Schöngeising:Hin- und hergerissen

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Yusuf Demirkol, Ercan Öksüz und Yaren Erkul (von links). (Foto: Günther Reger)

Sehenswertes Improtheater-Trio mit türkischen Wurzeln auf dem Jexhof

Von Karl-Wilhelm Götte, Schöngeising

"Spontan getürkt" steht hinten auf den schwarzen Jacken. Natürlich will das Trio "Impro à la turka" mit einigen Klischees aufräumen. "Komm, lass uns in der Badewanne ein Schaf schlachten und den Koran lesen", sagt der Vater zum Sohn. Das Schaf wird natürlich nicht geschlachtet, "sondern zum Jexhof gebracht", wie Ercan Öksüz vergnügt hinzufügt. "Das läuft bei uns unter Non-Klischees", so Yusuf Demirkol, künstlerischer Leiter des Improvisationstheaters.

Das Trio lässt sich durch die überschaubare Besucherzahl nicht beirren. Und so haben die 14 Zuhörer ihren Spaß, bekommen aber durchaus auch Nachdenkliches zu hören. Unterstützt werden Yusuf Demirkol, 42, und Ercan Öksüz, 45, von Yaren Erkul, einer 21-jährigen Studentin. Ihr Genre beherrscht das Trio, die Interaktion mit dem Publikum funktioniert. Zettel der Besucher mit Erklärungen zum Heimatbegriff und zu Heimgefühlen werden eingesammelt. Stichworte wie Berge, fünf Seen oder Wut wurden per Zuruf beim "Freeze"-Spiel aufgegriffen und in die Geschichten eingebaut. Gewollt sind die Absurditäten, die immer bei improvisierten Geschichten herauskommen, wenn auf Nordpol die Begriffe Schwimmbad, Achterbahn oder Viktualienmarkt folgen. Zwischendurch wird im Rollenspiel auch sehr witzig auf Pseudochinesisch und Deutsch im Wechsel parliert.

"Impro à la turka" gibt es seit 15 Jahren. Das Trio betreibt auch interkulturelles Lernen und geht in die Schulen. "Wir wollten es türkisch machen", sagt Demirkol. Dann habe man sich überlegt, dass die deutsche Zielgruppe besser passt. Den Deutschen aus ihrer Sicht den Spiegel vorzuhalten, schafft genau so viel Vergnügen beim Publikum wie überdrehtes Türkisch-Sein samt Klischees. Wenn Demirkol und Öksüz die Türken Murat und Achmed spielen, wird das deutlich. "Achmed, ich komme gleich ins Café, ich muss erst noch meine Frau verprügeln", ruft Murat hinunter. Alle drei können sich gut einfühlen in das Denken der Deutschen, die es gerne nicht so laut mögen.

Offensichtlich ist jedoch: Immer wenn sie türkische Rollen spielen, wirken die Darsteller besonders authentisch und mit einer Extraportion Witz ausgestattet. Dabei ist Demirkol in Bremen aufgewachsen und jetzt im Hauptberuf Sparkassen-Filialleiter in München. Özgüz ist in Fürstenfeldbruck geboren und in Emmering aufgewachsen. "Vor jeden Sommerferien habe ich mich in der Schule von meinen Kameraden verabschiedet", erzählt Yusuf Demirkol. "Wir gehen zurück in die Türkei, das ist unsere Heimat", hatte der Vater gesagt. Nach sechs Wochen waren sie immer wieder zurückgekehrt nach Deutschland. Das Leben zwischen den Welten. Mal hier, mal dort, aber nirgends richtig zu Hause, scheint immer noch das vorherrschende Gefühl vieler Türken zu sein. "Die Mehrheitsgesellschaft hier dominiert", findet Demirkol, und er klingt resigniert: "Die völlige Akzeptanz der türkischen Minderheit lässt sich nicht umsetzen." An diesem Jexhof-Abend ist die freudige Akzeptanz beim Publikum jedoch allemal gesichert.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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