Schau:Spiel mit Zeit und Raum

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Schemenhaft und wie ein flüchtiger Eindruck wirken die Arbeiten von Dorothea Dudek (links und rechts). Einen ganz anderen Zugang zum Thema hat Brigitte Heintze mit ihren verfremdeten Schautafeln aus den Dreißigerjahren (Mitte) gefunden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Künstlerinnen Dorothea Dudek und Brigitte Heintze zeigen in einer Ausstellung in der Kulturwerkstatt Haus 10 Arbeiten, die sich mit Räumlichkeit beschäftigen. Dabei wird auf beeindruckende Weise deutlich, wie vielschichtig das Thema ist

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Wie flüchtige Gedankenfetzen wirken die Gemälde von Dorothea Dudek, die derzeit in der Kulturwerkstatt Haus 10 zu sehen sind. "Mensch und Raum" lautet der Titel, unter dem sie gemeinsam mit Brigitte Heintze ausstellt. Beide Künstlerinnen nähern sich dem Thema auf höchst unterschiedliche Weise. Während Dudeks Gemälde ganz gezielt mit Unschärfe und bewusst eng gesetzten Bildausschnitten spielen, eliminiert Heintze in einem Teil ihrer gezeigten Arbeiten allzu feine Details und erzielt so eine fast grafische, flächige Wirkung.

In Dudeks Arbeiten ist es nicht nur die Unschärfe, die den Gemälden einen momenthaften Eindruck verleihen. Die Wahl des Bildausschnitts, der teils extreme Anschnitt der Motive, lässt die Gemälde wie Fotografien, ja wie Schnappschüsse wirken. Das Spiel mit der Unschärfe erzeugt bei ihren Menschen-Gemälden nicht nur den Eindruck von Bewegtheit, sondern schiebt sich auch wie ein Filter vor die Augen des Betrachters. Schon dadurch vermittelt Dudek mit ihren Motiven eine spezielle Art von Distanz. Es entsteht der Eindruck, der Betrachter beobachte eine nur schwer greifbare Traumsequenz oder eine schemenhaft festgehaltene Erinnerung. Etwa wenn sie die jugendlichen Züge eines jungen Mannes abbildet, der auf dem Boden liegend und mit halb geschlossenen Augen in die Sonne zu lächeln scheint. Wobei der enge Bildausschnitt kaum einen Rückschluss darauf zulässt, wo genau sich der junge Mann befindet. Die Räumlichkeit erzeugt Dudek hier vor allem durch ein kontrast- und spannungsreiches Spiel von Licht und Schatten, dass sich hart auf die weichen Züge des Mannes legt.

Das Zusammenspiel und die Wirkung von Hell und Dunkel spielen bei Dudek auch in der Abbildung von Räumen und Landschaften eine tragende Rolle. Etwa wenn sie den verschwommenen Blick des Betrachters durch einen lichtdurchströmten Raum lenkt. An dessen Ende gibt ein Fenster den Blick auf ein urbanes Meer aus Dächern frei, auf einen Kirchturm irgendwo in der Ferne vielleicht - nichts ist gewiss. Die Unschärfe lässt immer auch Raum für Interpretationen offen, lädt den Betrachter dazu ein, den Kontext der Bilder selbst zu ergänzen und ruft gerade deswegen immer auch Emotionen wach. Dudeks Arbeiten wirken so auf eine faszinierende Art träumerisch ohne dabei jemals ins Schwülstige abzugleiten.

Völlig anders, aber ebenso reizvoll ist die Weise wie sich Brigitte Heintze dem Thema nähert. Sie arbeitet gerne mit bereits bedrucktem oder bearbeitetem Papier, das sie übermalt, reißt, schneidet, überlagert und so zu einem neuen Werk zusammenfügt. Davon zeugen die von der Künstlerin bearbeiteten ausrangierten Lehrtafeln aus den Dreißigerjahren. Eine der Tafeln etwa zeigt eine Szenerie in der Lüneburger Heide. Durch das Eingreifen, die farbliche Verfremdung und das Übermalen von Details erzeugt Heintze eine Raumwirkung, die sich drastisch von der der ursprünglichen Schautafel unterscheiden dürfte. Die einst lieblichen und verspielten Abbildungen wirken nun grafisch, flächig, teils befremdlich und karg.

In einigen der gezeigten Werke verarbeitet Heintze ihren Finnlandaufenthalt 2016. Auch dafür verwendet sie bereits bearbeitete Papiere, kombiniert sie mit Collage-Elementen, überlagert und schafft grafische Strukturen. Einer ihrer Gemäldezyklen zeigt abstrahierte Ausschnitte organischer Formen und Strukturen, die von der Landschaft Finnlands inspiriert wurden. Auch hier geht der Blick weg vom

Einen eigenen Raum widmet die Künstlerin den "Briefen an ihre Mutter". Darin zeigt sie ihre wohl persönlichsten und auch vielschichtigsten Arbeiten, die nach dem Tod ihrer Mutter entstanden sind. Die Kleinformate bestehen aus zahlreichen Schichten, Materialien, Text- und Bildfragmenten und symbolisieren Assoziationen, Eindrücke und Erinnerungen an die Mutter - losgelöst von Zeit und Raum.

"Mensch und Raum" bis 17. Februar in der Kulturwerkstatt "Haus 10". Geöffnet freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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