Ausstellung im Jexhof:Mit spärlich gepackten Koffern

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Gelungene Ausstellung am Jexhof über das Schicksal von 23 Geflüchteten und Vertriebenen vom Zweiten Weltkrieg bis heute

Von Florian J. Haamann, Schöngeising

Es sind 23 Schicksale aus verschiedenen Ländern und sieben Jahrzehnten. Doch eines vereint all diese Menschen: Sie mussten ihre Heimat verlassen - weil sie vertrieben wurden, um ihr Leben fürchteten oder keine Perspektive mehr sahen. All diese Geschichten erzählt die Ausstellung "Flucht. Flüchtlinge und ihre Habseligkeiten. Von 1945 bis heute" im Jexhof. Und sie zeigt, welche Gegenstände die Menschen mit auf die Flucht genommen haben und beantwortet damit die Frage: Was erklären Menschen zu ihrem kostbarsten Besitz, wenn sie nur wenige Stunden oder im besten Fall Tage oder Wochen haben, um ihre alte Existenz aufzugeben und damit das eigene Leben zu erhalten? Aufgeteilt ist die Ausstellung in drei Bereiche: Flüchtlinge und Vertriebene in Folge des Zweiten Weltkriegs, Geflüchtete aus der Sowjetunion und Flüchtlinge, die aktuell in der Region leben.

Für jeden der porträtierten Menschen hat das Museum eine Tafel mit Biografie, einem Foto und einer Illustration erstellt. Dazu kommen die Habseligkeiten, die der Betroffene zur Verfügung gestellt hat. Dabei wird schnell deutlich, wie unterschiedlich Fluchtgepäck sein kann: Während die einen vor allem Wäsche und Kleidung einpacken, sind für den anderen seine christlichen Devotionalien unverzichtbar. Wieder andere haben zuerst das Familienporzellan in Sicherheit gebracht oder den eigenen Schmuck.

Wie eine Flucht laufen kann, wenn man etwas mehr Zeit hat, zeigt die Geschichte von Walter Michetschläger, der 1946 aus dem Sudetenland geflüchtet ist und heute in Gernlinden lebt. In einem Interview, das in der Ausstellung zu hören ist, erzählt er, wie seine Familie und Nachbarn Anfang 1946, als klar war, dass die Sudetendeutschen nach und nach zwangsmigriert werden, damit begonnen haben, ihr Hab und Gut über die zehn Kilometer entfernte bayerische Grenze zu schmuggeln. Nacht für Nacht sind sie mit einem Rucksack in ein Wirtshaus gezogen, in dem sie ihre Dinge verstecken konnten. So konnten nicht nur Familienschätze gerettet werden, sondern auch Alltagsgegenstände wie Besteck, Töpfe und Werkzeuge.

Im Kontrast dazu stehen die Geschichten der heutigen Flüchtlinge. Von ihnen sind kaum Exponate zu sehen. "Viele von ihnen haben fast nichts mitgebracht, weil sie meist kaum etwas auf die lange Reise mitnehmen konnten. Und wenn doch, wurde es ihnen abgenommen", erklärt Reinhard Jakob, der Leiter des Museums. Dennoch sind es gerade ihre Geschichten, die aufgrund ihrer Aktualität besonders nahe gehen. Einige der Asylbewerber erzählen in kurzen Videos von ihrer Flucht, Smartphone-Fotografien dokumentieren die "Reise".

Gleich am Eingang der Ausstellung haben die Organisatoren eine Tafel aufgehört, auf der sie die Besucher fragen: "Sie haben eine Stunde Zeit zu packen. Was nehmen Sie auf die Flucht mit?". Und auch hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Menschen heute ihre Prioritäten setzen würden: Von technischen Geräten wie Handy, iPad und Festplatten reicht die Spanne bis hin zur Katze.

Das angenehme an dieser Ausstellung ist, dass sie es schafft, durch die Dokumentation verschiedener Flüchtlingsgenerationen auch ein Bewusstsein für die Lage der heutigen Asylbewerber zu wecken und dabei zu zeigen, dass ihr Schicksal nichts Singuläres ist - dabei aber an keiner Stelle den Zeigefinger erhebt oder moralisch wird.

Ausstellung "Flucht. Flüchtlinge und ihre Habseligkeiten. Von 1945 bis heute" im Jexhof, zu sehen bis zum 6. November.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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