Schöngeising:Bedrohtes Paradies

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Ruth Strähhuber mit einem ausgestellten Rohrdommel-Pärchen. (Foto: Voxbrunnner)

Die Zerstörung von Flora und Fauna an der Amper dokumentiert der Katalog zur aktuellen Jexhof-Ausstellung

Von Peter Bierl, Schöngeising

Viele Menschen sind an und ein wenig auch in der Amper aufgewachsen. So wie Simone Schmid. Sie wurde 1941 geboren und wohnte in einem kleinen Haus nahe am Fluss und Ampermoos. Schmid erinnert sich noch heute an den großen Knall, mit dem die Brücke bei Grafrath im April 1945 gesprengt wurde, als amerikanische Truppen schon am anderen Ufer standen. Ein Jahr später blies ein Sturm das Elternhaus um. Ihre Erinnerungen hat sie in einem Aufsatz zusammengefasst, der den Sammelband zur Ausstellung über die Geschichte und die Geschichten der Amper im Jexhofmuseum einleitet.

Ihr Mann ist ein paar Biegungen weiter flussaufwärts aufgewachsen, berichtete sie bei der Präsentation des Bandes. Sie kämpften für die Wiedervernässung des Ampermoos und dagegen, dass die Betreiber der "Westernstadt" Grafrath ihren Freizeitpark auf die Amper ausdehnten, wo sie Piratenschiffe fahren lassen wollten. Als der Schwarzbau schließlich von Unbekannten abgefackelt wurde, stand die Kripo vor der Tür und verhörte das Paar. In ihrem Beitrag erinnert sie auch an das Schicksal von Wassyl Zhyalük, der von den Deutschen mit 16 Jahren nach Grafrath zur Zwangsarbeit verschleppt worden war. Er lernte in der Amper schwimmen, wurde denunziert, ins KZ Flossenbürg gebracht und 1945 in Haslach im Kinzigtal ermordet.

Spannend ist der Beitrag von Annemarie Strähhuber über die Sagen, die sich entlang der Amper entwickelt haben. Zwar gibt es keine einzige originale Figur wie die Isarnixe oder den Bluatschink im Lech, aber doch etliche Geschichten, die entweder dazu dienten, die Kinder vom Betreten des Ampermoos abzuhalten - wie die Sage vom Gespenst, das dort sein Unwesen treibt - oder in denen Erwachsene ihre Ängste und Sehnsüchte verarbeiteten. In letztere Kategorie gehört die Geschichte vom Wildmoorgeist, der in der Amperschlucht und in der Wolfsgrube bei Grafrath sein Unwesen trieb, weil er zu Lebzeiten Frauen misshandelt hatte. Es gibt Sagen von versunkenen Schätzen, etwa auf der Sunderburg, vom Spuk am Hexenberg zwischen Bruck und Schöngeising oder über den Schimmel vom Giglberg bei Dachau. Strähhuber merkt dazu an, dass diese Erscheinungen meist von Männer handelten, die nächstens vom Wirtshaus heimkehrten.

Einige Beiträge behandeln die Amper als bedrohtes Paradies von Flora und Fauna, die menschlichen Eingriffe, Korrektionen und Regulierungen. So erinnerte Christian Niederbichler, Ramsar-Gebietsbetreuer Ammersee, bei der Präsentation daran, dass sich im Ammergebiet südlich des Sees die wohl weltweit meisten Streuwiesen erhalten haben, die eine ungeheure Vielfalt an Tieren und Pflanzen beherbergen. Oft fragen ihn Leute, ob er mit den Pharaonen zu tun habe, dabei bezieht sich die Bezeichnung Ramsar auf eine Stadt am kaspischen Meer, wo 1971 ein internationales Abkommen zum Schutz von Zugvögeln abgeschlossen wurde.

Der Realschullehrer Dieter Steinhäuser schildert das Emmeringer Hölzl, einen in Oberbayern einzigartigen Flussabschnitt, weil es dort zahlreiche Neben- und Altarme gibt, deren Verlauf sich durch Hochwasser und Trockenheit immer wieder verändert. Ebenso wie in den anderen Beiträgen illustrieren zahlreiche Fotos im Katalog die seltenen Pflanzenarten, die im Hölzl zu finden sind.

Die Vorschläge und Maßnahmen, mit denen die Amper in den vergangenen 150 Jahren malträtiert wurde, hat Richard Müller, Abteilungsleiter im Wasserwirtschaftsamt in München, zusammengefasst. Der Fluss wurde um mehr als 32 Kilometer verkürzt, verlor also fast ein Viertel seiner Länge. Zu den größten Maßnahmen zählte der Umbau bei Esting und Olching um 1936, wo ein weiterverzweigtes Gewässersystem zugunsten eines kanalähnlichen Gebildes verschwand. Die Hochwasserproblematik wurde dadurch nur an die Unterlieger weitergereicht, wie Müller schreibt.

Bis 1950 hatten die Eingriffe dazu geführt, dass das Ampermoos austrocknete, weil das Grundwasser sank. Das Projekt Wiedervernässung fand 2013 mit dem Einbau einer Sohlschwelle bei Grafrath ihren Abschluss. Müller hätte allerdings mindestens erwähnen können, dass es eine Bürgerinitiative um Robert Volkmann aus Inning war, die seit den frühen 1980er Jahren gegen die Ignoranz von Bürgern, Bürokraten und Politikern dafür gekämpft hatte.

Der Band wird komplettiert durch Beiträge über den vermeintlichen Problembiber, dessen Rolle im Naturhaushalt Franz Wimmer vom Landesbund für Vogelschutz betonte, über Mühlen und ihren Einfluss von dem Journalisten Wolfgang Kleinknecht sowie über Flöße und Schiffe auf der Amper von Jürgen Horbach vom Historischen Verein.

Reinhard Jakob, Herausgeber, "Die Amper - Geschichte(n) eines Flusses. Vom Ammersee bis Olching", Band 1, Fürstenfeldbruck 2015, 168 Seiten, 15 Euro. Die gleichnamige Ausstellung ist im Jexhof noch bis 31. Oktober zu sehen.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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