Puchheim:Merkl, Trump und eine dreibeinige Sau

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Bei der Puchheimer Brettl-Nacht reicht das unterhaltsame Programm vom Kabarett bis zur Realsatire mit dem Bürgermeister

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

"Zum Puchheimer" heißt bisher kein Gasthaus in Puchheim. Mit dem Konzept der Puchheimer Brettl-Nacht würde sich solch ein Etablissement sicherlich lohnen. Spiritus Rector dieses überaus gewinnbringenden Kulturabends, der auch Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) einen Auftritt verschaffte, war Joe Heinrich, Kabarettist und Puppenspieler in der BR-Sendung Quer. Heinrich hatte ein Kleinkunstensemble zusammengestellt, das gerade in seiner Abwechslung überzeugte und den Besuchern im vollbesetzten Puc fast drei Stunden lang einen sehr amüsanten Abend bereitete.

Heinrich selbst eröffnete die bereits dritte Auflage der Brettl-Nacht mit seinem Puppenspiel. Seine Puppenstreitmacht hatte er mit einem Donald Trump ergänzt. Der lieferte sich sofort mit den Erdogan- und "Merkala"-Handpuppen geistreiche Wortgefechte, sprachlich perfekt imitiert von Heinrich. Trump, der sofort im Puc die größte Zuschauerschar ausmachte, die jemals da war, ließ er Englisch sprechen. Erdogan, der sich als Führer von der Türkei vorstellte, ordnete Trump als "Turkey" ein, "den Präsidenten eines Vogels". Auch Söder und Stoiber traten als Puppen auf und plusterten sich auf. Große Politik im unterhaltsamen Handpuppenformat, an der Seite der Bühne, publikumsfreundlich vergrößert via Bildschirm, eine grandiose Idee. Entsprechend amüsiert und begeistert war das Publikum schon zu Beginn des Abends.

Manfred Abholzer, mit der notwendigen Körperfülle für seine Rollen als deftiger Bayerntyp ausgestattet, wartete mit diversen Szenen aus der bayerischen Leitkultur auf. In Lederhose betrieb er als Bierbrauer und "gelernter Alkoholiker" zunächst Veganer-Bashing. Witzig die Bemerkung: "Ich sehe mich draußen mit meiner Bratwurstsemmel bei den Rauchern stehen." Der urbairisch vorgetragene Saufmonolog in der Figur des FC Bayern-Fans Korbinian ließ die Besucher mehrmals raunen. Besonders auch dessen Ode an die frühere, angeblich gemütlichere Wirtshauskultur, als das Schwein noch mit drei Beinen herumlief. "Wegen einer Schweinhaxe wird der Wirt nicht ein ganzes Schwein schlachten", kommentierte Korbinian diesen erstaunlichen Vorgang. Später glänzte Abholzer noch mit einer "Moritat von Leber- und Semmelknödel". Dazu holte er witzige Knödel-Puppen aus einem Kasten.

Mit solch umwerfendem Humor und mit umfangreichen Beschimpfungskanonaden speziell behandelt, sollte Abholzer mit dieser Nummer in jeder bayerischen Schule, in jedem bayerischen Jugendzentrum auftreten. Vermutlich würde das besser gegen rassistische Einstellungen wirken als alle sonst so üblichen intellektuellen Belehrungen. Zuletzt begeisterte der Künstler noch mit rasanter urbairischer Löffelakrobatik-Percussion, die er auf seinen üppigen Oberschenkeln niederprasseln ließ.

Joe Heinrich inszenierte auch eine "römische Sitzung" des Kulturausschusses des Puchheimer Stadtrates mit "Norbertus Seidlus Sozius" und "Urbius Rainerus"" - unverkennbar Rainer Zöller. Die Grünen und die Freien Wähler waren mit zwei Frauen vertreten, die nicht ganz ernst genommen wurden. Der Ausschuss lehnte eine Polsterbestuhlung des Puc ab, stimmte aber einstimmig für gepolsterte Bierbänke beim Puchheimer Volksfest. Dann kam der von den Besuchern mit Spannung erwartete Norbert Seidl in Wirklichkeit auf die Bühne. Er legte den ihm von Regisseur Heinrich vorordneten weißen römische Umhang ab. "Da komme ich mir vor wie Hui Bu", meinte Seidl und präsentierte sich in Zivil. Seine Realsatire über den endlosen Kontakt zu einer Internetfirma beim Versuch der Stadt, ein Mailaccount zu bekommen, trug Seidl erstaunlich bühnentauglich und routiniert vor. Die Zuhörer schwankten während seines Vortrages zwischen Haare raufen und Dauerlachen. Kennt doch jeder die frustrierenden telefonischen Hilferufe, die bei technischen Problemen getätigt werden und nicht nur zu altbekannten Buchbinder-Wanninger-Odysseen führen, sondern heute auch ins Nirwana unsichtbarer Gesprächspartner im Netz, die als geisterhaft-ungreifbare Wesen alle Hilfesuchenden zum Wahnsinn treiben können. Seidl nannte es treffend "postfaktische Kommunikation".

Auch Bühnen-Straßenkünstler Stefan Eichbauer passte hervorragend in die Brettl-Nacht. Er zauberte mit Jonglagen und waghalsigen Kunststücken, sympathisch-egofrei angekündigt, Zirkusatmosphäre. Der Kopf konnte dabei entspannen, kindliche Freude machte sich im Publikum breit. Nach seinem Leuchtstab-Feuerwerk auf der verdunkelte Bühne war man sich sicher: schöner kann auch ein LSD-Trip nicht sein. Dann tauchen noch einmal Trump und Merkel als Puppen auf. "Hello, Nazi-Merkala", begrüßt sie Trump, der dann mit einer Drohne aus "fucking Berlin" herausgeflogen wird.

Musikkabarettist Michi Marchner schließlich animiert den Saal zu Rockstimmung und singt von Altersblues und Alltagsblues. Er hat das altersmäßig gesetzte Publikum sofort auf seiner Seite, als er erzählt, dass man von den mühsam aufgezogenen halbwüchsigen Kindern, "so viel zurückbekommt", nämlich "alles zurückbekommt, was man den eigenen Eltern angetan hat." Die Vorfreude auf die nächste Brettl-Nacht im Kultur-Wirtshaus "Zum Puchheimer" im kommenden Herbst ist sehr berechtigt.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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