Rettungswesen:Chefin für sechs Jahre

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Bianca Nierlein ist seit ihrem 14. Lebensjahr bei der Feuerwehr Esting. Nach einer Amtsperiode als Stellvertreterin ist sie nun Kommandantin - die erste in ihrer Heimatgemeinde und im Landkreis

Von Erich C. Setzwein, Esting

Es gibt noch nicht so viele Frauen, die etwas mit einem B-Rohr-Abgang anfangen können oder die Abkürzungen TLF und HLF im Gespräch mit Kollegen und Kolleginnen verwenden. Verständlicher ist da vielleicht der Begriff "Schadensereignis", hinter dem sich vielleicht ein Brandeinsatz verbergen könnte. Oder auch eine aufwendige Rettungsaktion. Bianca Nierlein gehen solche Worte leicht über die Lippen. Eigentlich schon seit 22 Jahren, denn die heute 36-jährige Hauptlöschmeisterin ist, seitdem sie 14 ist, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Esting. Und seit einer Woche ist sie auch die Kommandantin. Die erste in ihrer Heimatgemeinde und im Landkreis.

Dass sie als Frau eine Feuerwehr leitet, betrachtet Bianca Nierlein so, wie man es betrachten sollte: als Selbstverständlichkeit. Deshalb ist das Thema Frauen in der Feuerwehr auch kein Thema mehr für sie. Als sie bei einem Aktionstag der Jugendfeuerwehr einfach mal so vorbeischaute, weil eine Freundin hin wollte, ging die Freundin wieder heim, und Bianca Nierlein blieb. Damals gab es zum Beispiel noch keine Toiletten für Frauen im Feuerwehrhaus, heute ist es das, was es sein sollte: eben selbstverständlich.

In diesem Jahr rückte die Estinger Wehr unter anderem zu einem Küchenbrand aus. (Foto: Matthias Brüggemann, Feuerwehr Esting)

Fasziniert hat die 14-Jährige seinerzeit die Technik, und mit den Jahren ist gerade der technische Bereich umfangreicher und auch ein wenig komplizierter geworden. B-Rohre sind immer noch B-Rohre, aber in den Fahrzeugen stecken viele moderne Werkzeuge und Hilfsmittel, weil die Aufgaben der Feuerwehr aufwendiger und auch technisch schwieriger geworden sind. Die neue Kommandantin hat alle Ausbildungen, die jemand bei der Feuerwehr machen kann, in den vergangenen beiden Jahrzehnten gemacht. Sie hat dadurch auch die gesamte Entwicklung im Feuerwehrhaus und draußen bei den Einsätzen mitbekommen. Sie hat den Rang eines Hauptlöschmeisters und als stellvertretende Kommandantin den Kurs "Leiter einer Feuerwehr" absolviert.

Mit einem leicht einschränkenden "eigentlich" antwortet sie auf die Frage, ob jeder Feuerwehrmann, ob jede Feuerwehrfrau auch alle Fahrzeuge und Maschinen kennen sollte. Nierlein erwartet das von ihrer Mannschaft, die jetzt 69 aktive Mitglieder umfasst, 18 sind weiblich. 17 sind unter 18 Jahre alt und in der Jugendgruppe, worauf die Estinger Feuerwehrchefin schon ein wenig stolz ist. "Die brauchen wir, das ist unser Nachwuchs."

Nierlein ist auch in der Jugendausbildung im Landkreis tätig. Wer, wenn nicht sie, muss wissen, wie sich Heranwachsende fühlen müssen, wenn sie in die Gemeinschaft der Feuerwehrlehrer aufgenommen werden. "Es ist schon sehr familiär", sagt Nierlein, "und das gefällt mir sehr."

Freilich verbringt die 36-Jährige nicht Tag und Nacht auf der Wache an der Estinger Schlossstraße. Tagsüber geht sie in einer großen Münchner Anwaltskanzlei ihrem Beruf nach, dort leitet sie die Buchhaltung. Eine Führungskraft ist sie dort wie in Esting. Als vor sechs Jahren neue Kommandanten gesucht wurden, habe sich niemand um den Posten gerissen. Mit Matthias Brüggemann kandidierte sie, Brüggemann wurde zum Kommandanten gewählt, Bianca Nierlein zu seiner Stellvertreterin. In diesem Jahr nun hörte Brüggemann auf und Nierlein kandidierte erneut. Sie wurde mit großer Mehrheit zur Kommandantin gewählt und amtiert nun sechs Jahre. Als ihr Stellvertreter wurde Michael Körner gewählt.

Was kommt, wissen auch die Feuerwehrleute nie im Voraus. Aber sie sind auf alles eingestellt. Manchmal auch auf Überraschungen, so wie bei einem Einsatz, den Bianca Nierlein bis heute nicht vergessen hat. Als die Wehr zu einem Brand eines landwirtschaftlichen Anwesens gerufen worden sei, habe man sich nicht viel dabei gedacht, erinnert sich die Kommandantin. Als sie mit ihren Fahrzeugen dann über die Palsweiser Brücke gefahren seien, "da ging vor uns die Sonne auf". Heißt nichts anderes als: Es war Großbrand. "Dass uns Pferde entgegenkamen, weiß ich schon gar nicht mehr." Fokussiert auf das Schadensereignis, dass alle zusammen abzuarbeiten hatten, waren alle Einsatzkräfte, dass sich jeder um seine Aufgabe, aber auch um die gemeinsame Sicherheit gekümmert habe.

Bianca Nierlein war sechs Jahre lang Stellvertreterin des Estinger Feuerwehrkommandanten, ehe sie zur ersten Kommandantin einer Feuerwehr im Landkreis gewählt wurde. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Denn "das Team", von dem Nierlein spricht, wenn sie ihre Leute meint, das ist ihr schon sehr wichtig. Dass jeder für seine Aufgabe qualifiziert ist, dass der eine für den anderen übernehmen kann. So zum Beispiel, wenn sie nicht in Esting ist, und ein Zugführer die Verantwortung übernimmt.

Auch wenn Nierlein selbst viel lieber als Atemschutzgeräteträgerin - auch so ein Feuerwehrbegriff, der mit AGT abgekürzt werden kann - neben einem Kameraden in ein brennendes Haus stürmen würde, um Menschen zu retten und das Feuer zu bekämpfen, so wird sie sich von nun an bei den allermeisten Einsätzen auf die Rolle der Kommandantin, also der Koordinatorin und Beobachterin konzentrieren müssen. Das muss sein, könnte ihr aber schwerfallen.

119 Mal ist die Feuerwehr Esting übrigens im vergangenen Jahr ausgerückt, "ein eher durchschnittliches Jahr", wie es im Jahresbericht heißt. Den hat Bianca Nierlein gleich nach der Kommandantenwahl selbst geschrieben, die Verwaltungsarbeit wird sie auch weiterhin in ihrem neuen Job begleiten. Dafür nimmt sie sich auch gerne Zeit, "weil es notwendig ist". Als Single muss sie nicht Zeit für Mann und Kind opfern, gerne aber für ihre Freunde, die sie aber ohnehin nicht viel sehen - wegen der Feuerwehr.

TLF: Tanklöschfahrzeug; HLF: Hilfeleistungslöschfahrzeug; B-Rohr: Die Größe B steht für einen Druckschlauch, mit dem Löschmittel gefördert werden, im Unterschied zum C-Schlauch und C-Rohr für den Löschangriff. Weitere Informationen zur Feuerwehr Esting, insbesondere zur Jugendarbeit unter www.feuerwehr-esting.de.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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