Scherz mit Schild:Unabhängiges Neu-Esting

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Nicht city-tauglich: die "Fußgängerzone" in Neu-Esting, umgeben von fünf Geschäften. (Foto: Günther Reger)

In dem Olchinger Stadtteil markiert ein Unbekannter eine kleine Freifläche als Fußgängerzone

Von Katharina Knaut, Olching

Europas Unabhängigkeitswelle hat nun auch Olching erreicht. Vierzig Jahre nach der Gebietsreform und der mit ihr zusammenhängenden Zusammenlegung von Olching, Esting, Geiselbullach und Graßlfing rührt sich kommunaler Separatismus. Zwar propagiert Olching auf der städtischen Homepage Einheit. "Trotz aller - zum Teil noch heute aktueller - Kritik an der Gebietsreform, sollte die gemeinsame Geschichte eine gute Grundlage für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen der Gegenwart und Zukunft sein", heißt es dort. Doch in Neu-Esting denkt man in Richtung Unabhängigkeit.

Gemeinsame Geschichte hin oder her, wie ein jüngster Vorfall zeigt, scheint das allgemeine Klima der Unabhängigkeitserklärungen auch in manchem Estinger Sehnsüchte nach der guten alten Zeit zu wecken, als der Verkehr noch moderat und die Ortsteile getrennt waren. Ein Abspaltungsreferendum kommt freilich nicht in Frage. Zu aufwendig, zu teuer, und so hitzköpfig wie die Katalanen ist man in Esting auch nicht. Nein, hier geht man subtiler vor: Oft reicht ja schon eine symbolische Geste. Also versetzt ein Unbekannter das Ortszentrum. Und da man schlecht Kirchen und Rathäuser versetzen kann, macht er das, was man in Deutschland gerne tut: Man stellt ein Schild auf, oder besser gesagt zwei.

Der Platz neben dem Bahnhof in Neu-Esting ist auf diese Weise über Nacht zur Fußgängerzone erklärt worden. Ein Umstand, der in den sozialen Netzwerken Erheiterung hervorrief: "Wie geil ist das denn", heißt da es beispielsweise, oder auch: "Macht Sinn, der Weltmetropole Neu-Esting eine Fußgängerzone zu verpassen. Nach dem kleinsten Kreisel der Welt nun auch die kleinste Fußgängerzone der Welt!" Diesen Titel könnte sie tatsächlich gewinnen. Olchings neuer Ortskern besteht aus exakt fünf Geschäften: einer Backstube, einem Zeitungsgeschäft, einem Tattoo-Studio, einer momentan geschlossenen Eisdiele und einer Sparkasse. Davor liegt ein Platz von der Breite eines Vorgartens und der Länge einer Einfahrt. Immerhin gibt es Parkplätze, in Olching ein Kuriosum.

Doch wie reagiert die Stadt? Folgen nun große Sanktionen gegen Esting, Entzug von Privilegien, Anklagen wegen Rebellion? Nein. Ortspolitiker sind überrascht, nehmen es aber mit Humor. Als Verkehrsreferent Hans Bieniek von der neuen Fußgängerzone erfährt, bricht er in schallendes Gelächter aus. "Das ist zwar ein öffentlicher Platz, aber doch keine Fußgängerzone. Das wäre mir neu!" Auch Jürgen Koller, Geschäftsführender Beamter der Stadt, ist amüsiert. "Man braucht dafür wirklich viel Fantasie. Die Kaufinger sieht jedenfalls anders aus." Ewig währt Estings Glück als neuer Ortskern wohl nicht. Koller kündigte an, die Schilder abzuhängen. Aber noch nicht gleich. "Wir werden uns dem Thema annehmen, aber es ist nicht vorrangig." Auch sonst lässt Olching Gnade walten: Konsequenzen gibt es nicht. Der unbekannte Aktivist sollte aber unbekannt bleiben. Koller: "Es ist besser, wenn wir es nicht wissen. Sonst muss er für die Kosten des Abhängens der Schilder aufkommen."

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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