Schöngeising:Das Turmrätsel

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Archäologen vermuten auf der Amperinsel bei Schöngeising Überreste eines römischen Wachpostens. Entfacht wurden die Spekulationen durch Funde in den Neunzigerjahren. Um die Frage endgültig zu klären, müsste dort allerdings gegraben werden - das Denkmalamt lehnt das ab

Von Florian J. Haamann, Schöngeising

Die Diskussion, die zwischen einigen Archäologieinteressierten im Landkreis und dem Landesamt für Denkmalpflege seit Jahrzehnten mal mehr, mal weniger aktiv geführt wird, ist vor allem eine Was-wäre-wenn-Debatte. Die Archäologen, allen voran Kreisheimatpfleger Toni Drexler, gehen davon aus, dass auf der Schöngeisinger Turminsel, wie es der Name nahelegt, Überreste eines römischen Wachturms vergraben sind. Stichhaltige Beweise dafür gibt es nicht, dafür aber einige eindeutige Indizien. Das Landesamt bezweifelt nicht, dass das möglich ist. Aber sollte es so sein, dann ist die Insel ein Bodendenkmal und das, so die Politik der Behörde, wird nicht angefasst. Drexler dagegen würde gerne mit einer kleinen Grabung nach Überresten suchen, um die Turmtheorie zu beweisen.

Einen neuen Anlauf für eine Genehmigung habe man in den letzten Jahren nicht mehr genommen, erklärt Drexler. "Aktuell herrscht da tote Hose. Wir haben vor drei Jahren keine Erlaubnis für einen Suchschnitt bekommen und deshalb auch erst einmal keine neuen Gutachten oder ähnliches angefordert", sagt Drexler: "Wir hinterfragen das im Moment nicht, weil andere Projekte anstehen, die wichtiger sind und die wir nicht gefährden wollen, indem wir wieder mit dem Landesamt diskutieren." Konkret geht es um eine Nachgrabung im Haspelmoor. Dort legen Pollenanalysen nahe, dass das Gebiet wesentlich früher bewohnt war, als man lange angenommen hat, und es damit zu einer der ersten Siedlungen im Südbayern gehört.

Dieser Nachbau eines römischen Limes-Wachturms in der Nähe von Weißenburg zeigt, wie das mögliche Exemplar in Schöngeising ausgesehen haben könnte.

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(Foto: google)

Aus der Luft ist die Schöngeisinger Turminsel mit ihrer Tropfenform gut zu erkennen.

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(Foto: Günther Reger)

Auf der Insel selbst ist von einem römischen Wachturm nichts mehr zu sehen. Archäologen können nur anhand von Funden vermuten darüber aufstellen.

Unbestritten ist, dass das heutige Schöngeising bereits zur Römerzeit besiedelt war und an der Straße von Augsburg nach Salzburg, einer der "Hauptstraßen" der Römer lag. 1992/93 gab es auf der Turminsel bereits Funde, die allerdings zuerst nicht eingeordnet werden konnten. Belebt wurde die Debatte vor drei Jahren durch einen Aufsatz von Berndl Steidl von der Archäologischen Staatssammlung, der in einem Katalog des Jexhofs erschienen ist.

Darin entwickelt Steidl die These, dass die gefundenen Kalkplatten Teil eines großen religiösen Bauwerks, wahrscheinlich eines Grabes, waren. "Wir können durch die Besiedlung davon ausgehen, dass es in der Nähe der Insel ein solches Bauwerk gegeben hat. Als die Grenzen des römischen Reiches bedroht waren, wurde das Grabmal wohl von den Römern abgetragen, zurechtgeschlagen und als Baumaterial für einen Wachturm genutzt, wie es damals zur Sicherung der Grenzen üblich war", sagt Drexler. Wie Steidl schreibt, gibt es zudem Überlieferungen, die besagen, dass die Gemäuer eines Turmes bis zu einem Hochwasser im Jahr 1767 auf der Insel zu sehen gewesen sind. Da es keine Hinweise auf eine mittelalterliche Entstehung gibt, geht er deshalb davon aus, dass es sich um einen römischen Turm gehandelt haben könnte. Und schließlich, ergänzt Drexler, heiße die Insel wohl nicht zufällig schon seit Ewigkeiten Turminsel.

Auch Sebastian Sommer, Abteilungsleiter für Bodendenkmäler beim Landesamt für Denkmalpflege, geht davon aus, dass auf der Insel alleine aufgrund umliegenden Römersiedlung etwas vergraben ist. Schon dadurch wird das Gelände zu einem Bodendenkmal. Zielsetzung seiner Behörde sei es, Bodendenkmäler dauerhaft zu bewahren. "Jede Grabung bedeutet allerdings eine Zerstörung. Es gibt zwar kein generelles Grabungsverbot in Bayern, aber man muss immer überlegen, wie nötig so eine Grabung ist", sagt Sommer. Die Entwicklung der Forschungsmethoden der vergangenen drei Jahrzehnte zeige, wie viele Erkenntnisse bei vergangenen Grabungen verloren gegangen sind. Deshalb glaubt er, dass bei Grabungen in der Zukunft, also in weiteren zwanzig bis dreißig Jahren, wesentlich mehr rauszuholen sei, als es heute möglich ist. "Als Archäologe muss man lernen, sich in Geduld zu üben", sagt Sommer.

Aber nicht nur die Zerstörungen am Denkmal sprechen laut Sommer gegen eine Grabung. "So eine Untersuchung zieht immer auch enorme Folgekosten nach sich. Das Material muss archiviert werden, es bedarf einer wissenschaftlichen Aufarbeitung, bis hin zu einer möglichen musealen Nutzung." Und gerade die wissenschaftliche Auswertung der Funde sei ein großes Problem. "Ich muss den Blick ja immer auf ganz Bayern legen. Und da haben wir jetzt schon 600 bis 650 erzwungene Grabungen im Jahr, die wir auszuwerten haben. Da müssen wir nicht ohne Not weitere Baustellen schaffen". Erzwungen werden Grabungen immer dann, wenn auf einem Bodendenkmal gebaut werden soll, sei es privat oder kommunal. "Wir lagern jetzt quasi schon Material auf Halde. Selbst in Zusammenarbeit mit den Universitäten können wir nicht alles bearbeiten, was da zusammenkommt." Auf absehbare Zeit wird die Frage, ob auf der Turminsel ein römischer Wachturm oder etwas anders oder vielleicht gar nichts stand, wohl erst einmal nicht geklärt werden.

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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