Schneller als die Justiz:Warnschuss für jugendliche Intensivtäter

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Bis ein jugendlicher Intensivtäter vor dem Richter erscheinen muss, hat er oft schon weitere Straftaten begangen. Polizei, Gericht und Kreisbehörde wollen deshalb nun rascher einschreiten.

Ariane Lindenbach

Sie sind jung, oft unter 18, und geraten doch regelmäßig in Konflikt mit dem Gesetz. Jugendliche Intensivtäter, deren Zahl das Jugendamt auf 22 beziffert, begehen mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Straftaten. Um das zu verhindern, starten Jugendamt, Jugendgericht, Staatsanwaltschaft und Polizei im Landkreis spezielle Fallkonferenzen. Das Konzept ist in Bayern einzigartig und könnte Schule machen.

Die Delikte, die jugendliche Intensivtäter begehen, sind vielfältig. Sie reichen vom wiederholten Schwarzfahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln über Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Sachbeschädigungen, Schlägereien bis hin zu Raub und anderen Verbrechen. Oft werden die Taten unter massivem Alkoholeinfluss begangen. Auch das soziale Umfeld spielt eine große Rolle. Nach der Definition des bayerischen Innenministeriums ist ein Intensivtäter jemand, der innerhalb von sechs Monaten mindestens fünf Straftaten begeht und voraussichtlich wieder straffällig wird.

Das Problem am bisherigen System: Der Justizapparat funktioniert langsam. Bis ein Jugendrichter von der jüngsten Tat erfährt, vergehen oft Monate - und der Delinquent hat womöglich schon neue Taten begangen, noch bevor er für die vorherigen verurteilt worden ist.

Mit den in den letzten Monaten entwickelten Fallkonferenzen für jugendliche Intensivtäter soll sich das ändern. Sie sind für Jugendliche und Heranwachsende bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, dem Wirkungsbereich des Jugendgerichts, gedacht. Die beteiligten Stellen von Polizei bis Jugendgericht wollen sich so besser vernetzen. Wenn etwa ein polizeibekannter Straftäter wieder gegen Gesetze verstößt, wird das Gericht - im speziellen Fall Jugendrichterin Anna Kappenschneider - sofort telefonisch informiert. Ziel der Fallkonferenzen ist, so Kappenschneider, "dass wir neue Straftaten verhindern können".

Deshalb werden die Täter, gegebenenfalls deren Eltern sowie bisweilen auch die Schulen eingebunden. Sobald ein solcher Jugendlicher wieder straffällig oder ein junger Mensch in diese Kategorie neu eingestuft werden muss, treffen sich der Staatsanwalt, Werner Mesenzehl von der Jugendgerichtshilfe und der Jugendbeamte der zuständigen Polizeiinspektion bei der Jugendrichterin. Sie tauschen sich über den Betroffenen, seine bisherigen Delikte, die auferlegten Maßnahmen und deren Wirkung aus.

Sie suchen Wege, um den Betroffenen von der schiefen Bahn abzubringen. Ihre Palette an Möglichkeiten reicht von der sogenannten Gefährderansprache durch einen Polizisten bis zu den bekannten Maßnahmen, die das Jugendgericht im Rahmen einer Verhandlung auferlegen kann. Der Unterschied liegt in der schnellen Reaktion und darin, dass der Betroffene einverstanden ist, zum Beispiel einen sozialen Trainingskurs mitzumachen.

"Ganz wesentlich ist an diesem Ansatz, dass man die Eltern und Jugendlichen einbindet. Das gibt es noch nicht so oft in Deutschland", unterstreicht Mesenzehl, der mit Kappenschneider die Idee hatte und das Konzept in Abstimmung mit den anderen Stellen ausgearbeitet hat. Ähnliche Ansätze gibt es dem Sozialpädagogen zufolge in Norddeutschland. Doch auch dort würden nur punktuell die Täter oder ihre Eltern einbezogen. Gerade diesen Punkt hält aber Stephan Dodenhoff, bei der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck zuständig für Jugendliche, für "extrem wichtig". Gerade das soziale Umfeld spiele eine enorme Rolle, um weitere Straftaten zu verhindern.

Eine Gefährderansprache funktioniert mit offizieller Vorladung in die Inspektion, dem Aufzählen sämtlicher Straftaten und ihrer möglichen juristischen Folgen. "Ich mache dem Täter klar, dass wir genau hinschauen bei ihm", ohne ihn stigmatisieren zu wollen, so Dodenhoff. Letztlich geht es darum, und da sind sich alle einig, den jungen Menschen zu helfen.

© SZ vom 26.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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