Ausstellung in Puchheim:Kunst für die Inklusion

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Die Wanderausstellung "Alle inklusive" macht mit originellen wie bedrückenden Gemälden und Plakaten auf die Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen aufmerksam

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

"Kulturelle Teilhabe ist eines unserer wichtigen Themen", erzählt Hermann Grüsser vom Puchheimer Behindertenbeirat. Denn die Möglichkeit, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, ist oft nicht nur für Rollstuhlfahrer ein Problem, sondern für fast alle Menschen mit Behinderung. "Etwa zehn Prozent der Menschen haben eine Behinderung. Wenn man sich dann anschaut, wie wenige Plätze es für Behinderte gerade bei Großveranstaltungen gibt, ist das unmöglich. Da gibt es in einer großen Halle vielleicht fünf oder sechs Plätze." Um auf die Probleme von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen - nicht nur im kulturellen Bereich - hat der Münchner Behindertenbeirat 2009 einen Plakatwettbewerb ausgerufen. Die Ergebnisse wurden in einer Wanderausstellung zusammengestellt, die aktuell im Puchheimer Kulturzentrum zu sehen ist. Die 30 gezeigten Werke beziehen sich auf die verschiedenen Artikel der UN-Behindertenrechtskonvention, die 2008 in Kraft getreten ist.

So befasst sich Artikel 7 mit der Gleichberechtigung von Kindern mit Behinderung. Auf den ersten Blick scheint das dazugehörige Werk von Robert Jaskolski, das den zweiten Preis gewonnen hat, nichts Besonderes zu zeigen. Es zeigt das blaue Verkehrsschild für eine Spielstraße. Doch im Gegensatz zum Original spielt bei ihm kein nicht behindertes Kind mit seinem Vater Fußball, sondern ein Kind im Rollstuhl. Diese Darstellung wirkt so selbstverständlich, dass man als Betrachter für einen Moment vergisst, dass die Realität noch längst nicht so aussieht. Es sind vor allem diese kleinen Zeichen in vielen Bildern und Plakaten, die anrühren und zugleich betroffen machen. Und genau darum geht es den Ausstellungsorganisatoren, wie Ingrid Kroppen erklärt: "Wir wollen die Besucher nachdenklich machen und ihnen zeigen, wie vielfältig die Bereiche sind, in denen noch etwas geschehen kann. Ich denke, nur so kann etwas passieren. Denn erzwingen lässt sich gar nichts."

Besonders bedrückend ist das schemenhafte Gemälde einer Frau, die in einem Rollstuhl sitzt und sich an zwei Gittern festhält. "Übergriffe gegen Frauen sind ja immer ein gesellschaftliches Problem", sagt Grüsser, "aber für Frauen mit Behinderung ist es noch einmal schlimmer, weil sie sich oft überhaupt nicht wehren können." Dieses Leid und den Schmerz fängt das Gemälde eindrücklich ein. Genauso wie ein Bild zum Thema "Achtung der Privatsphäre". Auch das ist laut Grüsser etwas, das viele Menschen mit Behinderung beschäftigt. Da sie oft auf fremde Hilfe angewiesen sind, sei es besonders wichtig, dass Privat- und Intimsphäre gewahrt werden. Die Realität sehe jedoch oft noch anders aus. "Ich höre oft, dass sich die Menschen etwa bei der Körperpflege wie Autos in einer Waschanlage fühlen."

Insgesamt haben sich 120 Personen mit und ohne Behinderung, Profis genauso wie Laien, an dem Wettbewerb beteiligt. Die ausgestellten Werke schaffen eine gelungene Mischung aus Ernsthaftigkeit und Schwere, immer wieder mit heitereren Motiven, die dennoch nie das Thema aus den Augen verlieren, wie etwa eine farbenfrohe Buntstiftzeichnung, die ein Konzert zeigt. Vor der Bühne tanzen Rollstuhlfahrer und nicht behinderte Menschen gemeinsam - auch das ein Zustand, der in der Realität noch längst nicht selbstverständlich ist.

Die Ausstellung "Alle inklusive!" ist noch bis zum 24. Juni im Puchheimer Kulturzentrum zu sehen.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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