Puchheim:Organische Spannungsbögen

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Gärtnerplatzmusiker spielen im Puc Werke von Heitor Villa-Lobos, Maurice Ravel und Franz Lachner

Von KLAUS MOHR, Puchheim

Erst auf den zweiten Blick lässt sich erkennen, dass hinter dem Motto des Kammermusikabends im Puchheimer Kulturzentrum "Atem-Bogen" wesentliche Merkmale von zwei Instrumentengruppen verborgen sind: Der Atem ist notwendig, um Blasinstrumenten Töne zu entlocken, mit dem Bogen werden Streichinstrumente angespielt. Für jede Art von Musik aber gilt, dass sich in Anlehnung an den Atem organische Spannungsbögen ergeben müssen, damit Musik mehr ist als Töne oder Klänge. Die elf Musiker aus dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München hatten sowohl Blas- als auch Streichinstrumente im Gepäck. Auf dem Programm standen Werke von Heitor Villa-Lobos, Maurice Ravel und Franz Lachner. Die Zuhörer wanderten mit den Musikern sozusagen rückwärts in der Musikgeschichte.

Mit der Bachianas Brasileiras Nr. 6 für Flöte und Fagott von Villa-Lobos wurde der Abend eröffnet. In der Ária schienen die beiden Stimmen erst bei genauerem Hinhören melodisch aufeinander bezogen, doch entdeckte das Ohr dann motivische Verschränkungen und eine sich ganz frei entwickelnde Beziehung zwischen beiden Partnern. Dynamische Akzente wirkten in der Fantasia wie ein Anstoßen des Partners, wobei die bewegliche Flöte deutlich mehr Töne hatte als das dagegen gemächlich schreitende Fagott.

Als Johann Wolfgang von Goethe über das Streichquartett sagte, er "höre hier vier vernünftige Leute sich miteinander unterhalten", konnte er das viel später entstandene Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello von Maurice Ravel nicht im Sinn haben. Wer die Interpretation im Puc hörte, fand Goethes Beobachtung auf andere Weise bestätigt: Die Kommunikation erfolgte hier durch den sensiblen Austausch von Stimmungen und Farben unter den Partnern. Nur so konnte der verklärte, aber dennoch vitale Klang im Kopfsatz (Allegro moderato) als Gesamteindruck erklärt werden. Auch der Übergang vom rein gezupften, somit schwerelosen Verlauf am Anfang des zweiten Satzes (Assez vif, très rythmé) in eine stringent und dynamisch ansteigend mit dem Bogen geführte Melodielinie lebte weniger von der Motivik und mehr von der phantasievollen Klangaura.

Nach der Pause erklang das in der Tradition Franz Schuberts stehende Nonett in F-Dur op. 121 für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass des Münchner Hofkapellmeisters Franz Lachner. Von der Größe der Besetzung her steht dieses Stück an der Schwelle der Kammermusik zum Orchester, doch ist jedes Instrument in diesem Stück ein charakterliches Individuum. Hier war sozusagen alles etwas mehr, was die klangliche Abwechslung bereicherte, die Transparenz aber dennoch nicht beschnitt. Bei aller klassischen Ausgewogenheit waren verschiedene Zwiegespräche zwischen Instrumenten oft ineinander verzahnt, wobei fast alle erdenklichen Kombinationsmöglichkeiten auch tatsächlich realisiert wurden. Vereinigten sich alle Instrumente in gleicher rhythmischer Führung, hatte dies eine fulminant-überzeugende Klangwirkung. Großer Beifall zum Schluss.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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