Schöngeising:Nervenkitzel vor dem nächsten Vers

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Stücke in bairischer Mundart sind beliebt beim Theatersommer im Bauernhofmuseum Jexhof. Der bairische "Jedermann" schafft es trotz kleinerer Pannen, das Publikum zu unterhalten. (Foto: Günther Reger)

Günter Mayr führt Regie und spielt die Hauptrolle im bairischen "Jedermann" beim Theatersommer am Jexhof. Beides gelingt ihm gut, doch hat der eine oder andere Darsteller so seine Schwierigkeiten mit dem Text

Von Valentina Finger, Schöngeising

Beim Theatersommer im Jexhof haben sich bairische oder sozusagen verbairischte Traditionsstücke als besonders beliebt herausgestellt. 2013 wurde zum Beispiel "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" von Joseph Maria Lutz aufgeführt. Es folgten Volksstücke wie "Der Meineidbauer" oder eine Bühnenadaption von "Die Apostelwascher". In diesem Jahr wurde die Tradition fortgesetzt: An den vergangenen beiden Wochenenden war im Innenhof des Bauernhofmuseums "Der bairische Jedermann" zu sehen, eine Umarbeitung des Hofmannsthalschen Mysterienspiels von Oskar Weber.

1984 wurde das Stück in München uraufgeführt. Schon damals spielte Günter Mayr die Titelrolle. Seitdem stand Mayr, der kürzlich seinen 80. Geburtstag feierte, nach eigenen Angaben etwa 100 Mal als Jedermann auf der Bühne. So verkörperte er diesen auch bei den Aufführungen in Schöngeising, für die er zudem, wie beim Theatersommer üblich, die Regie übernahm.

Es war eine, aus dramaturgischer Sicht, wenig innovative oder überraschende Inszenierung. Das ist allerdings weder unerwartet noch zwingend verkehrt: Das Jexhof-Theater ist keine Plattform für inszenatorische Experimente. Es ist ein Ort für meist volkstümliche Unterhaltung, die gefällt, ohne vom Publikum zu viel zu wollen. Dies ist Mayr mit seiner Herangehensweise weitestgehend gelungen.

Die Handlung ist simpel: Der gierige und geizige Jedermann, ein Sinnbild für den schlechten Teil der Menschheit an sich, muss feststellen, dass sein Reichtum ihm im Tod so gar nichts nützt und bereut schließlich, im Leben nicht mehr Empathie für seine Mitmenschen gezeigt zu haben. Das Stück soll zum Nachdenken anregen, über die eigene Lebensweise und die Sinnlosigkeit von materiellem Überfluss. Dies schafft die Inszenierung zum Teil durchaus.

Der Auftritt von Museumsleiter Reinhard Jakob als bettelnder Nachbar, dem nicht nur nicht geholfen, sondern der in seiner Mittellosigkeit auch noch gedemütigt wird, ist stark, insofern, dass er nicht nur Mitleid erregt, sondern auch das eigene Gewissen kitzelt.

Die 95-jährige Inge Köppl gibt als Mutter von Jedermann einen berührenden, mimisch ausdrucksstarken, Einblick in die Sorgen einer Frau gegen Ende ihres Lebens. Brigitte Wagner schließlich, die die allegorische Verkörperung von Jedermanns guten Werken spielt, illustriert in Stimme und Gestus überzeugend das Ideal bedingungsloser Vergebung.

Doch die Inszenierung hat auch ihre Schwächen. Die meisten Mitwirkenden liefern eine ordentliche schauspielerische Leistung ab. Allerdings erzeugen manche Szenen beim Zuschauer einen unerwünschten Nervenkitzel, kann man doch gelegentlich nicht sicher sein, dass sich der Darsteller auch an seinen nächsten Vers erinnert wird.

Weitaus mehr Nervenkitzel hingegen hätten die Auftritte von Jörg Schmid als Tod erzeugen sollen, die mehr monoton als mitreißend sind, wobei der Gruselfaktor gänzlich ausbleibt. Weil die Dynamik des Dargestellten hin und wieder unterbrochen wirkt, haben einige Momente, darunter die Gstanzl-gefüllte Bankettszene, stellenweise ihre Längen.

Als ihn alle seine scheinbaren Freunde in der Not im Stich lassen, erkennt Jedermann die Ausweglosigkeit seiner Situation. Je verzweifelter seine Rolle wird desto stärker wird Mayrs Darstellung. In den tragischen Szenen glänzt er mit ergreifenden Monologen, die er mit dem ganzen Körper spricht. Besonders hervorzuheben sind allerdings die Auftritte von Jedermanns Gegenspielern: Rasso Steinmann als gold-glänzender Geld-Dämon Mammon, der Jedermann süffisant seine Naivität vor Augen hält und Peter Seitz als Teufel, der in komischer Mephistopheles-Manier nach des Protagonisten Seele giert, füllen ihre Rollen so vollends aus, dass sich ihre kurzen Auftritte positiv vom Rest des Dargestellten abheben. Entgegen der Moral des Stücks, verdienen Geld und Sünde in dieser Inszenierung folglich doch die meiste Aufmerksamkeit.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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