Puchheim:Stadträte sollen aufklären

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Bürgermeister Seidl spricht von einem bedauerlichen Vorgang. (Foto: Thomas Dashuber)

Prüfung der Greensill-Geldanlage bleibt Aufgabe von Puchheimer Kommunalpolitikern

Von Peter Bierl

Vorerst wird sich keine unabhängige Instanz mit dem Puchheimer Greensill-Debakel beschäftigen. Diesen Antrag der Freien Wähler lehnten die anderen Fraktionen am Dienstag im Stadtrat ab. Die Mehrheit folgte den Anträgen von CSU, FDP und Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und beauftragte den Rechnungsprüfungsausschuss (RPA) damit, die Vorgänge zu untersuchen. Gegen die Fraktionsmehrheit der CSU wurde die Richtlinie außer Kraft gesetzt, auf deren Grundlage die Stadtverwaltung zwei Millionen Euro bei der insolventen Privatbank angelegt hatte.

Die erste öffentliche Beschäftigung im Stadtrat mit dem Vorfall begann mit längeren Darstellungen des Zweiten Bürgermeisters Manfred Sengl (Grüne) sowie des geschäftsleitenden Beamten Jens Tönjes, der die hausinterne Untersuchung leitet. Bislang habe man die Akten aufgearbeitet, Beteiligte befragt, was noch nicht abgeschlossen sei, und es lägen schriftliche Erklärungen vor. Dazu gebe es erste Einschätzungen der Kommunalaufsicht und des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) vor, die der Kommune ein gutes Krisenmanagement bescheinigten

Bei der Anlage im Mai 2020 lag die Spanne zwischen einem Negativzins von 0,5 Prozent und 0,45 Prozent bei Greensill, es sei also um etwa 12 000 Euro gegangen, berichtete Tönjes. Mitte Dezember seien zehn Millionen Euro liquide gewesen. Acht Millionen habe die Kommune bei einer Hausbank untergebracht und über den Finanzmakler die Anlage von zwei Millionen bei Greensill verlängert. Es habe seitens des Maklers keinen Hinweis auf das verschlechterte Rating von Greensill von A- auf BBB+ gegeben, betonte Tönjes.

Kämmerer Harald Heitmeir erklärte später, er werde sich inhaltlich nicht äußern. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) sprach von einem bitteren und bedauerlichen Vorgang, durch den enormer Schaden entstanden sei. Dafür übernehme er die Verantwortung.

Seidl und Vertreter aller Fraktionen sprachen sich für eine externe Untersuchung aus in Kombination mit der Arbeit des RPA. Hinter der Einigkeit verbergen sich jedoch zwei unterschiedliche Vorgehensweisen, wie Grünen-Fraktionssprecherin Gisella Gigliotti sowie Michael Peukert (FW) deutlich machten: Entscheidend sei, wer das Zepter führe. Entweder holt sich der Ausschuss externe Expertise dazu oder ein Unabhängiger leitet die Untersuchung, was die Freien Wähler favorisierten. Der Antrag der CSU-Fraktionsvorsitzenden Karin Kamleiter, den BKPV mit einer Sonderprüfung zu beauftragen, wurde erst zurückgestellt und später nicht mehr abgestimmt.

Zum Knackpunkt entwickelte sich die Richtlinie. Kamleiter und ihr Stellvertreter Dominik Schneider bleiben bei ihrer Position, diese sei korrekt, aber von der Verwaltung nicht eingehalten worden, sowohl in Bezug auf das Rating der Bank als auch, was die Einlagensicherung betriff. Seidl hingegen sagte, die Bonität habe sich auf langfristige Anlagen bezogen, Gigliotti vertrat eine ähnliche Position, Schneider widersprach. Ein Rating für Festgeldanlagen gebe es nicht, es komme auf die Bonität des Schuldners an. Nach Ansicht der Grünen-Sprecherin enthält die Richtlinie durchaus "Unschärfen". Hätte sich die Verwaltung "streng an den Text" gehalten, wären Anlagen nur bei Sparkasse und Volks-und Raiffeisenbank zulässig gewesen.

Angedeutet wurde, dass Kommunalaufsicht und BKPV die Richtlinie unterschiedlich einschätzen. Worin die Differenzen bestehen, wurde im öffentlichen Teil der Sitzung nicht gesagt. Der BKPV wollte sich dazu am Mittwoch auf Anfrage der SZ nicht äußern, so wenig wie das Landratsamt, da es sich um eine interne Einschätzung in einem laufenden Verfahren handele. "Die Anlagen-Richtlinie der Stadt Puchheim ist von dieser selbst zu bewerten", teilte die Kreisbehörde mit.

Im Stadtrat folgte jedenfalls eine Debatte darüber, ob die Richtlinie aufgehoben werden sollte, wie FDP-Stadtrat Martin Koch beantragt hatte. Die CSU-Fraktion mit Ausnahme des Dritten Bürgermeisters Thomas Hofschuster und von Rainer Zöller votierte dagegen, weil sie die Richtlinie für richtig hält, während Bürgermeister Seidl erklärte, sie sei für die Verwaltung nicht anwendbar. Tönjes appellierte an die Runde, für Klarheit zu sorgen, denn die Mitarbeiter in der Kassenverwaltung hätten Angst, etwas Falsches zu entscheiden. "Wenn die Richtlinie unklar war, warum hat sich dann noch niemand aus der Verwaltung beschwert", entgegnete Schneider. Für den stellvertretenden CSU-Fraktionsvorsitzenden steht fest, dass die Geldanlage bei der Greensill-Bank aufgrund der Richtlinie von vorneherein unzulässig war. Die Richtlinie hatte der Stadtrat im Herbst 2018 einstimmig beschlossen.

Zur Debatte stand der Vorschlag von Koch, nicht bloß die Richtlinie aufzuheben, sondern die Geschäftsordnung zu ändern, oder den Finanzausschuss zu beauftragen, über Geldanlagen zu befinden. Schließlich beschloss das Gremium, dass die Verwaltung nur noch risikolose Anlagen vornehmen dürfe, was darauf hinausläuft, dass sogenannte Negativzinsen anfallen. Außerdem bewilligte der Stadtrat auf Vorschlag des Kämmerers 20 000 Euro, um in einer Allianz mit anderen geschädigten Kommunen im Insolvenzverfahren auftreten zu können.

© SZ vom 25.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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