Puchheim:Kämpfen um jeden Baum

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Forstwirt Hans-Jürgen Gulder rät den Puchheimern, Ahorn, Linde und Hainbuchen am Alois-Harbeck-Platz zu schonen und auf Parkplätze zu verzichten. Um das Fällen von 60 Bäumen ökologisch auszugleichen, müssten 2000 Sprösslinge gepflanzt werden

Von Peter Bierl, Puchheim

Der Gebäudekomplex am Alois-Harbeck-Platz im Zentrum Puchheims soll umgebaut werden. Dort sind sechs neue Gebäude geplant, darunter ein siebenstöckiges Bauwerk, für Läden, Gastronomie und Wohnungen. An der Allinger Straße ist ein Supermarkt vorgesehen, darüber vier Stockwerke mit je vier Wohnungen, teils mit Dachterrassen. In zwei Neubauten mit drei und fünf Stockwerken wird ein Hotel eingerichtet. Lediglich das sechsstöckige Haus mit 44 Wohnungen auf der Rückseite des Platzes bleibt und soll energetisch saniert werden.

Gemäß der vorliegenden Planung müssen zahlreiche am Platz gelegene Bäume weichen. (Foto: Günther Reger)

Dieses Projekt löst Widerspruch aus. Der Bund Naturschutz moniert, dass zu viel Fläche versiegelt wird, etwa für Parkplätze, dass etwa 60 Bäume gefällt und mehr Autos ins Zentrum fahren werden. Kürzlich hatten die Umweltschützer Hans-Jürgen Gulder, den ehemaligen Leiter des Brucker Forstamtes, der im Germeringer Umweltbeirat aktiv ist, zu einem Rundgang eingeladen. Etwa 40 Zuhörer kamen. Gulder gab eine differenzierte Analyse des Projekts und macht etliche konkrete Vorschläge, um die Ökobilanz ein wenig zu verbessern. Der Verlust an sogenannter grauer Energie, die in den Gebäuden steckt, lässt sich nicht ausgleichen.

Pappeln müssen weg

Zwischen dem großen Parkplatz auf der Nordostseite des Komplexes und der Bahnlinie steht neben einigen anderen Bäumen eine Reihe großer Pappeln. Diese sind Flachwurzler, wachsen sehr schnell, werden aber nicht sehr alt und sind anfällig für Krankheiten, erklärte Gulder. Beim geringsten Sturm können die Pappeln umkippen. "Es ist eigentlich unverantwortlich, dass diese Bäume noch stehen", sagte der Forstmann. Dass die Pappeln gefällt werden sollen, sei deshalb ein Vorteil.

Wie wird der Alois-Harbeck-Platz am Puchheimer Bahnhof in Zukunft aussehen? (Foto: Günther Reger)

Die Zuhörer fragten, was man stattdessen anpflanzen sollte. Angesichts des Temperaturanstiegs, der bis zum Jahr 2100 bei zwei Grad liegen könnte, sollte man weder Buchen noch Bergahorn pflanzen, auch keine Fichten, Lärchen, Kiefern oder Tannen. Gulder riet zu Spitz- und Feldahorn, Linden oder Stieleichen, deren rissige Rinde einen Lebensraum für Insekten, kleine Fledermäuse, Algen, Moose und Flechten bilden.

Nur ein neuer Baum reicht nicht

Wichtig sei, viele verschiedene Sorten auszuwählen, in der Hoffnung, dass wenigstens einige den Klimawandel überstehen. Und um einen wirklichen Ausgleich zu schaffen, genüge es nicht, jeweils einen neuen Baum für ein gefälltes Exemplar zu pflanzen, betonte Gulder. Er hält nichts davon, ältere Bäume auszuwählen, die deutlich teurer sind, sondern favorisiert mehr jüngere Gewächse. Sollten für den Umbau des Alois-Harbeck-Platzes 60 Bäume gefällt werden, müssten auf einem nahe gelegenen Grundstück etwa 2 000 Exemplare gepflanzt und dieser Bestand über die Jahre ausgedünnt werden, so dass die übrigen immer mehr Platz bekommen.

Ältere Exemplare erhalten

An der südwestlichen Ecke des Gebäudekomplexes befindet sich ein kleiner Hügel mit etwa 15 Bäumen: Linde, Ahorn und Hainbuche. "Um die wäre es wirklich schade", sagte Gulder. Denn diese Bäume, darunter etliche ältere Exemplare, nehmen Kohlendioxid auf, absorbieren Feinstaub und produzieren Sauerstoff. Im Sommer sorgen sie für Kühlung, weil ein alter Baum etwa 200 bis 300 Liter Wasser pro Tag verdunstet, kombiniert mit einem Luftzug, den der Hügel schafft. Die Wurzeln lockern den Boden auf, so dass bei Starkregen das Wasser besser versickern kann. "Sie sollten wirklich um diese Bäume kämpfen", appellierte Gulder an die Teilnehmer, darunter etliche Stadträte. Auch Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) schaute kurz vorbei.

Innenhof bepflanzen

Der Innenhof des Alois-Harbeck-Platzes ist mit Platten belegt, was Stadtrat Hans Kürr (Grüne) zu der Bemerkung veranlasste, das sei "ein Hitzespeicher ohne Ende". Dazwischen gibt es ein paar Inseln für kleine Bäume sowie Pflanztröge. Bei einem Umbau müsste der Hof wesentlich grüner werden, man müsste so viel Grün wie möglich pflanzen, riet Gulder. Flachwurzler seien in einer solchen Anlage durchaus möglich, aber nur wenn auf die Tiefgarage darunter eine Schicht von einem Meter Lehm aufgebracht würde. Für Pfahlwurzler wie etwa Eichen könnte man Schächte schaffen, die durch die Tiefgarage reichen.

Dach und Fassaden begrünen

Was die Fassaden der Häuser betrifft, so müssen diese so gestaltet werden, dass sie sich üppig begrünen lassen. Auf den Dächern müsse dafür ein Substrat von 30 bis 50 Zentimeter aufgebracht werden, damit ein intensiver Bewuchs mit Stauden, Sträuchern und eventuell kleinen Bäumen möglich wird. Für eine extensive Begrünung mit Pflanzen reichen auch dünnere Schichten schon aus.

In die Höhe bauen

Grundsätzlich plädiert Gulder dafür, die Bäume am Alois-Harbeck-Platz zu erhalten, wo immer es möglich ist. Er hält wenig davon, Exemplare zu verpflanzen, das sei zwar technisch möglich, der Preis aber zu hoch und deren Überleben nicht gesichert. Um möglichst wenig Fläche zu versiegeln, sollte man in Orten wie Puchheim grundsätzlich in die Höhe bauen, fünf bis sechs Stockwerke wären akzeptabel. Er sprach sich gegen neue Parkplätze aus, wie sie am Alois-Harbeck-Platz geplant sind, und plädierte für Tiefgaragen, Parkdecks oder Stellplätze im Erdgeschoss, darüber könnten Supermärkte oder Wohnungen entstehen.

© SZ vom 04.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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