Interview zu "Jugend musiziert":"Man kann helfen, die Veranlagung herauszufinden"

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Claus Christianus ist seit mehr als zehn Jahren Chef-Juror beim Regionalentscheid von "Jugend musiziert". Im Interview spricht der Puchheimer über steigende Ansprüche, die Erwartungshaltung von Eltern und die optimale Beratung der Teilnehmer

Von Florian J. Haamann, Puchheim

Mit mehr also 30 Jahren Erfahrung auf Regional-, Landes- und Bundesebene gehört Claus Christianus zu den erfahrensten Organisatoren beim Wettbewerb "Jugend musiziert". Seit zehn Jahren ist der Puchheimer nun außerdem Vorsitzender und oberster Juror des Münchner Regionalwettbewerbs und damit auch für die Teilnehmer aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck verantwortlich.

SZ: Herr Christianus, geben Sie als Chef-Juror eigentlich irgendwelche Kriterien vor, an die sich die Kollegen halten müssen?

Claus Christianus: Die Kriterien werden schon durch die offizielle Jury-Richtlinie vorgegeben. Mir geht es in den Gesprächen eher darum, die Juroren daran zu erinnern, dass die Teilnehmer einfach junge Leute sind, die hauptberuflich Schüler oder Studenten sind, und dass sie das alles mit viel Engagement in ihrer Freizeit machen. Das sollte man im Regionalentscheid honorieren. Er ist ja nur die Eingangsstufe des dreiteiligen Systems.

Es gibt also durchaus einen Unterschied des qualitativen Anspruchs zwischen Regionalentscheidung und dann später Landes- und Bundesebene?

Ja, auf den anderen Ebenen wird die Messlatte dann einfach höher gelegt. Man sieht das schon daran, dass man beim Regionalentscheid mit 21 von 25 Punkten einen ersten Preis kriegen kann, auf der Landesebene braucht es dann 23 und beim Bundeswettbewerb 24 Punkte. Daran zeigt sich schon der höhere Qualitätsanspruch. Die Jurys sind immer angehalten, den Maßstab entsprechend der jeweiligen Ebene angemessen anzulegen.

Muss man dann nach ersten Preisen beim Regionalentscheid auch mal Erwartungshaltungen dämpfen, weil Eltern glauben, ihr Kind müsse jetzt ja Profimusiker werden?

Dass ist natürlich schon schwierig, da haben sie recht. In den entsprechenden Altersgruppen kommt schon manchmal die Frage, ob es denn nun reicht für ein Musikstudium. Wobei das eher noch nicht auf der Regionalebene der Fall ist.

Wie geht man mit solchen Fragen um?

Wir als Juroren müssen das immer sehr vorsichtig beantworten. Weil wir ja nur eine Momentaufnahme von 15 bis 20 Minuten erleben. Wir sehen also nur die Tagesform, nicht die Entwicklung. Man kann also nicht sagen: "Studier' Musik!" oder "Lass die Finger davon!". Man kann höchstens versuchen, die Chancen einzuschätzen. Es kommt ja auch immer drauf an, an welcher Hochschule man sich bewirbt und welche Mitbewerber man hat.

Mussten sie schon einmal die Erwartungen eines Schülers oder seiner Eltern dämpfen, weil sie ein völlig falsches Bild von den Fähigkeiten hatten?

Eigentlich nicht. Die Frage kommt tatsächlich meistens von Leuten, die sich auch eignen. Aber natürlich kann es schon vorkommen, dass man in einem Gespräch erst einmal herausfindet, was derjenige eigentlich für ein Ziel hat. Will er ein großartiger Solist werden oder Orchestermusiker oder Musikpädagoge? Man kann also helfen, die Veranlagungen herauszufinden und über einen möglichen Weg zu sprechen.

Wie oft haben Sie es mit Eltern zu tun, die ihr Kind ungerecht bewertet finden?

Das gibt es natürlich ab und zu, aber glücklichweise sind es doch relativ wenige Fälle.

Können Sie da konkrete Zahlen nennen?

Ich würde sagen, im Schnitt etwa dreimal im Jahr, auch wenn es Ausscheidungen gibt, bei denen gar nichts passiert. Und es geht auch gar nicht immer um die Bewertung, sondern oft auch um den Inhalt der Beratungsgespräche. Es ist natürlich immer eine Gratwanderung, darauf zu reagieren. Man muss Rücksprache mit der zuständigen Jury halten, und Änderungen am Ergebnis gibt es sowieso nicht. Leider läuft es dann manchmal darauf raus, dass Vergleiche mit Konkurrenten angeführt werden, dass ist dann sehr schwierig.

Spürt man als Jury in den Beratungsgesprächen auch, ob ein Teilnehmer vor allem auf Druck der Eltern beim Wettbewerb mitmacht?

Wir führen die Beratungsgespräche ganz bewusst nur mit den Teilnehmern. Manchmal versuchen die Eltern natürlich einzugreifen, aber das blocken wir ab, so gut es geht. Und dann merkt man natürlich schon, wie offen die Jugendlichen sind. Natürlich können wir in diesen kurzen Gesprächen auch nur vermuten, warum jemand so bedröppelt dasitzt, obwohl es gar nicht nötig wäre, und was dahinter steckt. Aber oft kann man die Hintergründe sehr gut erahnen.

Versucht man dann in so einer Situation darüber zu sprechen oder geben Sie in den Gesprächen vor allem allgemeine Hinweise?

Wir versuchen vor allem, den Schülern Impulse für ihre Arbeit mitzugeben. Wenn die Beratung gut sein soll, dann muss sie auch konkrete Dinge ansprechen. Es hilft ja nichts, nur zu sagen du spielst sehr schön, oder, böse ausgedrückt, deine Musik ist noch recht öde. Besser ist es zu erklären, was er machen kann, damit sein Spiel spannender wird, etwa indem er die Lautstärken differenziert oder etwas in die Richtung.

Kommen sie als Organisator überhaupt dazu, sich selbst einige Teilnehmer anzuhören?

Ich nehme es mir immer vor, aber leider klappt es nur selten. Ich muss ja ständig erreichbar sein, etwa wenn es etwas zu klären gibt oder Pannen zu lösen sind.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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