Puchheim:Stadtratsarbeit auf dem Stundenplan

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Übung in Kommunalpolitik: Bürgermeister Norbert Seidl (rechts) hat die fiktive SPD-Fraktion im Blick. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Planspiel Kommunalpolitik streiten Gymnasiasten in einer fiktiven Sitzung über Vorschläge wie "soziale Mülleimer" für Pfandflaschen

Von Peter Bierl, Puchheim

Der Bürgermeister wird froh sein, wenn er wieder mit seinem richtigen Stadtrat zu hat. Da geht es gemütlicher zu, als bei der fiktiven Sitzung mit Schülern, die Norbert Seidl (SPD) am Donnerstag im Puchheimer Rathaus leitete. Kontroverse Grundsatzdiskussionen bei jedem Tagesordnungspunkt und zwei Kampfabstimmungen hintereinander - so was gibt es in Echt zumindest im öffentlichen Teil nicht. Im Stadtrat sind zwar fünf Fraktionen vertreten, aber die agieren in der Regel so, als wären sie die plurale Fassung einer Einheitspartei. Und finden sich einmal ein paar Abweichler, wie bei der Geothermie, dann schweigen sie lieber still.

Ganz anders beim Planspiel Kommunalpolitik des Kreisjugendrings, das den Gymnasiasten im Rahmen des Faches Sozialkunde Grundlagen der Lokalpolitik vermittelte. Am ersten Tag erarbeiteten die Schüler sich die Funktionen und das Zusammenspiel von Mandatsträgern und Verwaltung. Am Abend besuchten die Schüler eine richtige Stadtratssitzung, in der es um die Gestaltung der Ortsmitte und den Bürgerpark ging. Am Mittwoch wurde jeder Schüler einer Fraktion zugelost, und in diesen Gruppen bereiteten sie Anträge für die fiktive Sitzung am Donnerstag vor.

Die Fraktionen schlugen einen neuen Sportplatz, Radwege, einen Trimm-Dich-Pfad, "soziale Mülleimer" für Pfandflaschen und eine App für Informationen der Kommune vor. Jede Fraktion stellte in der Sitzung ihre Idee vor und verteidigte sie gegen hartnäckige Versuche, sie zu zerpflücken. Seidl moderierte mit Bedacht und erklärte Hintergründe. Die Debatte um den Sportplatz ließ er am langen Zügel laufen, bis er als Moderator komplett außen vor war. Dann erinnerte er die Runde daran, dass eigentlich der Bürgermeister Regie führt. Als der Schüler-CSU mit ihrem neuen Sportplatz eine Abstimmungsniederlage drohte, erklärte Seidl als taktische Finesse den geordneten Teilrückzug, der darin besteht, Einwände aufzugreifen und einen Kompromiss zu formulieren, der noch eine Mehrheit findet. Die fiktive SPD war gleich so schlau, für ihre jugendgerechte Informationsübermittlung bloß ein Konzept zu fordern, statt selbst einen konkreten Vorschlag auszuarbeiten, eine in der Realität verbreitete Masche Hirnschmalz zu sparen, Fehler zu vermeiden und Arbeit auf die Verwaltung abzuwälzen.

Die Freien Wähler hatten detaillierte Pläne für Radwege ausgearbeitet und gecheckt, aus welchen Fördertöpfen man Geld abzocken könnte. Gegen so vorhersehbare Einwände, wie für die Autofahrer bliebe zu wenig Platz, zeigte sich die Gruppe gewappnet und konterte mit Klimaschutz und Gesundheit. Die Gruppe brachte sich aber mit einem Eigentor um den Erfolg. Sie hatte lediglich gefordert, dass der Stadtrat ihren Vorschlag behandelt, nicht aber darüber abstimmt. Die Grünen meisterten zwar diese formale Hürde, scheiterten aber mit ihrem Trimm-Dich-Pfad, weil eine Mehrheit dem Einwand folgte, "eine Stadt ist kein Vergnügungspark" - ein wunderbares Totschlagsargument. Die echte UBP wurde von ihrem Schüler-Pendant im Kampf gegen eine drohende Verschmutzung Puchheims treffend kopiert. Sie setzte "soziale Mülleimer" durch, Behälter für Pfandflaschen, die Mitarbeiter des Bauhofes leeren müssten. Der Erlös würde an soziale Einrichtungen fließen.

Unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" fragte eine Schülerin, ob die Kennedywiese als Bürgerpark geeignet sei, weil die Planie ein sozialer Brennpunkt sei. Der Park wäre doch ein gefährlicher Ort, an dem noch mehr gedealt würde. Seidl antwortete, in dem Viertel wohnten Menschen, die ärmer sind, ohne gute Ausbildung und die kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen. Deswegen sei es sinnvoll, sich für das Quartier zu engagieren, das laut Polizeistatistik kein Hotspot der Kriminalität sei.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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