Schöngeising:Bäuerliches Leben

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Hans Machnitzke kennt die Arbeit auf dem Land von früher. Diese Erfahrungen bringt der 83-Jährige in die Museumsarbeit am Jexhof ein. Mittlerweile ist er auch auf Youtube zu sehen

Von Patricia Unterlechner, Schöngeising

Die Pandemie hat auch das Bauernhofmuseum Jexhof bei Schöngeising zur Schließung gezwungen. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. So hat sich das Museum um den digitalen "Jexhof"-Kanal auf Youtube erweitert. Ein Angebot - nicht nur für Kinder -, das die Museumsstücke, ihre Geschichte und damit die Idee des alten Lebens am Hof in kurzen Videos wiederbelebt. Den Einfall dazu hatte Museumsleiter Reinhard Jakob, dem es wichtig ist, dass das Museum präsent bleibt. Für dieses Projekt kam er auch auf Hans Machnitzke zu. Der 83-Jährige ist Vorstandsmitglied des Fördervereins Jexhof und inzwischen seit mehr als zehn Jahren Museumsbegleiter.

Das Wissen und die Erinnerungen von Hans Machnitzke sind besonders wertvoll. Als Kind lebte er auf einen vergleichbaren Hof wie dem Jexhof und lernte dort alles über das bäuerliche Leben. Reinhard Jakob weiß: "Er hat einen ungemeinen Wissensschatz, der darf nicht verloren gehen." Nicht nur bei technischen Fragen zu den Museumsstücken ist der ehemalige Ingenieur eine Hilfe, er kann auch jede Sachgeschichte mit einer Kindheitserinnerung verbinden.

Hans Machnitzke ist Vorstandsmitglied des Fördervereins Jexhof und Museumsbegleiter. Im Bauernhofmuseum des Landkreises bei Schöngeising verbringt der 83-Jährige viel Zeit. Hier ist er im ehemaligen Stall neben einer Holznachbildung eines Arbeitspferdes zu sehen. (Foto: Leonhard Simon)

Als Reinhard Jakob auf ihn zukam, hatte Hans Machnitzke sofort Ideen zu Konzept, Szene, Einstellungen und Text. Mit etwas Hilfe beim Dreh ging dann im Dezember seine erste kleine Sachgeschichte zum Thema Kaffeeröstung online. Für das 1987 eröffnete Bauernhofmuseum ist der Rentner mit all seinem Wissen eine Bereicherung.

1945 kamen der damals siebenjährige Hans Machnitzke und seine Pflegemutter als Kriegsflüchtlinge nach Niederbayern, in ein kleines Dorf in der Hallertau. Für den Buben aus der Stadt Hirschberg im Riesengebirge (Schlesien) war das eine neue Welt. Der Bauer, auf dessen Hof sie unterkamen, hatte eine Tochter, das "Maral". Da er gerne auch einen Sohn gehabt hätte, nahm er Hans unter seine Fittiche, bastelte mit ihm Spielzeug und zeigte ihm die Arbeit auf dem Hof.

1948, im Sommer nach der Währungsreform, kam er einmal ganz offiziell zu Hans' Mutter, in das kleine Zimmer, das sie damals bewohnten. Er fragte bei der Mutter nach, ob sie einverstanden sei, wenn der Bub im Sommer bei der Arbeit auf Feld und Hof mithelfen würde. Zwei Zentner Weizen, zwei Zentner Kartoffeln, 60 Mark und ein neues Gewand sollten der Lohn sein. Damit hatte Hans seinen ersten richtigen Arbeitsvertrag. Erst später, berichtet Machnitzke, habe er aus den Dienstbüchern im Museum diesen klassischen Lohn aus Sach- und Geldgütern richtig verstanden und auch, wie üblich er damals war.

Kamera an: Hans Machnitzke auf einer Kutsche während des Videodrehs. Es filmt Uta Lutz, die zweite Vorsitzende des Fördervereins des Bauernhofmuseums. (Foto: Leonhard Simon)

Hans war noch ein Kind, als der alte Bauer zu ihm kam und sagte: "Wenn du das ,Maral' heiratest, dann kriegst du den Hof." So hatte es sich der Alte vorgestellt. Doch so sollte es nicht kommen.

Der Bub war gut in die Dorfgemeinschaft integriert, alle Kinder lernten dort zusammen bei einem Lehrer. Der Lehrer unterrichtete die Klassen eins bis acht parallel. Das ging so, dass die Stufen eins bis vier Aufgaben in stiller Arbeit erledigten, während die Stufen fünf bis acht unterrichtet wurden - und umgekehrt. Hans Machnitzke sagt, er verdanke diesem Lehrer sein berufliches Vorankommen. Dieser war es, der den Zwölfjährigen fragte, ob er nicht auf die Realschule im nahen Mainburg gehen wolle. Das waren sechs Kilometer und eineinviertel Stunden zu Fuß - später mit dem Fahrrad - plus die Kosten für die Schule. Hans machte die Aufnahmeprüfung und schaffte sie.

Das bedeutete einen Schnitt mit den Dorfleuten. Von den anderen Kindern ging niemand auf die Realschule, sie alle hatten ihre Familien im Dorf. Und von jetzt an hatte Hans wenig Zeit neben der Schule. Der Hans und seine Mutter zogen dann ein bis zwei Jahre später ganz nach Mainburg. Dort gab es sechs Klassen. In den nächsten Jahren beendete er die Schule und ging 1955 nach München, für eine Lehre bei BMW. Er studierte Maschinenbau und in den letzten zwanzig Jahren vor der Rente arbeitete er für MTU Aero Engines, einem Hersteller von Triebwerken für die Luftfahrt.

Für Besucher ist der Jexhof derzeit geschlossen. (Foto: Leonhard Simon)

Aber Hans Machnitzkes Schaffen auf Maschinen und Technik zu reduzieren, wäre falsch. Es ist auch die Malerei, die ihn ein Leben lang begleitete. Schon als Kind malte er gerne. In Bruck kennt man den Maler Hans Machnitzke von Ausstellungen in der Sparkasse, Projekten an Grundschulen und Aquarellkursen des evangelischen Bildungswerks. Erst als er in Rente ging, fand Machnitzke zurück zu seiner Kindheit. Ein Freund vermittelte damals zwischen Reinhard Jakob und Machnitzke und brachte letzteren zum Bauernhofmuseum Jexhof, wo man dringend jemanden suchte, der das alte Leben auf dem Hof noch kannte. Seither gibt Hans Machnitzke, der mit seiner Frau im Westen von Fürstenfeldbruck lebt, Führungen auf dem Jexhof und ist zudem Vorstandsmitglied des Fördervereins. "Er ist sehr beliebt bei den Besuchern und er kann die Dinge toll erklären, sodass sie jeder versteht," sagt Reinhard Jakob über ihn. Machnitzke sagt: "Wenn ich zurückblicke, sehe ich, wie viel Glück ich hatte. Vieles hat sich für mich zum richtigen Zeitpunkt ergeben". Inzwischen sind es seine fünf Enkel, die studieren - einer auch Maschinenbau, mit Praktikum bei BMW.

Auf seine erste Sachgeschichte am Jexhof werden noch weitere folgen. Zum Beispiel über den Rossstall, das Pferdegeschirr und natürlich über Hans Machnitzkes erste Reiterfahrungen auf einer ungesattelten und schwangeren Stute.

© SZ vom 23.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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