Satzungsänderung:Sozialdienst emanzipiert sich

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Die ökumenische Einrichtung in Gröbenzell ändert ihre Satzung, um bei der Einstellung von Personal nicht mehr an die Vorgaben des kirchlichen Arbeitsrechts gebunden zu sein

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Der Ökumenische Sozialdienst von Gröbenzell emanzipiert sich von den Vorgaben des kirchlichen Arbeitsrechts. Es sollen nicht mehr länger Mitarbeiter, aber auch Vorstände und Personen in den Aufsichtsgremien entlassen werden müssen, nur weil sie aus der Kirche ausgetreten oder geschieden und wiederverheiratet sind. Oder weil ihre sexuelle Orientierung nicht den kirchlichen Moralvorstellungen entspricht. Obwohl Vorsitzender Wilfried Bauer Theologie studiert hat und als Religionslehrer tätig gewesen ist, vertritt er einen pragmatischen Standpunkt. Bei der Einstellung von Mitarbeitern einer von christlicher Nächstenliebe getragen Einrichtung komme es in erster Linie auf deren berufliche Qualifikation an, sagt der Vorsitzende. Laut Bauer ist es die Aufgabe des Sozialdienstes, kranken, alten und bedürftigen Gröbenzellern zu helfen. Dafür gelte es "gut geeignetes und empathiefähiges Fachpersonal zu gewinnen", das dazu befähigt sei, mit diesen Menschen umzugehen. In diesem Zusammenhang interessiert es Bauer nicht, welche sexuelle Orientierung jemand habe oder ob er noch Kirchenmitglied sei.

Um nicht mehr an die Vorgaben des kirchlichen Arbeitsrechts gebunden zu sein, hat sich der 1968 von engagierten Christen gegründete Sozialdienst eine neue Satzung gegeben, die sich an der des Germeringer Sozialdienstes orientiert. Nach dieser führt den Verein künftig nicht mehr ein ehrenamtlich tätiger Vorstand, sondern ein hauptamtlicher Geschäftsführer, der das gesamte operative Geschäft verantwortet. Kontrolliert wird die neue Geschäftsführung von einem ehrenamtlichen Aufsichtsrat. Die Diakonie der evangelisch-lutherischen Landeskirche hatte vor allem bezüglich des Personalrechts Änderungswünsche zur neuen Satzung, die laut Bauer nicht berücksichtigt werden konnten. Dies bleibt nicht ohne Folgen. Der Sozialdienst wird deshalb künftig nur noch mit dem Diözesan-Caritasverband München-Freising zusammenarbeiten, aber nicht mehr mit der Diakonie.

Im Gegensatz zur Diakonie zeigte sich die Caritas nämlich kompromissbereit. Sie hat es dem Gröbenzeller Verein ermöglicht, seit 2014 nur noch als assoziierte Organisation, also nicht mehr als Vollmitglied, beim Caritas-Dachverband zu bleiben. Bei einer solch lockeren Anbindung muss der Caritas-Verband nicht mehr der Satzung zustimmen. Trotzdem wird die Angelegenheit noch geprüft. Eine Caritas-Sprecherin kündigte eine Entscheidung bis Ende Juni an. "Wir brauchen diese Organisation für Verhandlungen mit den Krankenkassen", sagt Bauer optimistisch. Die Caritas verhandelt unter anderem mit den Kassen darüber, welche Leistungen diese dem Sozialdienst unter welchen Bedingungen finanzieren.

Die Satzungsänderung erleichtert es dem Verein, auf einem leer gefegten Arbeitsmarkt weiterhin Fachpersonal zu finden, was ein großes Problem geworden ist. Das ist aber nicht der einzige Grund für die Umstrukturierung. Da die Aufgaben des ehrenamtlichen Vorstands zugenommen haben, hält es Bauer nicht mehr für zeitgemäß, die Hauptverantwortung für ein mittleres Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1,3 Millionen Euro und rund hundert Mitarbeitern, von denen 31 hauptamtlich tätig sind, auf ehrenamtlich engagierte Mitgliedern abzuwälzen.

Sowohl die in den Vorstand des Sozialdienstes entsandten Vertreter der katholischen und evangelisch-lutherischen Pfarreien in Gröbenzell, noch die rund 870 Mitglieder des Sozialdienstes, sprachen sich gegen die Änderung der Satzung aus. Widerstand kam nur von der Diakonie. Im Gegensatz dazu hatte der Verband der katholischen Diözesen Anfang Mai angekündigt, sein Arbeitsrecht zu liberalisieren und Schwulen und Lesben mit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie wiederverheirateten Geschiedenen nicht mehr zu kündigen. Das war sowohl von Kommunalpolitikern als auch vom katholischen Dekan von Fürstenfeldbruck, Albert Bauernfeind, begrüßt worden. Der Gröbenzeller Gemeinderat war im vergangenen Jahr mit dem Versuch gescheitert, kommunale Zuschüsse an kirchliche Kindertagesstätten davon abhängig zu machen, dass deren Mitarbeiter nicht mehr nach kirchlichem Arbeitsrecht diskriminiert werden.

Diakonievorstand Tobias Mähner verweist darauf, noch im Austausch mit dem Sozialdienst zu stehen. Die Tür sei noch nicht zugeschlagen. Laut Mähner ist zudem schon jetzt die Mitarbeit von Nichtkirchenmitgliedern in Einrichtungen der evangelisch-lutherischen Kirche möglich, wenn sonst kein Personal zu finden ist. In diesem Bereich sei eine weitere Liberalisierung angestrebt. Andere Ansprüche gelten laut Mähner jedoch für die Führung einer kirchlichen Einrichtung. Der Diakonievorstand hält es für eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass ein aus der Kirche ausgetretener Vorstand oder Vorsitzender nicht eine Institution wie einen Ökumenischen Sozialdienst repräsentieren könne.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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