Puchheim:Unausweichliches Ende

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Der Tod kann auch seine witzigen Seien haben, wie Wolfgang Wuschig in seiner Ausstellung zu vermitteln versucht. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wolfgang Wuschig zeigt Werke zur Sepulkralkultur

Von Franziska Schmitt, Puchheim

"Darf man das, angesichts von Krankheit, Sterben und Tod Witze reißen, lachen? Ist das in dieser tragischen Situation nicht pietät- und würdelos?" Diese Fragen wirft Stadtrat Wolfgang Wuschig mit seiner diesjährigen Ausstellung im evangelischen Gemeindezentrum auf. Zu sehen sind eine Auswahl an Cartoons, Karikaturen, Zeichnungen und Bildergeschichten, sowie Zitate und Witze aus seiner Sammlung zur Sepulkralkultur, der Kultur des Sterbens, des Bestattens und Trauerns. Ein Angebot an seine Mitbürger, sich mit der menschlichen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. Es ist bereits die zehnte Ausstellung, die er zu diesem Themenbereich entworfen hat.

"Der Tod ist für uns alle unausweichlich. Er ist schließlich Teil des Lebens", sagt Wuschig. Seiner Beobachtung nach werden Sterben und Tod in der Gesellschaft tabuisiert und verdrängt. Man wolle schlichtweg nicht darüber reden, stellt er fest. Dass es sich dabei um ein nicht ganz einfaches Thema handele, sei ihm bewusst, denn von einem geliebten und vertrauten Menschen Abschied zu nehmen, sei ein schmerzhafter Prozess. Dabei dürfe man sich auch an die schönen Momente, in denen man gemeinsam gelacht habe, erinnern. Auch sie seien Teil des Gedenkens. Dabei hat er vor Augen den Brauch des Leichenschmauses. "Kinder rennen durch die Gegend, spielen Fangen. Währenddessen lassen die Erwachsenen das Leben des Verstorbenen Revue passieren. Dabei kommt es schon zum ein oder anderen Lacher", sagt er und beschreibt den bayerischen Brauch. Lachen - das entspanne und könne dem Trauernden über das ein oder andere Tief hinweghelfen. Dazu verweist Wuschig auf den Gräfelfinger Religionswissenschaftler und Humorforscher Harald-Alexander Korp. Dieser schreibt: "Humor bedeutet mehr und ist etwas anderes als lustig zu sein. Humor heißt, sich immer wieder an die unterstützende Kraft von Lachen und Freude zu erinnern, sie wertzuschätzen und einzusetzen." Wuschig ist der Meinung, dass Humor bei Trauerarbeit unterstützen kann. So gehöre das Lachen für ihn ebenso zur Trauerkultur wie das Weinen.

Über das Visuelle möchte Wuschig sein Interesse mit dem Besucher teilen. Die ausgewählten Werke stammen unter anderem von bekannten, deutschen Karikaturisten und Cartoonisten, wie Freimut Woessner, Martin Perscheid, Piero Masztalerz und Michael Holtschulte. Auf einer Karikatur Woessners ist ein Schaufenster zu sehen. Zu beiden Seiten stehen zwei Männer in dunklen Nadelstreifenanzügen und mit Aktentasche in der Hand. Eine dritte männliche Person scheint, als schlendere sie gemütlich im blauen Jeanslook an den anderen beiden vorbei, gleich zum linken Bildrand hinaus. Die Dekoration des Schaufensters erinnert mit seinen schweren, vielleicht auch schon leicht verfärbten Vorhängen im Hintergrund und den Palmzweigen auf der Fensterscheibe an ein Bestattungsunternehmen. Ausgestellt auf lila Untergrund sind zwei Urnen und ein weißes Gewand. Es ist deutlich ausgewiesen als "das weiße Hemd". Seine Besonderheit: "jetzt mit Taschen" steht auf der Fensterfront geschrieben- und zwar "neu" und "nur bei uns".

Einige Künstler hätten sich durchaus über das Interesse seinerseits gefreut. Andere habe er erst noch von der nicht-kommerziellen Verwendung überzeugen müssen, denn einige finanzieren sich schließlich damit ihren Lebenserwerb. Darüber hinaus verrät Wuschig bereits, dass es zwei Bildgeschichten zu entdecken gibt. Darunter ist die Geschichte "Ente, Tod und Tulpe" des beliebten und mit mehreren Preisen ausgezeichneten Illustrators und Kinderbuchautors Wolf Erlbruch. Der Kunstmannverlag hat ihm für diesen Zweck die entsprechenden Druckdateien zukommen lassen. So möchte er nicht nur Erwachsene ansprechen, sondern auch Kindern einen Zugang zum Thema Tod und Sterben verschaffen.

Den Anstoß für sein ungewöhnliches Interesse gab sein erster Besuch im Museum für Sepulkralkultur in Kassel, sowie seine Beobachtungen von Werden und Vergehen in der Natur. Seitdem hebt Wuschig die Todesanzeigen aus den Zeitung auf. Diese waren Gegenstand seiner ersten Ausstellung 2011. Aus Radio und Zeitung bekommt er immer wieder Inspiration für neue Auseinandersetzung rund um die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens. Manche Ideen wüchsen über die Zeit zu eben diesen Ausstellungen heran. So habe auch das Thema der diesjährigen Ausstellung ihn schon länger begleitet, erklärt er. Angesicht der Präsenz der Corona-Pandemie in diesem Jahr habe er noch einmal überlegen müssen: "Passt das in diese Zeit? Humorvoll mit dem Sterben umzugehen?" Wie aus seiner Ankündigung hervorgeht, überlässt er es dem Betrachter selbst, diese Fragen zu beantworten.

Die Ausstellung zum Thema Tod und Sterben in Cartoons und Karikaturen, Zeichnungen und (Kinder-) Bildergeschichten ist von bis Sonntag, 1. November, bis Sonntag, 22. November, im evangelischen Gemeindezentrum, Allingerstraße 24, zu sehen. Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr sowie am Wochenende von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 29.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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