Germering:Erst erziehen, dann bilden

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Christoph Breuer (rechts), Leiter der Realschule Unterpfaffenhofen, geht in den Ruhestand. Carsten Wibranski leitet die Schule zunächst kommissarisch. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Christoph Breuer, Leiter der Realschule Unterpfaffenhofen, geht in den Ruhestand.

Von Karl-Wilhelm Götte , Germering

Die Realschule Unterpfaffenhofen (RSU), die im Westen Germerings angesiedelt ist, ist ohne den langjährigen Schulleiter Christoph Breuer kaum vorstellbar. Doch Breuer, der bald 65 Jahre alt wird, verabschiedet sich nach 17 Schulleiterjahren in den Ruhestand, so gut er kann. Insgesamt 23 Jahre hat er an der RSU verbracht. die eindeutige Reihenfolge seines Lehrerauftrags sieht es so: "Erstens die Schüler erziehen. Dann sie bilden."

Das gestaltete sich eher schwierig, als die bayerischen Realschulen noch bis zum Jahr 2000 erst ab der siebten Klasse besucht werden konnten. Dann kam der Realschulbesuch von der fünften Klasse an. "Erstmals haben wir damals Kinder bekommen, keine vorpubertären Jugendlichen", sagt Breuer. Er klingt noch immer erleichtert über diese Änderung.

Doch "Unterrichtsstörungen", wie der scheidende Rektor das Hauptproblem nennt, hörten natürlich nicht auf. Als probates Mittel dagegen erwies sich der "EVA-Raum". "Eigenverantwortliche Verhaltensänderung" heißt die Abkürzung ausgeschrieben. Der EVA-Raum ist keine Art Gefängnis, sondern dort wacht eine Lehrerin oder Lehrer und beschäftigt sich mit der Schülerin oder dem Schüler, der zum Beispiel im Unterricht ständig die Lösung ins Klassenzimmer schreit und dann in diesen Raum verwiesen wird.

"Der Schüler muss aufschreiben, was vorgefallen ist", erläutert Breuer, dann werde das mit dem dortigen Lehrer besprochen. Gebe es eine Verständigung über das zukünftige Verhalten des Schülers, dürfe er zurück in den Unterricht. Prinzipen sind: Jeder Schüler hat das Recht ungestört zu lernen, der Lehrer muss ungestört unterrichten können.

Die Mitschüler sind meist erleichtert, wenn ein "Störenfried" sein Verhalten ändert.

Dazu kommt, dass die Schüler für sich selbst verantwortlich sind. Die Reaktion der Mitspieler ist "positiv", sagt Breuer. "Na endlich", sagten die meisten Mitschüler erleichtert, wenn ein "Störenfried" in Obhut genommen und zur Verhaltensänderung animiert werde. Nach dem Lehrergespräch kann der betroffene Schüler zurück in den Unterricht gehen. "Das hat sich bewährt." Breuer berichtet, dass schon mal fünf, sechs Schüler gleichzeitig im EVA-Raum sein mussten. Krisengespräche mit den Eltern gibt es, wenn ein Schüler oder eine Schülerin zwei, dreimal pro Woche auffällig wird.

Breuer ist in München-Pasing geboren und hat dort am Karls-Gymnasium das Abitur abgelegt. Das war gar nicht so einfach für ihn. "Ich war Legastheniker", berichtet er. "Viel üben und nochmals üben", war in den Sechzigerjahren die Parole, die sich der Gymnasiast damals zu Herzen nahm. Eine Art Bonus wie heute gab es noch nicht. Die Umstellung des Linkshänders aufs "schöne Händchen" habe seine Mutter verhindert.

Breuer studierte Kunst und Englisch für das Realschul-Lehramt in München. Er war zunächst Lehrer in Mering und dann fünf Jahre im Kultusministerium tätig. 1999 kam er an die RSU als stellvertretender Schulleiter. Die damalige Rektorin Marianne Brunner musste er häufiger vertreten, weil diese als Stadträtin in München oft verhindert war. Im Januar 2006 wurde Breuer offiziell ihr Nachfolger. Mit dem R6 stieg die Schülerzahl rapide an - von 350 auf etwa 850 heute.

Stellvertreter Wibranski leitet die Schule kommissarisch

Breuer verlässt zufrieden seine langjährige berufliche Tätigkeit. Eingesetzt hat er sich immer für eine "angstfreie Schule". Auch die zwei Coronajahre verliefen ihm zufolge glimpflich. "Wir haben im Homeoffice Unterricht nach Stundenplan gemacht", erzählt der scheidende Schulleiter. "Das haben wir relativ gut gemanagt." Trotzdem habe man täglich 30 bis 40 Schülern hinterher telefonieren müssen, die beim Home-Schooling abgängig waren. Breuers Nachfolger oder Nachfolgerin steht noch nicht fest. Carsten Wibranski wird als sein Stellvertreter die Schule bis auf weiteres kommissarisch leiten.

Nach einiger Erholungszeit wird sich Breuer seiner Leidenschaft - dem Fahrradfahren - wohl noch ausführlicher widmen, ehe er sich sozial engagieren möchte, vielleicht bei der Tafel. "Doch erst einmal radeln meine Frau, die als Lehrerin ebenfalls in Pension geht, und ich von München nach Paris", kündigt Breuer an. Damit wird er seine bisherigen 53 000 Radkilometer ohne E-Bike noch erheblich toppen.

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