Puchheim:Vom Leben nach dem Tod

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Nachdenklich: Pfarrer Markus Ambrosy ist vertieft in den Liedtext "Komm, schwarzer Vogel" von Ludwig Hirsch in der Ausstellung. (Foto: Günther Reger)

Die Ausstellung "Und was kommt danach" im Gemeindezentrum der evangelischen Auferstehungskirche in Puchheim beleuchtet die Vorstellungen diverser Religionen und Epochen vom Jenseits. Dabei zeigt sich, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind

Von Ariane Lindenbach, Puchheim

"Alles Wachsen ist ein Sterben, jedes Werden ein Vergehen, alles Lassen ein Erleben, jeder Tod ein Auferstehen." Dieses nachdenklich stimmende Sprüchlein von Rabindranath Tagore steht auf einer Todesanzeige, die mit vielen weiteren dieser Tage im Gemeindezentrum der evangelischen Auferstehungskirche in Puchheim zu sehen ist. Wie jedes Jahr im November - dem Monat, der normalerweise grau, kalt und schmuddelig ist und an die Vergänglichkeit erinnert wie kein Zweiter - gibt es in den Räumen an der Allinger Straße eine Ausstellung zum Tod. Dieses Jahr lautet das Thema "Und was kommt danach?" Wie jedes Jahr seit ihrem Beginn vor fünf Jahren konzipiert Wolfgang Wuschig diese Schauen. Sein Hobby, das Sammeln von Todesanzeigen, hat ihn in diese Position gebracht.

Und so sind all die Traueranzeigen, Gedichte und Bilder über den Tod sowie Zitate Prominenter zu ihrer Vorstellung über das Danach sowie die vielen Bücher und Zeitschriften allesamt im Besitz von Wuschig. Der 66-Jährige sammelt derartiges seit er vor 15 Jahren mit seiner Frau in Kassel das Museum für Sepulkralkultur besucht hat, wie er erzählt. Da er sich schon lange für Astronomie interessiert und die Jahrtausendwende den "Ablauf der Zeiten" , also Zukunft wie Vergangenheit, stärker in sein Bewusstsein gerückt habe, sei der Besuch für ihn damals naheliegend gewesen. "Das war damals der Anschuss zum Sammeln", erinnert sich der gelernte Ingenieur für Nachrichtentechnik.

Für den Hausherren, Pfarrer Markus Ambrosy, ist es ein Herzensanliegen, im Monat November die Vergänglichkeit und den Tod zu thematisieren. Der Monat eignet sich dafür nicht nur wegen seiner normalerweise sehr passenden Witterung, auch im Kirchenjahr wird er mit Allerheiligen, Allerseelen oder dem Totensonntag in den Fokus gerückt. Im Vorjahr habe sich die Ausstellung dem Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gewidmet. Auch hierzu lieferte Wuschig entsprechendes Material. "Dieses Jahr, dachte ich mir, wäre mal dran, was kommt danach", erklärt Ambrosy die Themenfindung. Wobei er sich nicht als alleinigen Ideengeber sieht. Die entwickle sich in den Gesprächen mit den Gemeindemitgliedern. Überhaupt spürt der Geistliche in den Gesprächen mit den Gläubigen, die nur zu einem Teil Protestanten sind und die zu einem wachsenden Teil anderen Glaubensrichtungen oder gar keiner Konfession angehören, "dass die traditionellen Ideen nicht mehr tragen". Die Kirche müsse sich auch mit anderen Religionen und Sichtweisen auseinander setzen, wenn sie für die Menschen authentisch bleiben wolle, sagt Ambrosy.

Und so findet sich im Flur und im Saal des Gemeindezentrums neben den Traueranzeigen auch Erläuterungen dazu, welche Vorstellungen andere Religionen zum Danach haben. Der Besucher entdeckt etwa süber die "Scheol", die Schattenwelt im früheren Judentum , die "Berzah", die Zwischenwelt, in der Moslems bis zum Jüngsten Gericht verweilen müssen, und das "Nirwana" der Buddhisten. Der Vergleich zeigt, dass die verschiedenen Glaubensrichtungen viel gemeinsam haben - zumindest was das Dasein nach dem Tod betrifft. Das untermauert auch eine Darstellung auf Papyrus aus dem alten Ägypten; sie hängt mit anderen Bildern zum Thema aus verschiedenen Epochen im Gemeindesaal und belegt, dass schon alte Ägypter sich eine Art Jüngstes Gericht vorstellten: Das Herz eines Verstorbenen wird auf eine Waagschale gelegt, auf der anderen liegt eine göttliche Feder.

Fotos ungewöhnlicher Grabsteine, darunter ein mannshoher Engel, Witze zum Jenseits sowie Zitate von Prominenten, darunter Margot Käßmann und Reinhold Messner, ergänzen die Sammlung. Die verstorbene Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross, die als Begründerin der Sterbeforschung gilt, sagt da etwa: "Sterben ist nur ein Umziehen in ein schöneres Haus."

Wie viele Bücher und Zeitschriften zum Tod der inzwischen im Ruhestand lebende Gemeinderat Wuschig bereits gesammelt hat, wie viele Ordner voll mit ausgeschnittenen Traueranzeigen - geordnet nach Sprachen, Religionen, Namen und anderen Kriterien - in den Regalen stehen, das vermag er nicht zu sagen. "Ich habe sie noch nicht gezählt", sagt er nur. Jedenfalls genug Material, um damit die fünfte Ausstellung zu bestücken. Seine Frau sehe in seiner Leidenschaft "nicht den höheren Wert", doch für ihn selbst sei sie eine Bereicherung. Wie er erzählt, hat es ihn selbst überrascht, dass er mit seinem Hobby nicht alleine ist. Mit einem Mal habe er immer mehr Leute entdeckt, Fremde wie Bekannte, die sich mit dem Tod befassen. "Ein Thema, auf das ich noch gekommen bin, ist der Totentanz", auch darauf sei er erstmals in Kassel aufmerksam geworden. Aber auch Friedhöfe sind für Wuschig "eine Kulturstätte", die viel zu erzählen hat über die Menschen und ihren Umgang mit den Verstorbenen und dem Tod. Und eigentlich, so erinnert er sich, kennt er die von klein auf. Früher, als Kind, habe er Mutter und Großmutter zur Grabpflege begleitet. Vielleicht war das ja schon der Startschuss für sein Hobby.

Die Ausstellung "Was kommt danach" im Gemeindezentrum der evangelischen Auferstehungskirche in Puchheim (Allinger Straße 24) ist noch bis zum Ewigkeitssonntag, 22. November, zu sehen. Die Räume sind montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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