Puchheim:Streicheln oder schlachten

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Der Mensch pflegt ein ambivalentes Verhältnis zum Tier: Einerseits hätschelt er es als Hausgenossen, andererseits isst er gerne Fleisch. Eine Podiumsdiskussion der Puchheimer SPD widmet sich diesem Zwiespalt

Von Ingrid Hügenell, Puchheim

Unter dem Titel "Streichelzoo und Schlachthof" ist kürzlich bei einer Podiumsdiskussion der Puchheimer SPD das Verhältnis zwischen Mensch und Tier verhandelt worden. Das sind zwar keine originär kommunalen Themen, die Veranstaltung ist aber dennoch Teil des Wahlkampfs. Es moderiert Norbert Seidl, der amtierende Bürgermeister von Puchheim, der sich erneut um das Amt bewirbt. Auskunft geben sollen Kerstin Fannasch, Vorsitzende des Tierschutzvereins "Pfotenhelfer" in Puchheim, Michaela Höfel vom Puchheimer Unglert-Hof und Nadine Steinmetz, SPD-Stadtratskandidatin aus Puchheim. Mit ihnen nimmt Florian von Brunn in einem der roten Sessel Platz. Der Landtagsabgeordnete ist Verbraucherexperte der bayerischen SPD. Knapp 20 Zuhörer sind gekommen.

Weil so ziemlich alle Themen, die mit Tieren zu tun haben, in den Abend hineingepackt werden, bleibt der Meinungsaustausch an der Oberfläche. Zunächst geht es um das Wohl von Nutztieren. Von Brunn und Michaela Höfel erklären die heutigen Zustände in der Landwirtschaft mit der Politik seit den Sechzigerjahren. Sie habe dazu geführt, dass viele Höfe aufgeben mussten, auch weil der Bauernverband den Landwirten die Ideologie des Wachsens "ans Herz gelegt" habe, wie Höfel es ausdrückt. Der Unglert-Hof mit seinen Schafen, Schweinen und Rindern in Weidehaltung könne nur durch Direktvermarktung überleben, erklärt die Hoferbin. "Wir bedienen eine Nische." Woher das Fleisch auf dem Teller komme, werde zu wenig hinterfragt. "Viele wollen gar nicht wissen, wie die Tiere leben und wie sie geschlachtet werden." Sie kenne Leute, die dreimal am Tag Fleisch äßen. Das könne man sich nur leisten, wenn man Billigware kaufe.

Wie geht man mit Tieren um? Diese Frage versuchen (von links) Florian von Brunn, Michaela Höfel, Moderator Norbert Seidl, Nadine Steinmetz und Kerstin Fannasch zu beantworten (Foto: Carmen Voxbrunner)

Anders handhabt es Nadine Steinmetz, die regionales Bio-Fleisch kauft, obwohl sie als alleinerziehende Mutter einer Tochter nicht über viel Geld verfügt. "Wir brauchen nicht die Massen an Fleisch", sagt sie. Von Brunn bringt Änderungen im europäischen Binnenmarkt ins Spiel. Vor allem müssten sich die Bauern besser organisieren und ihre Marktmacht stärken.

Auf der anderen Seite gebe es eine "Emotionalisierung" und "Overprotection" von Haustieren, sagt Seidl. Er thematisiert das unter dem Titel "Streichelzoo". Tierschützerin Kerstin Fannasch berichtet zunächst von verwahrlosten Tieren, Menschen, auch Kindern, die sie und ihre Helfer in Wohnungen im Landkreis schon angetroffen hätten. Tiere hätten "nicht so viele Rechte, wie ich mir das wünschen würde". Haustiere seien Familienmitglieder. Von Brunn ergänzt, im Grundgesetz sei der Tierschutz als Staatsziel genannt, gleichzeitig gälten Tiere juristisch aber noch immer als Sache.

Es geht dann noch um Tiere, die ganzjährig auf der Weide sind, was viele Tierrechtler forderten, wie Höfel sagt. Andere Menschen glaubten, die Tiere würden im Winter frieren. Das sei aber nicht der Fall, Schafe zum Beispiel hätten ja ihr Fell. Fannasch spricht sich für die Kastration aller freilaufenden Katzen aus, was ziemlich teuer sei, weshalb die öffentliche Hand es finanziell fördern solle. Höfel erläutert die Probleme vieler Bauern mit Hunden, die durch Felder laufen, und ihren Besitzern, die den Kot zwar aufsammeln, dann aber die Plastiktüten in die Wiese werfen würden.

Die meisten Menschen pflegen ein sehr emotionales Verhältnis zu Haustieren. (Foto: Marco Einfeldt)

Einigkeit herrscht darüber, dass der Staat Tierheime fördern müsste. Von Brunn weist darauf hin, dass Wildtierauffangstationen gar kein öffentliches Geld bekämen, weil sie die Tiere nicht vermittelten. Schnell ist Moderator Seidl nun bei den Saatkrähen, die in Puchheim eine große Kolonie haben. "Überschützen wir die?", fragt er. Von Brunn weist auf das dramatische Artensterben hin, von zu viel Naturschutz könne keine Rede sein. Deutschland sei sehr dicht besiedelt, zwischen all den menschlichen Siedlungen und landwirtschaftlichen Flächen gebe es kaum Platz für Tiere, was zwangsläufig zu Konflikten führe. Die von Seidl befürchtete Zuwanderung von Wölfen nach Puchheim werde es so schnell nicht geben, sagt von Brunn: "Davon sind wir weit entfernt." Präventionsmaßnahmen hält er für sinnvoller als einen Abschuss der streng geschützten Tiere.

Dann sind die Zuhörer dran. Sie sollen mithilfe von Legosteinen einem von drei Statements zustimmen, die auf Tafeln gedruckt sind: "Hunde sind die besseren Menschen - Haustiere haben eine wichtige soziale Funktion" heißt es da. "Esst mehr Heuschrecken - wir müssen unsere Ernährung vom Fleisch wegbringen" und schließlich: "Bauer sucht Respekt - ich bin für ein faires Zusammenarbeiten mit der Landwirtschaft". Die meisten stimmen für die Bauern. Eine Frau erklärt, ihr gehe es darum, dass die Landwirte "natürlicher" arbeiten. Alle, die Biobauern werden wollten, solle man unterstützen.

Viele wollen gar nicht wissen, wie Nutztiere wie zum Beispiel Schweine leben. (Foto: Aaron Favila/dpa)

Einige wenige stimmen für die Heuschrecken. Es sei ihr allerdings darum gegangen, dass man weniger oder kein Fleisch essen solle, erklärt eine junge Frau, Heuschrecken seien für sie keine Alternative. Seidl muss sich von ihr und Fannasch darauf hinweisen lassen, dass es sich bei Heuschrecken um Tiere handelt und man natürlich Fleisch isst, wenn man sie verspeist. Der Bürgermeister will schließlich noch an die Verbraucher appellieren, durch geringeren Fleischkonsum die Massentierhaltung zu stoppen. Von Brunn sieht dagegen die Politik in der Pflicht, die ein Tierschutzlabel einführen müsse, damit die Verbraucher sehen könnten, was sie kaufen. "Bei der Eierkennzeichnung hat das auch funktioniert." Und er will großen, industriellen Betrieben keine Agrarsubventionen mehr geben, sondern die Leistungen der Landwirte für Gemeinwohlleistungen wie Arten- und Klimaschutz bezahlen.

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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