Schöngeising:Sau-Semmel auf die Hand

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Lediglich die Schilder erinnern daran, dass der Untere Wirt in Schöngeising mal ein Gasthof war. (Foto: Günther Reger)

Thomas Braumiller bietet im Unteren Wirt wegen Corona nur noch Gerichte am Kiosk der Badewiese an

Von Erich C. Setzwein, Schöngeising

Tische und Stühle sind längst aus der Gaststube geräumt, jetzt wird der alte Holzboden abgeschliffen und die Schöngeisinger Traditionswirtschaft für eine andere gewerbliche Nutzung vorbereitet. "Praxis oder Büro", so genau weiß Wirt Thomas Braumiller noch nicht, an wen er vermieten wird. Auch wenn er versichert, dass die Räume "schnell wieder zur Wirtschaft umgebaut" werden könnten, so weiß er doch, dass der Restaurantbetrieb auf unabsehbare Zeit zu Ende ist. Zuletzt haben ihn Corona und die Folgen zu diesem Schritt veranlasst. Gäste will er dennoch weiter bedienen, aber nicht unter den Auflagen, die die Gastronomie derzeit erfüllen muss. Auf den Biergartenbetrieb verzichtet er in diesem Jahr, die Besucher seiner Liegewiese können sich an seinem Kiosk versorgen: "Die Sau-Semmel ist sehr beliebt."

Fein aufgeschnittener Schweinsbraten mit Krautsalat in einer Semmel oder für Vegetarier gebratene Kräuterseitlinge in der "Schwammerl-Semmel" - Braumiller bietet darüber hinaus noch weitere Varianten bayerischer Snacks an. Am Vatertag hat er erleben dürfen, dass auf seiner gut zwei Fußballfelder großen Wiese an der Amper etwa 300 Besucher ihre Freizeit verbrachten. Alle hätten den nötigen Sicherheitsabstand gehabt. Den müsste er in einem Biergarten erst herstellen und dann nur etwa 30 Tische aufstellen. Rechne man nur maximal drei Gäste an einem Tisch, käme man auf 90 Menschen, für die er mindestens vier Mitarbeiter mehr benötige. Braumiller zählt die Vorschriften auf, die ihm das Leben als Gastwirt jetzt in der Corona-Krise schwer machen: Am Eingang von der Straße her müsste er einen Securitymitarbeiter postieren, ebenso am Flusszugang. Denn traditionell kommen die Gäste des Schöngeisinger Unterwirts auch mit ihren Booten. Zusätzlich benötige er eine Servicekraft, die sich um die Hygiene kümmere und einen Mitarbeiter, der die Gästeregistrierung im Blick habe. "Und dann brauche ich noch einen Platzanweiser und eine Klo-Wache."

Diesen Aufwand möchte der 50-Jährige nicht treiben, er wolle seinen Betrieb wirtschaftlich führen. Der Gastronomie bleibe "bei Volllast 15 Prozent Gewinn", sagt Braumiller, in der Krise werde das viel weniger sein. "Deshalb musste ich mich von der Stube verabschieden", sagt er, wohl wissend, dass damit eine Familiengeschichte seit 1879 zu Ende geht. Von Mittwoch bis Sonntag hat er den Kiosk geöffnet - vorausgesetzt es ist schönes Wetter. Ohne Sitzplätze und Sonnenschirme bleibt den Gästen nur die Liegewiese.

Braumiller, der das Kochen gelernt hat, hält an einer weiteren Einnahmequelle fest. Jeden Tag kocht er 80 bis 100 Essen für Kinder in Tagesstätten. "Das läuft wieder an", sagt er, nachdem er wochenlang wegen der Kita- und Schulschließungen pausieren musste. Dass aus seinem "Starkstrom"-Elektro-Musik-Festival etwas wird, glaubt er nicht. Er habe dazu noch keine Antwort bekommen, "egal, wem ich geschrieben habe". Im Stich gelassen fühle er sich wie viele seiner Wirte-Kollegen, es gebe zu wenig konkrete Informationen. Bis jetzt habe er für seine Mitarbeiter kein Kurzarbeitsgeld bekommen, die Arbeitsagentur in Fürstenfeldbruck hält er für überlastet. Thomas Braumiller sagt zwar, dass er über das Konzept, das er jetzt habe, nicht meckern könne. Wirkliche Normalität erwartet er in der Gastronomie aber vor 2021 nicht.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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