Schöngeising:Abschied von der lila Kuh

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Unbequeme Wahrheiten will Rasem Baban mit seinem Konzept vom Geozoo der Biodiversität ansprechen. (Foto: Reger)

Wie im Tierpark Hellabrunn und am Jexhof Umweltbildung funktioniert

Von Erich C. Setzwein, Schöngeising

Kinder kommen in den Zoo, um eine Kuh zu sehen. Und erkennen, dass sie nicht lila ist. Kein Witz, sondern eine Beobachtung, die Rasem Baban häufiger gemacht hat. Baban ist der Direktor des Tierparks Hellabrunn in München und behauptet: "Wir haben den Kontakt zur Natur verloren." Deshalb will Baban, der seit bald zwei Jahren Leiter des Münchner Zoos ist, auf dem Gelände in Thalkirchen eine Anlage bauen, in der gerade Münchner und Menschen aus der Region die Vielfalt des Lebens in ihrer Heimat entdecken können. Diese Vielfalt hat auch einen komplizierten Namen, den der Biodiversität. Darüber und warum Baban den Tierpark Hellabrunn in einen Geozoo der Biodiversität umwandeln möchte, sprach er am Freitagabend zur Saisoneröffnung des Bauernhofmuseums Jexhof bei Schöngeising.

Der Jexhof und der Hellabrunner Zoo - so weit sind diese Einrichtungen gar nicht auseinander. Freilich, exotische Tiere gibt es im Bauernhofmuseum nicht, doch die sind nach Ansicht von Rasem Baban zunächst auch nicht nötig. Der Bildungsauftrag, den sich das Bauernhofmuseum mit seinem Leiter Reinhard Jakob zu eigen gemacht hat, ähnelt doch sehr jenem, den Baban für seinen Zoo in Anspruch nimmt. Zu zeugen, welche Artenvielfalt es noch gibt, welche es einmal gegeben hat und wie sich die Entwicklung fortsetzt, wenn die Menschen jetzt nicht gegensteuern. Denn die Arten verschwinden, nicht nur im Urwald, auch auf den Wiesen und in den Wäldern des Landkreises. Baban würdigt bei der Veranstaltung des Fördervereins die naturpädagogische Arbeit am Jexhof, weil selbst die Kinder im ländlichen Raum immer weniger Kontakt zur Natur hätten.

Es gehöre zu seinen Visionen, sagte Museumsleiter Jakob, die Umweltbildung weiter auszubauen. Zusammen mit Monika Duffner vom Verein Mensch und Natour sei der Jexhof seit 1999 zum Lernort geworden, was sich allein an der erfolgreichen Veranstaltungsreihe der Naturerlebnistage zeige. Stolz zeigte sich Jakob auch über die Zusammenarbeit mit dem Forstamt, mit dem man zusammen den Waldbildungspfad eingerichtet habe. "Das ist institutionalisierte Bildung", nannte es der Museumsleiter. In diesem Jahr soll am Jexhof ein Bienenhaus gebaut werden, und auch ein Hühnerstall ist in Planung. Alles Projekte, an denen die Fördervereinsmitglieder Anteil haben, sei es mit Spenden oder eigener Arbeit. So hat Vereinsvorsitzender Günter Mayr ausgerechnet, dass die Mitglieder 2015 in 1709 Stunden gearbeitet haben mit einem finanziellen Gegenwert von rund 19 000 Euro.

Jexhof und der Münchner Zoo bemühen sich in ähnlicher Weise, Kinder wie Erwachsene über die Folgen des Artensterbens aufzuklären. Das Bauernhofmuseum in kleinerem Maße - etwa mit einem Bienenstock -, der Zoo mit einem größerem: Dem neuen "Mühlbauerndorf" auf drei Hektar Fläche, auf der auch die in Oberbayern heimische, aber vom Aussterben bedrohte Sumpfschildkröte ein Zuhause bekommt. Auch wenn er für das Halten von Eisbären in Hellabrunn oft und scharf kritisiert wird, so will er doch daran festhalten. An dem größten Raubtier der Erde könne man sehr gut feststellen, wie sich der Raubbau auf der Welt auswirke. Zwar heiße es von Eisbären, dass sie am Tag locker 100 Kilometer wandern könnten, doch der 49 Jahre alte Zoodirektor stellte fest: "Kein Eisbär würde freiwillig so weit laufen, er wird dazu gezwungen, weil ihm immer mehr die Lebensgrundlagen fehlen."

Aber wie verschwinden die Arten, welche Zusammenhänge führen dazu, dass immer mehr Urwald zu Ackerland wird, dass Flächen vernichtet oder versalzen oder Wüste werden? Baban vertritt die These, dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion, vor allem die von Fleisch, die Hauptursache für Flächenfraß und Umweltvernichtung ist. Baban versuchte das mit einer ganz einfachen Zahlenübersicht zu belegen: "Damit sich ein Veganer ernähren kann, sind 0,4 Hektar Fläche nötig. Für einen Vegetarier werden 1,4 Hektar Ackerfläche benötigt, und für den Fleischesser 7,3 Hektar." Die 73 000 Quadratmeter seien nicht allein für die Fleisch liefernde Tiere nötig, sondern auch für die Produktion von Tierfutter. Schon jetzt werde für Ackerland viel Fläche vernichtet, und damit die auf ihr lebenden Arten, und bis 2050 sei zu erwarten, dass sich der Bedarf an Ackerfläche verdoppeln werde. Baban appellierte, sich mit solchen Szenarien zu beschäftigten. Baban setzt auf Umweltbildung und meint, die "unbequemen Wahrheiten" im Zoo leichter vermitteln zu können: "Erst wer weiß, was er falsch macht, kann reagieren."

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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