr im Biergarten beim Unteren Wirt in Schöngeising und führt zunächst in einem Schlenker zum Moserstadel, wo Drexler über die bronzezeitliche Sunderburg berichten wird. Anschließend geht es zum Zellhof und von dort wieder zurück in den Biergarten. Für beide Lesungen ist eine Anmeldung bei der Museumsverwaltung unter der Telefonnummer 08141/519-205 erforderlich.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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