Puchheim:Von schweren Türen und unüberwindbaren Treppen

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Beim ersten Rolli-Treffen im Puchheimer Wohnpark Roggenstein tauschen sich die Betroffenen über ihre Erfahrungen aus. (Foto: Günther Reger)

Beim ersten Rolli-Treffen in Puchheim kommen viele Widrigkeiten des Alltags zur Sprache

Von Verena Niepel, Puchheim

Etwas verspätet kommt Maria Wesolowski in ihrem elektrischen Rollstuhl in den Gemeinschaftsraum des betreuten Wohnens in Puchheim gefahren. Die Besucher des Rolli-Treffs, der am vergangenen Samstag das erste Mal stattfand, drehen sich zu ihr um und grüßen freundlich - Maria ist ein bekanntes Gesicht. Sie wohnt, wie ein paar andere der Runde auch, im betreuten Wohnen und war neugierig darauf, was es zu bereden gibt beim Rolli-Treff. Sie selbst kennt die Hindernisse im Alltag, die sie mit ihrem Rollstuhl bewältigen muss nur zu gut. Deswegen freute sie sich, dass der Behindertenbeirat dieses Treffen organisiert hatte. Der zweite Bürgermeister, Rainer Zöller, war auch anwesend. Bei Kaffe und Kuchen wurde diskutiert. Der barrierefreie Umbau des S-Bahnhofs war das Thema, bei dem jeder etwas zu sagen hatte, doch für Maria Wesolowski gibt es auch viele andere Probleme in ihrem alltäglichen Leben.

Besonders ärgerlich ist es, wenn sie zur Post muss. Auch ohne Behinderung gehört der Gang zur Post für viele nicht zur Lieblingsbeschäftigung. Doch für Maria ist es schlichtweg unmöglich, mit ihrem Rollstuhl ihre Pakete im Schreibwarenladen abzuholen. Denn es gibt nur einen Treppenaufgang. Bevor sie jemanden um Hilfe fragt, versucht sie mit dem Stock die Stufen zu erklimmen - die Gefahr zu stürzen, ist dabei groß. "Selbstbestimmtes Leben, kann nicht daraus bestehen, andere Leute zu fragen", bekräftigt Richard Ullmann, der Vorsitzende des Behindertenbeirats..

Wohnhäuser, Gehwege oder Serviceeinrichtungen wie Ärzte und Postämter sollten von Anfang an so gebaut sein, dass sich Probleme für Behinderte gar nicht erst ergeben. Doch die Stadt wird oft von gesunden Menschen gestaltet und die nehmen Hindernisse im Alltag meist nicht wahr. Es müssen daher auch Betroffene bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. So werden zum Beispiel auch geringe Schrägen im Gehweg schon zur Hürde, eine Kleinigkeit, die ein gehender Mensch nicht bemerken würde. Auch schwere Türen sind ein Problem für Schwache, Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Kinderwagen. Ein Mitglied des Beirats erzählt von der ausweglosen Situation einer 40-jährigen Frau mit Multipler Sklerose. Sie kann alleine nicht aus ihrer Neubau-Wohnung in Puchheim raus, weil die Tür zu schwer ist. Der Behindertenbeirat erkundigte sich, eine leichtere Tür wäre nicht teurer gewesen. Der Bauherr hatte nur nicht daran gedacht, dass ein Behinderter Schwierigkeiten damit haben könnte.

Ein weiterer skurriler Fall ereignete sich am Olchinger See. Eine ältere Dame, die ohne eine Stütze sehr wacklig auf den Beinen ist, hat die Stadt gebeten, einen Handlauf an den See zu bauen, damit sie schwimmen gehen kann. Daraufhin hatte jemand guten Willens ein Geländer gebaut, mit dem die Dame gerade so weit in den See gehen konnte, das ihre Füße mit Wasser benetzt waren. Noch größer war ihr Ärgernis darüber, dass statt einem schmalen Handlauf ein dicker Holzstamm zum Festhalten verwendet wurde, den sie nicht umfassen kann. Rainer Zöller versprach einige Punkte, die in der Stadt angegangen werden können, sofort zu bearbeiten.

Auch er war bislang zu wenig dafür sensibilisiert, was es heißt, gehbehindert zu sein, gab er zu. Rollstuhlfahrerin, Maria Wesolowski ist zufrieden. Sie hofft, das bald Lösungen gefunden werden, dann hätte sie wieder mehr Kraft und Zeit, um ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: dem Singen.

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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